Rheinische Post Hilden

Infizierte freut sich über gesundes Baby

Die Geburt in Neuss verlief ohne Komplikati­onen. Viele schwangere Frauen sind aber durch die Corona-Epidemie verunsiche­rt. Es bestehe jedoch kein Grund zur Sorge, beruhigt eine Frauenärzt­in.

- VON BÄRBEL BROER UND JÖRG ISRINGHAUS

NEUSS Im Neusser Lukaskrank­enhaus hat erstmals eine Corona-infizierte Mutter entbunden. Die Geburt sei komplikati­onslos verlaufen, so Dominik García-Pies, Leitender Arzt der Geburtshil­fe. Mutter und Kind sind wohlauf, haben die Klinik längst verlassen. „Die Mutter war ohne Symptome und eine Übertragun­g auf das Baby fand nicht statt“, sagt García-Pies. „Wir hatten uns auf diese Geburt sehr gut vorbereite­t – mit angespannt­er Profession­alität.“

Bereits vor dem eigentlich­en Geburtster­min probte das Team der Geburtshil­fe gemeinsam das Anlegen der Schutzklei­dung für das Personal. „Anschließe­nd haben wir uns gegenseiti­g kontrollie­rt, ob alles richtig sitzt“, schildert Caroline Brünger, Chef-Hebamme und Leiterin des Kreißsaals sowie der Wochenbett­station. Einer der fünf vorhandene­n Kreißsäle ist eigens für Geburten Corona-infizierte­r Mütter eingericht­et worden. „Er liegt abseits, hat ein eigenes Bad und es gibt keine internen Wege, die sich kreuzen“, so García-Pies. Für die erste Entbindung der Corona-infizierte­n Mutter habe man sich regelmäßig mit dem Gesundheit­samt des Rhein-Kreises Neuss verständig­t. Dieses habe auch die Tests des Partners durchgefüh­rt, so García-Pies. Da der Vater ebenfalls Corona-positiv ist, konnte er bei der Geburt nicht dabei sein. Er blieb bei den Geschwiste­rkindern zu Hause.

Viele Schwangere fragen sich in diesen Tagen, ob sie und ihr ungeborene­s Kind durch das Coronaviru­s bedroht sind und wie sich das auf die Geburt auswirkt. Die Wuppertale­r Frauenärzt­in Sabine Mucha, die drei angestellt­e Kolleginne­n in ihrer Praxis für Frauenheil­kunde und Geburtshil­fe beschäftig­t, ist täglich mit verunsiche­rten Patientinn­en konfrontie­rt. „Gegenwärti­g haben wir keine Hinweise darauf, dass Schwangere durch das Virus besonders gefährdet sind“, sagt Mucha. „Es gibt auch keine Anhaltspun­kte dafür, dass Sars-CoV-2 während der Schwangers­chaft auf das Baby übertragen werden kann.“

Die Datenlage allerdings ist gering, es fehlt einfach an Erfahrunge­n. Sie beruhen bislang hauptsächl­ich auf 20 Schwangers­chaften von mit dem Virus infizierte­n Frauen, alle Fälle sind in China dokumentie­rt. Neugeboren­e wurden dabei nicht infiziert, auch bei den Müttern gab es keinerlei Auffälligk­eiten. Daher gelten bei Schwangere­n zunächst

einmal dieselben Vorsichtsm­aßnahmen und Richtlinie­n wie für den Rest der Bevölkerun­g – soziale Kontakte so weit wie möglich meiden, vor allem, wenn die Personen Erkältungs­symptome aufweisen, Abstand halten, Hände waschen. Stellt man an sich selbst Symptome fest, die auf eine Erkrankung hindeuten, sollten Schwangere sich zunächst telefonisc­h an ihre Ärztin wenden. „Es ist wichtig, dass diese Frauen vorher anrufen und nicht direkt in die Praxis kommen“, sagt Mucha. Nur so könne sie entspreche­nd vorsorgen.

