Ethikrat verlangt Ausstiegsdebatte
Das Gremium wirbt angesichts der Corona-Einschränkungen für eine Öffnungsperspektive.
BERLIN Der Deutsche Ethikrat hat an die Politik appelliert, die Debatte über eine Lockerung der Freiheitseinschränkungen in der Corona-Krise jetzt zu beginnen. Es sei „nie zu früh für eine öffentliche Diskussion über Öffnungsperspektiven“, sagte der Vorsitzende des Beratungsgremiums, Peter Dabrock. Andernfalls drohe die Zustimmung in der Bevölkerung für die ergriffenen Maßnahmen verloren zu gehen. Nach seiner Empfehlung geht es nicht primär darum, Zeitpunkte zu nennen, sondern Notwendigkeiten zu definieren.
Der Ratsvorsitzende warnte insbesondere vor einem „Tunnelblick“auf die Gefahren des Coronavirus.
Es gebe unter anderem „erhebliche psychische Kollateralschäden“, wie Dabrock mit Blick auf die Folgen der erzwungenen Vereinsamung betonte. Darüber müsse ebenfalls öffentlich diskutiert werden. Dazu gehöre auch der Hinweis auf die vielen Operationen, Vorsorgeuntersuchungen und Therapien, die wegen Corona derzeit ausgesetzt seien. Die Not sei groß, auch außerhalb der von Corona Betroffenen oder Bedrohten.
Der Ethikrat setzte sich zugleich mit möglichen Engpässen bei der Behandlung Schwerstkranker auseinander. „Triage-Situationen“, in denen etwa angesichts fehlender Beatmungsgeräte darüber entschieden werde müsse, wer behandelt wird und wer nicht, seien unbedingt zu vermeiden. Dem Staat sei es verboten, die Menschen zu bewerten. „Jeder Mensch ist gleich viel wert“, sagte der Rechtsexperte des Ethikrates, Steffen Augsburg. Deswegen müssten nach dem Sondergutachten des Rates „unfaire Einflüsse“ferngehalten werden. Dazu zählen die Wissenschaftler unter anderem sozialen Status, Herkunft, Alter und Behinderung.
Positiv bewertete Augsburg die Entwicklung einer speziellen App, mit deren Hilfe mögliche Kontaktpersonen Infizierter identifiziert und zur Quarantäne aufgefordert werden könnten. Innovationsoffenheit im Kampf gegen Corona sei wichtig. Es gehe darum, „alles zu nutzen, was uns helfen kann“. Dabei müsse die Freiwilligkeit jedoch im Vordergrund stehen.