Feuer und Flamme für rheinische Kunst
Die Repräsentanten des Aktionshauses Villa Grisebach über die Künstler und Arbeiten, die in Düsseldorf besonders gefragt sind.
Die Düsseldorfer Niederlassung des Berliner Auktionshauses Grisebach versteigert viel Kunst, die in den 50er und 60er Jahren im Rheinland entstand. Ein Gespräch mit Sophia von Westerholt und Benny Höhne, den beiden Repräsentanten am Rhein.
Blicken wir mal auf die Zeit vor der Corona-Krise: Was läuft in Düsseldorf anders als an den übrigen Standorten von Grisebach? Welche Kunst ist hier besonders gefragt? Gibt es Besonderheiten?
HÖHNE Im Rheinland liegt die zeitgenössische Kunst natürlich weit vorne, sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Doch auch das 19. Jahrhundert, die klassische Moderne und die Fotografie stehen im Mittelpunkt. Wir können hier im Rheinland aus dem Vollen schöpfen.
Wir spüren auch Rückenwind durch den Kunstpalast und dessen neuerdings stärkere Fokussierung auf die Fotografie, sowie das jährliche stattfindende Photo Weekend bzw. jetzt die „Düsseldorf Photo +“.
HÖHNE Ja, das stimmt. Erinnern wir uns an die Düsseldorfer Fotoschule um Gursky, Ruff und Struth, deren Werke zunächst in der Region gesammelt wurden, bevor sie den Sprung in die Internationalität schafften. Noch immer gibt es hier in privaten Sammlungen viele frühe Arbeiten, in Köln, Düsseldorf und Benelux. Das sind oft Fotografien, die dann durch uns erstmals auf den Markt gelangen. Überhaupt sind wir für die Kunst der 50er, 60er Jahre Feuer und Flamme. Sie ist der Grund, warum wir allein im Rheinland mit drei Mitarbeitern vertreten sind.
Denken Sie dabei an die Künstler der Zero-Gruppe, oder sind das eher Richter und Sigmar ?
Westerholt Alle. Ganz genau von Piene, Mack über Graubner bis Polke und Richter. Sie gehören sicher zum Aufregendsten, was die deutsche Nachkriegskunst zu bieten hat.
In den zurückliegenden Jahren hatte man den Eindruck, dass auf dem internationalen Kunstmarkt vor allem Spitzenwerke gefragt sind. Welche Bedeutung hat das Mittelfeld, was ist da besonders begehrt? HÖHNE Das ist die Basis des deutschen Kunstauktionshandels: Werke zu Preisen zwischen 20.000 und 100.000 Euro. Da geht es oft um Editionen, von Imi Knoebel über Heinz Mack bis zu Joseph Beuys. In unserer Herbst-Auktion hatten wir zuletzt einen Filzanzug von Beuys. Der Schätzpreis betrug 50.000 Euro, versteigert wurde er für 75.000 Euro.
Wie hoch ist bei Ihren Auktionen der Anteil von Menschen unter 35?
In unserem Haus ist für den jungen Sammler und Kunstinteressierten der Katalog „Third Floor“interessant. Hier gibt es immer etwas zu entdecken, hervorragende Arbeiten zu Schätzpreisen bis 3000 Euro. Aber auch unsere Fotografie-Abteilung und das 19. Jahrhundert locken mit Werken ab 1000 Euro und bieten einen Einstieg. Gute Kunst muss nicht teuer sein. HÖHNE Im Übrigen setzen wir stark auf Soziale Medien. Instagram und Facebook sind für uns wichtig geworden. Ebenso verzeichnen wir einen Zuwachs an Online-Bietern zu unseren Präsenzauktionen.
Was ist zurzeit am meisten gefragt? Zeitgenössische
Kunst!
HÖHNE Seit mehr als fünf Jahren verzeichnen wir dabei einen deutlichen Anstieg. Das ist bei uns eine starke Umsatzsäule, neben Expressionismus
und frühem 20. Jahrhundert.
Selbstverständlich gibt es aber auch noch den „klassischen“Sammler für die Moderne oder das 19. Jahrhundert, für den wir ständig bemüht sind herausragende Werke anzubieten. Wir beobachten zudem vermehrt den Trend zum „cross over“-Sammeln.
Welche Namen der Gegenwartskunst sind besonders gefragt? HÖHNE Gerhard Richter, Isa Genzken, Sigmar Polke, Wolfgang Tillmans, Rosemarie Trockel, alle Zero-Künstler, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Gotthard Graubner, das sind die Auktionslieblinge.
Kommen wir nochmals zum 19. Jahrhundert. Wer kauft das heute noch?
Grisebach hat die Spreu vom Weizen getrennt, die röhrenden Hirsche der Romantik draußen gelassen. Heute kaufen viele zeitgenössische Künstler Bilder des 19. Jahrhunderts, insbesondere Skizzen. In Ihnen wird oft der Kern eines künstlerischen Schaffens sichtbar, mehr als in Gemälden.
Fälschungsskandale wie der Fall Beltracchi und die Diskussion um NS-Raubkunst haben viele potenzielle Käufer von Kunst verunsichert. Mit wie viel Prozent Sicherheit können Sie Ihren Kunden sagen, dass die angebotenen Kunstwerke echt und von einwandfreier Provenienz sind?
Wir garantieren für die Echtheit der von uns angebotenen Kunstwerke und beschäftigen circa 40 Kunsthistoriker, die sich eingehend mit den Werken befassen. Unsere erfahrenen Kollegen aus der Provenienzforschung in Berlin kümmern sich ausschließlich um die Geschichte der Bilder und tragen mit ihrem profunden Wissen dazu
bei, ehemalige Besitzer aufzuspüren und zu einer gütlichen Einigung im Interesse alller zu gelangen.
HÖHNE Wir recherchieren teilweise monatelang. Solange der geringste Zweifel besteht, werden wir die betreffende Arbeit nicht in die Auktion aufnehmen. Da haben wir uns in den letzten 30 Jahren einen gewaltigen Ruf erarbeitet.
Was hängt bei Ihnen zu Hause an der Wand?
Zwei kleine Drucke von Günter Fruhtrunk, eine dreiteilige Textilcollage von Anna Virnich und noch vieles Unbekannte, das sicherlich irgendwann mal bekannt wird (lachend).
HÖHNE Unter anderem eine frühe Frottage von Max Ernst, Fotografien von Jan Paul Evers und eine Arbeit von Hanne Darboven.
Von welchem Künstler würden Sie gern ein Bild kaufen, wenn Geld keine Rolle spielte?
HÖHNE Von Gerhard Richter und Rosemarie Trockel.
Von Monika Baer und Wolfgang Tillmans.