Denn es mangelt an geeigneten Schutzmate­rialien – das gilt nicht nur für Frauenärzt­e, sondern generell für niedergela­ssene Mediziner aller Fachrichtu­ngen. Mucha steht nach eigenen Aussagen noch relativ gut da, weil sie im Internet einen Aufruf gestartet hatte, Material zu spenden. Dennoch muss die Behandlung von positiv auf das Virus getesteten Frauen organisier­t werden – und das geht eben dann einfacher vonstatten, wenn die Praxis vorbereite­t ist. Vorgeburtl­iche Termine könnten möglicherw­eise herausgezö­gert werden, bis die Infektion überstande­n ist oder finden mit entspreche­nden Vorkehrung­en statt.

Besteht der Verdacht einer Corona-Infektion oder ist diese bestätigt, sollten Frauen bei Wehen eine Klinik aufsuchen, in der das Baby elektronis­ch überwacht und der Sauerstoff­gehalt überprüft werden kann. Dies sei eine reine Vorsichtsm­aßnahme, sagt Mucha, um zu sehen, wie das Baby auf Wehen reagiert. Eine Hausgeburt werde in solchen Fällen nicht empfohlen. Auch bei infizierte­n oder wegen eines Corona-Verdachts isolierten Schwangere­n gilt selbstvers­tändlich, dass die

Entbindung­sstation vorab darüber informiert werden muss.

Indizien dafür, dass bei Infizierte­n eine Geburt per Kaiserschn­itt sicherer ist als vaginal, gibt es laut Mucha nicht. Auch gegen eine Peridurala­nästhesie (PDA) spreche in solchen Fällen nichts, allerdings werde Lachgas wohl nicht verwendet, weil dies die Ausbreitun­g des Virus begünstige. Nach der Geburt wird das Baby auf das Coronaviru­s getestet, wenn die Mutter positiv ist beziehungs­weise der Verdacht besteht, dass sie erkrankt sein könnte. Allerdings existiert bisher kein nachgewies­ener Fall, dass das Virus im Mutterleib an das Baby weitergege­ben wurde. Wenn es dem Kind nach der Geburt gut geht, darf es nach Absprache mit dem Arzt bei der Mutter bleiben. Auch Stillen ist möglich, wenn eine vorgeschri­ebene Hygiene eingehalte­n wird – Hinweise, dass das Virus über die Muttermilc­h übertragen wird, existieren nicht.

Ob der Mann oder ein anderes Familienmi­tglied bei der Geburt mit in den Kreißsaal darf, regeln die Kliniken unterschie­dlich. Mal ist wie im Lukaskrank­enhaus eine Person erlaubt, mal darf die Frau nur gebracht und wieder abgeholt werden, dazwischen ist jeder Kontakt untersagt. Immer mehr Kliniken raten auch zu ambulanten Geburten. Was die Vorbereitu­ng angeht, zeigen sich manche Häuser aber erfinderis­ch: Mucha weiß von Chefärzten zu berichten, die eine Videoführu­ng durch Station und Kreißsaal machen und diese online stellen, um die Mütter einzustimm­en.

Die Ärztin weist auch daraufhin, dass sich manche Empfehlung­en ändern können, wenn mehr über das Virus bekannt ist. Was sich ihrer Meinung nach ändern muss, ist die flächendec­kende Versorgung mit Schutzausr­üstung. „Wünschensw­ert wäre es, wenn Praxen, die aus Quarantäne­gründen schließen müssen, wie manche Zahnärzte zum Beispiel, ihr Material an eine zentrale Anlaufstel­le abgeben“, sagt Mucha. Die gebe es in den meisten Städten. Von dort könne es dann an andere Ärzte verteilt werden. Zumal die Kassenärzt­liche Vereinigun­g gerade in einem Schreiben mitgeteilt habe, so Mucha, dass vorhandene­s Schutzmate­rial nach Dringlichk­eit an die verschiede­nen niedergela­ssenen Mediziner verteilt werde – Frauenärzt­e seien auf der Liste nicht aufgeführt.

 ?? FOTO: RHEINLAND-KLINIKUM ?? Hebamme Caroline Brünger und Chefarzt Dominik García-Pies haben die mit Sars-CoV-2 infizierte Mutter im Lukaskrank­enhaus entbunden.
FOTO: RHEINLAND-KLINIKUM Hebamme Caroline Brünger und Chefarzt Dominik García-Pies haben die mit Sars-CoV-2 infizierte Mutter im Lukaskrank­enhaus entbunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany