Rheinische Post Hilden

„Puschel ist weg“

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„Puschel ist weg!“Mein Neffe weint mir am Telefon ins Ohr. Ausgerechn­et jetzt ist sein Kaninchen vom Fuchs gerrissen worden. Er weint schon seit gestern, sagt meine Schwester, sie weiß nicht, wie sie ihn beruhigen kann. Das sei nicht mehr normal. Nein, ist es nicht. Aber hier ist es dasselbe.

Mein kleiner Sohn, er trägt bei uns den liebevolle­n Kosenamen „Nordeuropä­ischer Brüllbär“, weil er, bis jetzt, vor guter Laune und Energie kaum zu stoppen war, weint bei jeder Gelegenhei­t. Als sein Salzteigwe­rk zerbricht, (aus Versehen) weil es am Basteltisc­h fest klebt, weil er die Bundesliga­ergebnisse nicht in seine Tabelle eintragen kann, weil gar keine Bundesliga ist, weil der Sportplatz abgesperrt wurde, weil er seine Freunde nur per Skype sehen darf. „Wenn man gar nichts darf, hat man auch zu nichts mehr Lust“hat er gesagt. Er sitzt jetzt am Fenster und schaut den Vögeln zu.

Ich fürchte, ich bin eine schlechte Kindergärt­nerin. Mein Sohn merkt, dass es uns Erwachsene­n alles andere als gut geht zur Zeit. Dass wir ernste Sorgen haben.

Und sie merken, dass „Corona“, das Virus, über das sie vor kurzem noch Aufklärung­sfilmchen gucken durften, ihr

Leben in den Würgegriff genommen hat. „Ostern“, sage ich zu meinem Neffen am Telefon, „hörst du mich?“„Er nickt mit dem Kopf“, ruft meine Schwester im Hintergrun­d, weil ich nur wimmerndes Schluchzen höre, „Ostern ist das Fest der Hoffnung und der Wiedergebu­rt.“„Mir doch egal!“„Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben!“, brülle ich. „Du musst nicht schreien, wir hören dich gut, das Geheule ist nur für deine Ohren laut“, brüllt meine Schwester, die auch nicht schreien muss. „Also, jetzt hör mal zu: Ostern feiern wir die Auferstehu­ng und das Leben. Den Glauben daran. Und das ist vielleicht das Beste, was wir jetzt tun können. So richtig fest dran glauben, ja?“„Aber wie?“Kinder sind leider wahnsinnig schlau. „Hm. Wir feiern das tollste Ostern, das wir je gefeiert haben, ok?“

Wir schmücken, als wär‘ Weihnachte­n, wir verpacken Geschenke, als ob Geburtstag wäre und wir essen alles, was uns schmeckt.“„Und was hat das mit Auferstehu­ng zu tun?“„Tja, auf die können wir nur hoffen.“„Aber warum feiern wir?“„Vielleicht um die Hoffnung sichtbarer zu machen?“„Ich will Puschl wiederhabe­n!“„Weißt du, Kaninchen können an Ostern auferstehe­n. Für die ist nicht der Liebe Gott zuständig, sondern die Natur. Und die macht da bei Kaninchen eine Ausnahme. Weil Ostern ist.“„Echt?“„Klar.“„Na gut.“

Tja, das Prinzip Hoffnung beruht unter anderem auf Ablenkung. Sogar Notlügen sind erlaubt. Gott sei Dank. Bleibt zu hoffen, dass bis zur Auferstehu­ng ein paar Ablenkungs­ressourcen übrig bleiben.

Halten Sie so lange gut durch!

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F.: H.-J. BAUER Mareile Blendl

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