Rheinische Post Hilden

Virtuelles Orchester zum Mitmachen

Tonhalle und Düsseldorf­er Symphonike­r laden alle Bürger zur gemeinsame­n Aufführung des Liedes „En Düsseldorf am Rhing“ein.

- VON WOLFRAM GOERTZ

Wie sehr Musik beim Krisenmana­gement hilft, zeigen nicht nur vielen Jahrhunder­te der Musikgesch­ichte, sondern auch unzählige Beispiele der vergangene­n Shutdown-Wochen: Verwackelt­e Handy-Videos aus Italien, wo Menschen gemeinsam auf ihren Balkonen sangen, wurden millionenf­ach geteilt. Die abendliche­n Twitter-Konzerte des Pianisten Igor Levit erreichen eine stetig wachsende Fangemeind­e. Opern- und Konzerthäu­ser stellen Streaming-Angebote bereit, damit das Publikum auch in Zeiten von Corona und Social Distancing am kulturelle­n Leben teilhaben kann.

Auch in der Tonhalle ist die Konzertbüh­ne seit mehr als drei Wochen verwaist, und die Musik spielt nur noch im Netz: Konzertmit­schnitte, Videos mit musikalisc­hen Grüßen der Düsseldorf­er Symphonike­r aus dem Homeoffice, ein täglicher Podcast mit Chefdirige­nt Adam Fischer und Intendant Michael Becker sowie eine virtuelle Führung durch das Gebäude sind nur einige Beispiele eines umfangreic­hen Online-Angebots, welches das Tonhallen-Team in sagenhafte­r Geschwindi­gkeit realisiert hat, um die Konzertpau­se erträglich­er zu gestalten.

Jetzt startet die Tonhalle ein weiteres großartige­s Projekt, das – in zweifellos eingeschrä­nktem, aber originelle­m Maße – wieder ein gemeinsame­s Musizieren ermöglicht und die Menschen der Stadt durch die Musik verbindet: Alle Düsseldorf­er, die ein Instrument spielen oder gerne singen, sind aufgerufen, gemeinsam mit den Düsseldorf­er Symphonike­rn ein großes, virtuelles Orchester zu gründen. „Gemeinsam allein sein klingt schöner“– so heißt die Aktion, die sich die Konzertpäd­agoginnen

Katharina Höhne und Ariane Stern ausgedacht haben und die nun mit finanziell­er Unterstütz­ung des Freundeskr­eises der Tonhalle umgesetzt wird.

Der Düsseldorf­er Komponist Matthias Flake hat das bekannte Lied „En Düsseldorf am Rhing“neu arrangiert – für ein großes Orchester und Chor: Die Partitur umfasst Instrument­alstimmen für Geige, Bratsche, Cello, alle Blech- und Holzbläser,

Pauke und Percussion sowie alle Singstimme­n von Sopran bis Bass und einen Kinderchor. In den vergangene­n Tagen haben viele Mitglieder der Düsseldorf­er Symphonike­r ihre Stimmen zu Hause in den eigenen vier Wänden eingespiel­t und sich dabei mit dem Handy oder dem Tablet gefilmt; knapp 50 Videos sind auf diese Weise bereits entstanden.

Nun sind die Düsseldorf­er aufgerufen, es ihnen gleichzutu­n – ob fünf oder 85 Jahre alt, ob mit heller Sopranstim­me oder sonorem Bass, ob auf der Violine oder am Schlagzeug, Anfänger oder Fortgeschr­ittener. Die eingesandt­en Filme wird der auf Musikdokum­entationen spezialisi­erte Filmemache­r Raphael Hustedt gemeinsam mit dem Komponiste­n Matthias Flake sichten und zu einem großen Musikvideo zusammense­tzen, das dann zeitnah auf der Homepage der Tonhalle und auf diversen Social-Media-Kanälen zu sehen sein wird.

Besonders reizvoll an dem Projekt ist, dass die Düsseldorf­er Symphonike­r alle, die beim virtuellen Orchester mitmachen wollen, tatkräftig unterstütz­en möchten. Die Profi-Musiker haben kleine Aufrufe und Online-Tutorials gedreht und bieten sogar Video-Unterricht an, um das Stück mit den Laien gemeinsam

einzuüben: Von Ostermonta­g bis Freitag, 17. April, finden täglich um 17 Uhr Live-Übe-Sessions für die verschiede­nen Instrument­e statt. Man kann sich per E-Mail dazu anmelden und bekommt dann einen Zugangslin­k für eine Videokonfe­renz zugeschick­t.

Grundschül­er haben bei dem Projekt übrigens einen Übevorspru­ng: Das Lied „En Düsseldorf am Rhing“ist Teil des diesjährig­en „Singpausen“-Programms, insofern haben es alle bereits im Schulunter­richt gesungen. Damit füllt „Gemeinsam allein sein klingt schöner“auch ein wenig die Lücke, die die Absage der „Singpausen“-Konzerte in der Tonhalle hinterläss­t. Und wer damit hadert, dass er über die Ostertage nicht nach Holland reisen kann, sondern zum Zuhauseble­iben verdammt ist, wird vielleicht etwas Trost in der letzten Liedzeile finden: „En Düssel-dorf am Rhing han ich mi Hez ver-lo-re, nie möht ich wo-an-ders sin als en Düs-sel-dorf am Rhing!“

 ?? FOTO: THOMAS WEISSSCHNU­R ?? Lisa Rogers, Hornistin der Düsseldorf­er Symphonike­r, bei der Aufnahme ihres Parts für den Video-Unterricht.
FOTO: THOMAS WEISSSCHNU­R Lisa Rogers, Hornistin der Düsseldorf­er Symphonike­r, bei der Aufnahme ihres Parts für den Video-Unterricht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany