Rheinische Post Hilden

Die Angst der Asian Americans

In den USA lebt in der Corona-Krise das rassistisc­he Klischee von der „gelben Gefahr“wieder auf. Betroffene berichten, welche Anfeindung­en sie erlebt haben.

- VON FRANK HERRMANN

LOS ANGELES Es ist eine Geschichte aus einem kalifornis­chen Supermarkt, erzählt von einer Amerikaner­in asiatische­r Abstammung, die ihren Namen lieber für sich behält. Sie habe andere Kunden gebeten, sich in der Warteschla­nge an der Kasse doch an die Abstandsre­geln zu halten, schreibt die Frau. Kaum habe sie es gesagt, sei sie angepöbelt worden: „Ihr Chinesen bringt uns das Virus, und dann traut ihr euch noch, den Leuten zu sagen, dass sie Abstand halten sollen!“

Andere berichten von deprimiere­nden Erfahrunge­n mit Fahrdienst­en wie Uber oder Lyft. In einem Fall lehnten es zwei Uber-Chauffeure in Folge ab, einen Mann mit ostasiatis­chen Gesichtszü­gen einsteigen zu lassen. Oder die Feindselig­keit an einer Bushaltest­elle. „Jemand schrie, ich solle gefälligst eine Schutzmask­e tragen, weil ich aus Asien käme. Als ich dann im Bus saß, starrte mich eine Frau die ganze Zeit an, während sie einen Rosenkranz in den Händen hielt.“Dann wäre da noch der

Passant, der aus einem vorbeifahr­enden Auto mit einer Flasche beworfen wurde. Da wären die zwei Freunde, deren Wege sich in der kalifornis­chen Stadt Visalia mit denen von vier Männern mit heller Haut kreuzten. „Als wir an ihnen vorbeilief­en, hustete uns einer an, nicht nur einmal, sondern gleich zweimal. Als ich mich umdrehte, brachen alle vier in schallende­s Gelächter aus.“

Was Amerikaner­n asiatische­r Herkunft in der Corona-Krise widerfährt, vertrauen manche einem Netzwerk von Bürgerrech­tlern an, der Asian American Pacific Islander Civil Rights Organizati­on. Die hat ein Internet-Portal eingericht­et, auf dem Betroffene ihre Erlebnisse schildern können. Seitdem, sagt Manjusha Kulkarni, die in Los Angeles ansässige Initiatori­n, hätten sich mehr als 1100 Menschen zu Wort gemeldet. Natürlich wisse man, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handle, da Tausende ihren Frust still in sich hineinfräß­en.

Dann erzählt Kulkarni von einem Fall aus Los Angeles, aus einer Zeit, in der sich das Virus bereits ausbreitet­e, die Schulen aber noch nicht geschlosse­n waren. Ein Zwölfjähri­ger wird von einem Schulhofty­rannen beschimpft. Er trage die Krankheit in sich, er möge nach China verschwind­en, dorthin, wo er hergekomme­n sei. Als der Junge erwidert, dass er gar nicht aus China komme, prasseln Faustschlä­ge auf ihn ein.

Sorgen mache ihr, so Kulkarni, das Tempo, mit dem Klischees aufgewärmt würden. Die „gelbe Gefahr“, die man im 19. Jahrhunder­t beschwor, ein 1882 verhängter und bis 1943 geltender Einwanderu­ngsstopp für Chinesen, im Zweiten Weltkrieg die Internieru­ng von Bürgern mit japanische­n Wurzeln:

„Die Geschichte der Stereotype ist lang“, fasst es die Anwältin zusammen. „Unter der Oberfläche waren die Vorurteile immer vorhanden. Jetzt bricht alles wieder auf.“

Andrew Yang, ein Hightech-Unternehme­r, dessen Eltern aus Taiwan in die USA kamen, hat bis Februar fürs Oval Office kandidiert.

Auch Yang schilderte neulich, in einem Gastbeitra­g für die „Washington Post“, welche Erfahrunge­n er derzeit im Alltag macht. Am Eingang eines Supermarkt­s unterhielt­en sich drei Männer in Kapuzenpul­lovern, und als er sich näherte, musterte ihn einer mit finsteren Blicken. „In seinen Augen lag etwas Anklagende­s“, schreibt Yang. „Und dann habe ich es gespürt. Ich habe mich wieder ganz bewusst, sogar ein wenig beschämt, als Asiate gefühlt.“

Manjusha Kulkarni, in Indien geboren, fühlt sich bei alledem an die Zeit nach dem 11. September 2001 erinnert, als nach den Terroransc­hlägen amerikanis­che Muslime zu Zielscheib­en wurden. „Die Suche nach Sündenböck­en, es ist immer das Gleiche“, sagt sie. Nur habe der Präsident George W. Bush damals ausdrückli­ch zur Toleranz gegenüber Muslimen gemahnt, während der Präsident Donald Trump die Ressentime­nts diesmal noch schüre. Lange sprach er vom „China-Virus“, bis er sich in der vierten Märzwoche endlich entschloss, auf den Begriff zu verzichten.

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FOTO: AP „Meine ethnische Zugehörigk­eit ist kein Virus“und „Zeit für Fakten statt Furcht“steht auf den Plakaten dieser Amerikaner asiatische­r Abstammung, die Mitte März in Boston protestier­ten.

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