Die Angst der Asian Americans
In den USA lebt in der Corona-Krise das rassistische Klischee von der „gelben Gefahr“wieder auf. Betroffene berichten, welche Anfeindungen sie erlebt haben.
LOS ANGELES Es ist eine Geschichte aus einem kalifornischen Supermarkt, erzählt von einer Amerikanerin asiatischer Abstammung, die ihren Namen lieber für sich behält. Sie habe andere Kunden gebeten, sich in der Warteschlange an der Kasse doch an die Abstandsregeln zu halten, schreibt die Frau. Kaum habe sie es gesagt, sei sie angepöbelt worden: „Ihr Chinesen bringt uns das Virus, und dann traut ihr euch noch, den Leuten zu sagen, dass sie Abstand halten sollen!“
Andere berichten von deprimierenden Erfahrungen mit Fahrdiensten wie Uber oder Lyft. In einem Fall lehnten es zwei Uber-Chauffeure in Folge ab, einen Mann mit ostasiatischen Gesichtszügen einsteigen zu lassen. Oder die Feindseligkeit an einer Bushaltestelle. „Jemand schrie, ich solle gefälligst eine Schutzmaske tragen, weil ich aus Asien käme. Als ich dann im Bus saß, starrte mich eine Frau die ganze Zeit an, während sie einen Rosenkranz in den Händen hielt.“Dann wäre da noch der
Passant, der aus einem vorbeifahrenden Auto mit einer Flasche beworfen wurde. Da wären die zwei Freunde, deren Wege sich in der kalifornischen Stadt Visalia mit denen von vier Männern mit heller Haut kreuzten. „Als wir an ihnen vorbeiliefen, hustete uns einer an, nicht nur einmal, sondern gleich zweimal. Als ich mich umdrehte, brachen alle vier in schallendes Gelächter aus.“
Was Amerikanern asiatischer Herkunft in der Corona-Krise widerfährt, vertrauen manche einem Netzwerk von Bürgerrechtlern an, der Asian American Pacific Islander Civil Rights Organization. Die hat ein Internet-Portal eingerichtet, auf dem Betroffene ihre Erlebnisse schildern können. Seitdem, sagt Manjusha Kulkarni, die in Los Angeles ansässige Initiatorin, hätten sich mehr als 1100 Menschen zu Wort gemeldet. Natürlich wisse man, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handle, da Tausende ihren Frust still in sich hineinfräßen.
Dann erzählt Kulkarni von einem Fall aus Los Angeles, aus einer Zeit, in der sich das Virus bereits ausbreitete, die Schulen aber noch nicht geschlossen waren. Ein Zwölfjähriger wird von einem Schulhoftyrannen beschimpft. Er trage die Krankheit in sich, er möge nach China verschwinden, dorthin, wo er hergekommen sei. Als der Junge erwidert, dass er gar nicht aus China komme, prasseln Faustschläge auf ihn ein.
Sorgen mache ihr, so Kulkarni, das Tempo, mit dem Klischees aufgewärmt würden. Die „gelbe Gefahr“, die man im 19. Jahrhundert beschwor, ein 1882 verhängter und bis 1943 geltender Einwanderungsstopp für Chinesen, im Zweiten Weltkrieg die Internierung von Bürgern mit japanischen Wurzeln:
„Die Geschichte der Stereotype ist lang“, fasst es die Anwältin zusammen. „Unter der Oberfläche waren die Vorurteile immer vorhanden. Jetzt bricht alles wieder auf.“
Andrew Yang, ein Hightech-Unternehmer, dessen Eltern aus Taiwan in die USA kamen, hat bis Februar fürs Oval Office kandidiert.
Auch Yang schilderte neulich, in einem Gastbeitrag für die „Washington Post“, welche Erfahrungen er derzeit im Alltag macht. Am Eingang eines Supermarkts unterhielten sich drei Männer in Kapuzenpullovern, und als er sich näherte, musterte ihn einer mit finsteren Blicken. „In seinen Augen lag etwas Anklagendes“, schreibt Yang. „Und dann habe ich es gespürt. Ich habe mich wieder ganz bewusst, sogar ein wenig beschämt, als Asiate gefühlt.“
Manjusha Kulkarni, in Indien geboren, fühlt sich bei alledem an die Zeit nach dem 11. September 2001 erinnert, als nach den Terroranschlägen amerikanische Muslime zu Zielscheiben wurden. „Die Suche nach Sündenböcken, es ist immer das Gleiche“, sagt sie. Nur habe der Präsident George W. Bush damals ausdrücklich zur Toleranz gegenüber Muslimen gemahnt, während der Präsident Donald Trump die Ressentiments diesmal noch schüre. Lange sprach er vom „China-Virus“, bis er sich in der vierten Märzwoche endlich entschloss, auf den Begriff zu verzichten.