Rettungspaket der EU nach hartem Streit
Die Finanzminister der EU-Länder einigen sich auf ein Sicherheitsnetz für Arbeitnehmer, Unternehmen und Staaten. Der Kompromiss findet partei- und länderübergreifend großes Lob.
BRÜSSEL Das 540 Milliarden Euro schwere Rettungspaket, auf das sich die Finanzminister der 27 EU-Staaten in der Nacht zu Freitag geeinigt haben, stößt europaweit und parteiübergreifend auf große Zustimmung. Nach langem Ringen hatten die Finanzminister beschlossen, dass innerhalb von wenigen Wochen jeweils ein Sicherheitsnetz aufgespannt werden soll für Arbeitnehmer, Unternehmen sowie für EU-Mitgliedstaaten.
Was wurde beschlossen?
Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll zinsgünstige Kredite im Volumen von 200 Milliarden Euro für Kleinunternehmen und Mittelständler anbieten. Zudem soll die EU-Kommission 100 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, damit Mitgliedstaaten Kurzarbeitergeld-Regelungen nach dem deutschen Muster anbieten können. Darüber hinaus sollen über den Euro-Rettungsschirm ESM Kreditlinien im Wert von 240 Milliarden Euro für EU-Staaten mit Finanzproblemen bereitgestellt werden. Jedes Mitgliedsland kann so sehr günstige Kredite bekommen, um die beschlossenen Rettungspakte für die eigene Wirtschaft zu finanzieren.
Was genau soll der Euro-Rettungsfond ESM leisten?
Der ESM, der nach der Staatsschuldenkrise 2009 von den Regierungen eingerichtet wurde, ist gedacht für Mitgliedstaaten, die Finanzprobleme haben. Ihnen soll so erspart werden, dass sie hohe Risikoaufschläge bei der Aufnahme von Schulden an den Finanzmärkten zahlen müssen.
Worum ging der erbitterte Streit?
Das Programm zur Kurzarbeit sowie die Überbrückungskredite der EIB waren unumstritten. Eine Debatte gab es beim ESM. Der vergibt Kredite üblicherweise nur unter strengen Auflagen. So mussten sich Griechenland und die anderen überschuldeten Länder zu Strukturreformen am Arbeitsmarkt und in der Rentenversicherung verpflichten. Kontrolleure kamen regelmäßig ins Land, um die Erfüllung der Auflagen zu überprüfen. Italien bestand jetzt darauf, dass es keinerlei Auflagen für die Kredite geben soll. Die Niederlande legten dagegen zunächst ihr Veto ein. Sie forderten, dass die Länder zu wirtschaftlichen Reformen verpflichtet werden.
Wie wurde der Streit gelöst?
Die Niederlande gaben nach. Sie sind nun einverstanden, dass Staaten Hilfskredite gewährt werden, ohne dass sie dafür nennenswerte Vorbedingungen erfüllen müssen. Sie müssen sich einzig verpflichten, das Geld der Europäischen Union zur Bekämpfung von Corona zu benutzen.
Was ist mit Corona-Anleihen?
Schon nach den ersten Verhandlungen war klar, dass es gemeinsame Schulden der EU-Mitgliedstaaten nicht geben würde. Zwar hatten es neun Mitgliedstaaten wie etwa Italien, Spanien, Frankreich, Portugal und Belgien gefordert. Doch vier Länder – Deutschland, Niederlande, Finnland und Österreich – lehnen eine gesamtschuldnerische Haftung ab. Eine gemeinsame Haftung würde bedeuten, dass der deutsche Steuerzahler dafür aufkommen würde, wenn ein anderes Land Pleite geht.
Haben die Anhänger von Euro-Bonds aufgegeben?
Sie wurden vertröstet. Die Finanzminister haben sich verständigt, einen Fonds aufzulegen, der nach der akuten Gesundheitskrise solidarisch den Wiederaufbau der darniederliegenden EU-Volkswirtschaft finanzieren soll. Wie dieser Fonds finanziert wird, ist noch nicht entschieden. Die Befürworter von Euro-Bonds setzen darauf, dass es zur gemeinsamen Aufnahme von Schulden kommt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Bundesregierung Euro-Bonds dann zustimmt. Sie sagt, dass gemeinsame Schulden nur dann möglich seien, wenn auch die Wirtschafts- und Haushaltspolitik gemeinsam betrieben wird.
Reicht das Geld aus?
Das kann derzeit niemand sagen. Die Kommission geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in der EU 2020 um zehn Prozent einbricht. Die Europäische Zentralbank (EZB) befürchtet, dass Hilfen von anderthalb Billionen Euro nötig sind. Allein die Bundesregierung hat Maßnahmen beschlossen, die den Haushalt 350 Milliarden Euro kosten.