Infizierte freut sich über gesundes Baby
Die Geburt in Neuss verlief ohne Komplikationen. Viele schwangere Frauen sind aber durch die Corona-Epidemie verunsichert. Es bestehe jedoch kein Grund zur Sorge, beruhigt eine Frauenärztin.
NEUSS Im Neusser Lukaskrankenhaus hat erstmals eine Corona-infizierte Mutter entbunden. Die Geburt sei komplikationslos verlaufen, so Dominik García-Pies, Leitender Arzt der Geburtshilfe. Mutter und Kind sind wohlauf, haben die Klinik längst verlassen. „Die Mutter war ohne Symptome und eine Übertragung auf das Baby fand nicht statt“, sagt García-Pies. „Wir hatten uns auf diese Geburt sehr gut vorbereitet – mit angespannter Professionalität.“
Bereits vor dem eigentlichen Geburtstermin probte das Team der Geburtshilfe gemeinsam das Anlegen der Schutzkleidung für das Personal. „Anschließend haben wir uns gegenseitig kontrolliert, ob alles richtig sitzt“, schildert Caroline Brünger, Chef-Hebamme und Leiterin des Kreißsaals sowie der Wochenbettstation. Einer der fünf vorhandenen Kreißsäle ist eigens für Geburten Corona-infizierter Mütter eingerichtet worden. „Er liegt abseits, hat ein eigenes Bad und es gibt keine internen Wege, die sich kreuzen“, so García-Pies. Für die erste Entbindung der Corona-infizierten Mutter habe man sich regelmäßig mit dem Gesundheitsamt des Rhein-Kreises Neuss verständigt. Dieses habe auch die Tests des Partners durchgeführt, so García-Pies. Da der Vater ebenfalls Corona-positiv ist, konnte er bei der Geburt nicht dabei sein. Er blieb bei den Geschwisterkindern zu Hause.
Viele Schwangere fragen sich in diesen Tagen, ob sie und ihr ungeborenes Kind durch das Coronavirus bedroht sind und wie sich das auf die Geburt auswirkt. Die Wuppertaler Frauenärztin Sabine Mucha, die drei angestellte Kolleginnen in ihrer Praxis für Frauenheilkunde und Geburtshilfe beschäftigt, ist täglich mit verunsicherten Patientinnen konfrontiert. „Gegenwärtig haben wir keine Hinweise darauf, dass Schwangere durch das Virus besonders gefährdet sind“, sagt Mucha. „Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Sars-CoV-2 während der Schwangerschaft auf das Baby übertragen werden kann.“
Die Datenlage allerdings ist gering, es fehlt einfach an Erfahrungen. Sie beruhen bislang hauptsächlich auf 20 Schwangerschaften von mit dem Virus infizierten Frauen, alle Fälle sind in China dokumentiert. Neugeborene wurden dabei nicht infiziert, auch bei den Müttern gab es keinerlei Auffälligkeiten. Daher gelten bei Schwangeren zunächst
einmal dieselben Vorsichtsmaßnahmen und Richtlinien wie für den Rest der Bevölkerung – soziale Kontakte so weit wie möglich meiden, vor allem, wenn die Personen Erkältungssymptome aufweisen, Abstand halten, Hände waschen. Stellt man an sich selbst Symptome fest, die auf eine Erkrankung hindeuten, sollten Schwangere sich zunächst telefonisch an ihre Ärztin wenden. „Es ist wichtig, dass diese Frauen vorher anrufen und nicht direkt in die Praxis kommen“, sagt Mucha. Nur so könne sie entsprechend vorsorgen.
Denn es mangelt an geeigneten Schutzmaterialien – das gilt nicht nur für Frauenärzte, sondern generell für niedergelassene Mediziner aller Fachrichtungen. Mucha steht nach eigenen Aussagen noch relativ gut da, weil sie im Internet einen Aufruf gestartet hatte, Material zu spenden. Dennoch muss die Behandlung von positiv auf das Virus getesteten Frauen organisiert werden – und das geht eben dann einfacher vonstatten, wenn die Praxis vorbereitet ist. Vorgeburtliche Termine könnten möglicherweise herausgezögert werden, bis die Infektion überstanden ist oder finden mit entsprechenden Vorkehrungen statt.
Besteht der Verdacht einer Corona-Infektion oder ist diese bestätigt, sollten Frauen bei Wehen eine Klinik aufsuchen, in der das Baby elektronisch überwacht und der Sauerstoffgehalt überprüft werden kann. Dies sei eine reine Vorsichtsmaßnahme, sagt Mucha, um zu sehen, wie das Baby auf Wehen reagiert. Eine Hausgeburt werde in solchen Fällen nicht empfohlen. Auch bei infizierten oder wegen eines Corona-Verdachts isolierten Schwangeren gilt selbstverständlich, dass die
Entbindungsstation vorab darüber informiert werden muss.
Indizien dafür, dass bei Infizierten eine Geburt per Kaiserschnitt sicherer ist als vaginal, gibt es laut Mucha nicht. Auch gegen eine Periduralanästhesie (PDA) spreche in solchen Fällen nichts, allerdings werde Lachgas wohl nicht verwendet, weil dies die Ausbreitung des Virus begünstige. Nach der Geburt wird das Baby auf das Coronavirus getestet, wenn die Mutter positiv ist beziehungsweise der Verdacht besteht, dass sie erkrankt sein könnte. Allerdings existiert bisher kein nachgewiesener Fall, dass das Virus im Mutterleib an das Baby weitergegeben wurde. Wenn es dem Kind nach der Geburt gut geht, darf es nach Absprache mit dem Arzt bei der Mutter bleiben. Auch Stillen ist möglich, wenn eine vorgeschriebene Hygiene eingehalten wird – Hinweise, dass das Virus über die Muttermilch übertragen wird, existieren nicht.
Ob der Mann oder ein anderes Familienmitglied bei der Geburt mit in den Kreißsaal darf, regeln die Kliniken unterschiedlich. Mal ist wie im Lukaskrankenhaus eine Person erlaubt, mal darf die Frau nur gebracht und wieder abgeholt werden, dazwischen ist jeder Kontakt untersagt. Immer mehr Kliniken raten auch zu ambulanten Geburten. Was die Vorbereitung angeht, zeigen sich manche Häuser aber erfinderisch: Mucha weiß von Chefärzten zu berichten, die eine Videoführung durch Station und Kreißsaal machen und diese online stellen, um die Mütter einzustimmen.
Die Ärztin weist auch daraufhin, dass sich manche Empfehlungen ändern können, wenn mehr über das Virus bekannt ist. Was sich ihrer Meinung nach ändern muss, ist die flächendeckende Versorgung mit Schutzausrüstung. „Wünschenswert wäre es, wenn Praxen, die aus Quarantänegründen schließen müssen, wie manche Zahnärzte zum Beispiel, ihr Material an eine zentrale Anlaufstelle abgeben“, sagt Mucha. Die gebe es in den meisten Städten. Von dort könne es dann an andere Ärzte verteilt werden. Zumal die Kassenärztliche Vereinigung gerade in einem Schreiben mitgeteilt habe, so Mucha, dass vorhandenes Schutzmaterial nach Dringlichkeit an die verschiedenen niedergelassenen Mediziner verteilt werde – Frauenärzte seien auf der Liste nicht aufgeführt.