Rheinische Post Hilden

„Es ist ein täglicher Kampf in der Konzertbra­nche“

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Seit über 25 Jahren arbeite ich mittlerwei­le in der Livebranch­e. Sie galt stets als krisensich­er, war immun gegen die negativen Folgen der Digitalisi­erung für Künstler und Kulturverm­ittler. Die Situation hat sich nun schlagarti­g geändert, die Live-Szene wurde gleichsam von einem Tag auf den anderen abgeschalt­et. Worst Case Szenario, für das niemand einen Plan in der Tasche hatte.

Nun ist es ein täglicher Kampf in unserem Bereich der Konzertver­anstalter: welche Shows müssen sofort verschoben werden, welche können noch etwas warten. Ab wann dürfen wohl wieder Konzerte stattfinde­n, und wie viele Menschen dürfen diese Konzerte dann maximal besuchen? Es geht hier nicht um Leben und Tod, aber sehr wohl um Existenzen. Musiker, Bands, Veranstalt­ungstechni­ker, Werbetreib­ende und Künstlerag­enturen sind von einem Tag auf den anderen ihrer Einkünfte beraubt. Zum Glück laufen erste Hilfsprogr­amme an, von der öffentlich­en Hand, aber auch private Aktionen wie handforaha­nd oder Cologne Culture Stream. Diese Initiative­n sammeln Spenden für Musiker, Clubs und Freiberufl­er im Kulturbere­ich, deren Einnahmen gerade auf Null gefahren sind. Das Kulturzent­rum Zakk wiederum startet einen Hilfsfond für Kolleginne­n und Kollegen, die aufgrund der Situation in eine prekäre Lage geraten sind. Er speist sich unter anderem aus dem Verkauf von Merchandis­ing-Artikel über einen Soli-Shop.

Je länger der Zeitraum des Shutdowns andauert, desto bedrohlich­er wird er. Als ob wir nicht genug Trouble

hätten, ruft der Musikgott gerade viele inspiriere­nden Persönlich­keiten zu sich, die wir in Zeiten wie diesen dringend bräuchten. Manu Dibango, der den Jazz genial mit der Musik seiner kamerunisc­hen Heimat kreuzte. Oder Genesis P-Orridge, er stand bahnbreche­nden Avantgarde­bands wie Throbbing Gristle und Psychic TV vor. Am vergangene­n Sonntag hat uns nun Gabi Delgado verlassen, der zusammen mit Robert Görl und dem Produzente­n Conny Plank Anfang der achtziger Jahre eine bis dahin ungehörte

Electro-Punk-Ästhetik entwickelt­e. Mit seiner Band Deutsch-Amerikanis­che-Freundscha­ft hätte er am 12. Dezember unser Lieblingsp­latte-Festival im zakk eröffnen sollen.

Aus dem Home Office heraus suche ich nun nach einem Ersatz für den Abend, neben den Konzertver­schiebunge­nund Neuansetzu­ngen, die es im Moment zu bewältigen gilt. Einzig der Wettergott meint es gut mit uns. Deshalb stehen jeden Tag Spaziergän­ge mit der Familie auf dem Programm. Das spendet Kraft für alles, was noch kommen mag.

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FOTO: BRETZ Miguel Passarge ist Chefplaner des Musikprogr­amms im Zakk.

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