Paul ist wieder da
Wegen des Corona-Ausbruchs musste der 16-Jährige aus Lörick sein Austauschjahr im US-amerikanischen Kansas vorzeitig beenden.
LÖRICK Paul ist wieder da. Zurück aus seinem amerikanischen Traum und seiner Zukunft. Viel früher als geplant. Im August hatte sich der 16-Jährige aus Lörick nach Moundridge aufgemacht. Bis Mai wollte er als Austauschschüler in dem 1800-Einwohner-Städtchen im US-Bundestaat Kansas bleiben.
Paul hatte sich eingelebt, Freunde gefunden, seine Gastfamilie war ihm längst ans Herz gewachsen und er ihr. Da kamen die ersten Nachrichten aus Europa: Das Coronavirus breitet sich aus. Zu dem Zeitpunkt gab es in den USA erst wenige Fälle. Was tun? Beide Familien, hüben wie drüben, kamen überein: Es ist besser, wenn Paul nach Deutschland kommt.
Es flossen Tränen auf beiden Seiten. Mit viel Wehmut und Abschiedsschmerz brachten Gastfamilie Schmidt – Mutter Jacque, Vater Kevin, Bürgermeister von Moundridge, und Sohn Braden – Paul zum nächstgelegenen Flughafen in Wichita. Über Chicago ging es weiter nach Frankfurt. Vor wenigen Tagen holte die Familie ihn dort von einem ziemlich verwaisten Flughafen ab.
Das ging alles wesentlich unproblematischer als es Familie Theis anfangs befürchtet hatte. Die Agentur Experiment e.V. aus Bonn, über die die Familie den Austausch gebucht hatte, kümmerte sich sofort. „So unaufgeregt wie möglich in einer solchen Lage“, berichtet Annette Theis. Nur wenige Stunden nach dem sie der Organisation den Wunsch nach Pauls sofortiger Rückkehr mitgeteilt hatte, war alles geregelt. Und dennoch sei die Erleichterung groß gewesen, als ein deutlich gewachsener Paul frühmorgens im Frankfurter Flughafen aus dem Gate kam. „Es war ein guter Moment, ihn in den Arm nehmen zu können. Ich fühlte mich gleich 15 Kilo leichter.“Und letztlich ist Paul auch froh, wieder hier zu sein. „Aber ich bin zwiegespalten.“Nein, er wäre gerne geblieben. Trotz allem.
Doch auch in Moundridge ist Vieles nicht mehr wie sonst, auch wenn im Umfeld noch keine Corona-Fälle bekannt waren. Die Highschool würde nach den Spring-Break-Ferien nicht mehr öffnen. Das war schon beschlossen. Abgesagt war damit auch die „Prom Night“, der amerikanische Abschlussball, ein gesellschaftliches Ereignis, auf das alle Monate lang hinfiebern. Auch Paul hatte schon eine Begleiterin gefunden, um die er mit allerlei Aktionen förmlich werben musste.
Bis zum Abbruch hatte Paul eine gute Zeit in Kansas, ging zur Schule, war der Kicker im Football-Team. Er besuchte Partys, zelebrierte mit, den Amerikanern den Superbowl, das Endspiel um die Football-Meisterschaft, mit reichlich Essen und reichlich Getränken. Softdrinks für die meisten. Nur die Väter griffen dann auch mal zum Bier. Aber unter Jugendlichen sei Alkohol so gar kein Thema. Aber Sport sei vielen wichtig. Mehr als hier.
Wenn Paul so erzählt, hört man einen leicht amerikanischen Akzent, er selbst sagt, er spräche mittlerweile auch Slang. In den ersten Tagen wieder in Düsseldorf amüsiert es die Familie, dass er im Gespräch nach manchen Wörtern suchen muss – nach deutschen. Acht Monate habe er nur Englisch gesprochen, sagt Paul, mal abgesehen vom wöchentlichen Skypen mit Lörick. Und etwa nach sechs Wochen habe er auch begonnen, Englisch zu denken und nicht mehr zu übersetzen. Jetzt gewöhnt sich Paul langsam an die neue deutsche Normalität: Zu Hause bleiben mit seinen Eltern und dem jüngeren Bruder Victor, keine Freunde treffen.
Mit Gastmutter Jacque hat er schon öfter telefoniert. Und er trägt häufig noch seine Highschool-Klamotten, das fast schon obligatorische Käppi und den Hoodie mit dem Schriftzug „Wildcats“, der Name seiner Schulmannschaft. Denn für Paul ist völlig klar: Eines Tages wird er zurückkehren nach Moundridge in Kansas.