„Aufweichung der Regeln ist gefährlich“
Der Teamarzt von Fortuna und DEG spricht sich dafür aus, die verordneten Einschränkungen des Trainingsbetriebs strikt einzuhalten.
DÜSSELDORF Ulf Blecker ist 57 Jahre alt, damit nicht mehr allzu weit von der Risikogruppe des Coronavirus entfernt. Dem Einsatz für seine Patienten, zu denen auch die Profis von Fortuna und DEG gehören, tut das jedoch keinen Abbruch.
Die Deutsche Eishockey Liga hat ihre Saison beendet, der Fußball pausiert. Haben Sie eigentlich noch etwas zu tun?
BLECKER Auf alle Fälle. Wir haben in meiner Praxis allerdings neue Regelungen gefunden. Statt 200 Patienten täglich kommen nur die Hälfte, und wir sehen zu, dass immer nur drei bis fünf Leute gleichzeitig da sind, um zwei Meter Sicherheitsabstand einzuhalten. Damit das funktioniert, fangen wir bereits um 6.30 Uhr an und machen mittags durch.
Haben Sie derzeit regelmäßigen Kontakt zu den Spielern?
BLECKER Klar, denn die Fortunen sind ja allesamt nicht untätig, sie arbeiten ihre Trainingspläne zu Hause ab. Und auch da kommt es natürlich immer mal wieder zu Verletzungen wie etwa Sehnenreizungen.
Apropos Trainingspläne – sind diese mit Ihnen abgestimmt?
BLECKER Nicht die einzelnen Übungen, dafür sind die Athletiktrainer in Absprache mit Chefcoach Uwe Rösler zuständig. Aber ich führe täglich Telefonate mit den Athletiktrainern und unserem Chefphysio Carsten Fiedler, da wird alles auf die medizinischen Belange abgestimmt.
Einige Klubs haben bereits wieder einen Trainingsbetrieb in Kleingruppen auf dem Platz aufgenommen. Was halten Sie davon? BLECKER Gar nichts! Eine Aufweichung der Maßnahmen und Regeln, die die Politik richtigerweise aufgestellt hat, ist nicht nur unsolidarisch mit anderen Vereinen und mit der gesamten Gesellschaft, sie ist auch gefährlich. Ich bin zu hundert Prozent auf der Seite der Politik, und Fortunas Klubführung ist es auch.
Eine Taskforce der DFL prüft, ab wann ein Trainingsbetrieb generell wieder erlaubt werden kann. Wie schätzen Sie die Lage ein?
BLECKER Dabei geht es darum, ab dem 5. April generell Kleingruppen auf dem Trainingsplatz zu erlauben. Da muss man abwarten. Ein Mannschaftstraining wird es vor dem 19. April nicht geben. Bis dahin wird das Kontaktverbot der Regierung gelten. Aber auch danach warne ich vor zu frühen Aufweichungen, selbst wenn die Infektionskurve leicht fallen sollte. Dafür sind die Zahlen anderer Länder einfach zu bedenklich. Was für alle gilt, gilt auch für den Fußball.
Sind Leistungssportler nicht weniger anfällig für Infektionen? BLECKER Auf keinen Fall. Leistungssportler betreiben in gewisser Weise Raubbau an ihrem Körper, ihr Immunsystem ist nicht stärker als das anderer Menschen. Das sieht man allein schon daran, dass immer mal wieder Fälle bekannt werden, in denen Leistungssportler am Pfeifferschen Drüsenfieber erkranken. Generell muss man mit dem Irrglauben aufräumen, dass Corona für junge Menschen ungefährlich sei.
Wenn es irgendwann mit der Saison weitergeht: Ist der Fitnessstand der Profis dann nicht so individuell wie nach einer Sommerpause? BLECKER Absolut. Normalerweise gibt es den Ablauf Saisonende, Regeneration, Laktattest, langsamer Wiederaufbau. Ein dosiertes, strukturiertes und abgestimmtes Steigerungsprinzip. Das fällt jetzt komplett weg. Die Spieler haben auf einen absoluten Höhepunkt zugesteuert, das Saisonende, und auf einmal ging alles runter.
Was werden die Folgen sein? BLECKER Wir müssen mehrere Stufen
überspringen und gleich in den Spielbetrieb rein. Das macht mir ein bisschen Sorgen, weil die Intensität ansatzlos sehr hoch sein wird. Das steigert das Risiko von Verletzungen.
Was ist mit Ihnen persönlich? Sind Sie für die Profis auch Seelendoc? BLECKER Das bleibt nicht aus. Zum Beispiel, als für die DEG-Spieler die Saison abrupt beendet war, die Emotionen hochschlugen und Sorgen aufkamen.
Haben Sie im Job selbst Angst? BLECKER Sagen wir, ein komisches Gefühl. Aber wir müssen die Grundversorgung aufrecht erhalten. Und meine Situation ist gar nichts im Vergleich zu denen, die in den Krankenhäusern bis zum Umfallen direkt mit Corona-Patienten arbeiten.