Labore: Mehr Tests wären möglich
Die Kapazitäten werden bisher nicht ausgereizt. Profitieren könnte das Pflegepersonal.
DÜSSELDORF Viele Experten sind sich einig: Deutschland steht in der Corona-Krise im internationalen Vergleich deshalb so gut da, weil man hierzulande früh damit begonnen hat, in großem Stil Verdachtspersonen auf das neue Coronavirus zu testen. Seit Beginn der Epidemie hat Deutschland rund 1,3 Millionen Tests auf Sars-CoV-2 durchgeführt. Das geht aus Zahlen der akkreditierten Labore der Medizin (ALM) hervor. Die ALM greifen auf Daten von bundesweit 100 Laboren zurück, die mittlerweile knapp 90 Prozent der Corona-Tests abwickeln. Mehr getestet wird nur in den USA. Dort sind es bisher 1,8 Millionen Tests.
In der zurückliegenden Kalenderwoche gab es in Deutschland 332.414 PCR-Tests auf das Coronavirus, teilten die ALM mit. PCR steht für Polymerase-Ketten-Reaktion. Nordrhein-Westfalen führte in diesem Zeitraum rund 80.000 Tests durch. Insgesamt wird pro 1000 Tests in 76 Fällen der Erreger nachgewiesen. Nach Angaben der ALM sind pro Tag rund 100.000 Tests möglich. Die Kapazitäten werden bisher also nicht ausgereizt. Michael Müller, Vorsitzender der ALM, sagte, dass die „positive Lücke“genutzt werden könnte, um etwa Pflegepersonal oder Bewohner von Seniorenheimen regelmäßig zu testen. Die Kapazitäten hingen allerdings von der Verfügbarkeit von Schutzmaterialien und Reagenzien ab, betonte er.
Evangelos Kotsopoulos, Chef des größten Laborverbunds Sonic Healthcare, sagte, dass die bisherige Empfehlung des Robert-Koch-Instituts, nur nach hinreichendem Verdacht zu testen, weiterhin die richtige sei. „Millionen Tests täglich sind einfach nicht möglich“, sagte Kotsopoulos. Deshalb bedürfe es weiterhin klarer Testkriterien, um unnötige Untersuchungen zu vermeiden.
Während die Zahl der PCRTests auf das Coronavirus weiter zunimmt, geht die Zahl der herkömmlichen Laboruntersuchungen zurück. Praxen müssen vorübergehend schließen, oder Patienten gehen aus Angst vor Ansteckung nicht mehr zum Arzt. So wurden im März bis zu 50 Prozent weniger Laboruntersuchungen angefordert. Diese Veränderungen beträfen sowohl Patienten mit akuten und chronischen Erkrankungen als auch Präventionsleistungen wie das Screening auf Darmkrebs oder HPV (Humane Papillomviren), sagte Kotsopoulos: „Wir sehen, dass in der Pandemie-Zeit medizinisch wichtige Untersuchungen nicht oder später veranlasst werden.“
Fachärztliche Labore hätten jedoch trotz geringerer Auslastung gleichbleibende Fixkosten. „Und das kann wegen der besonderen Erfordernisse auch nicht durch Mehrarbeit durch die Covid-19-Pandemie ausgeglichen werden.“Die ALM-Mitglieder appellieren deshalb an das Gesundheitsministerium: „Labore benötigen wie die Krankenhäuser eine klare Regelung zur wirtschaftlichen Absicherung.“