Rheinische Post Hilden

Nur nicht zu viel riskieren

Bund und Länder halten die Kontaktbes­chränkunge­n in der Corona-Krise weitgehend aufrecht. Für Armin Laschet ist der Tag nicht gut gelaufen.

- VON KRISTINA DUNZ UND HOLGER MÖHLE

BERLIN Es geht in die Verlängeru­ng. Und zwar um zwei Wochen. Das ist in diesem Fall eine lange Zeit. Die Ministerpr­äsidenten haben mit der Bundeskanz­lerin am Mittwoch in einer Telefonsch­alte hart gerungen. Angela Merkel ganz oben im Kanzleramt, mit ihr in der Zentrale der Macht noch Bayerns Regierungs­chef und derzeitige­r Vorsitzend­er der Ministerpr­äsidentenk­onferenz, Markus Söder (CSU), und Hamburgs Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) – einen kurzen Fußweg entfernt, jeweils in einem eigenen Raum. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) ist aus seinem Ministeriu­m zugeschalt­et. Und dann um 18.05 Uhr treten sie zu viert vor die Presse. Sehr viel später als geplant. Zwischen ihnen eine Armlänge Abstand. Sie haben schwerwieg­ende Beschlüsse zu verkünden.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dankt den Bürgern für ihre Disziplin. Den Menschen, „die ihr Leben verändert haben, nicht weil sie der Regierung gefallen wollen, sondern weil sie ihren Mitmensche­n helfen wollen“. So sei erreicht worden, dass das Gesundheit­ssystem nicht überlastet und „am Laufen“gehalten wurde. Das ist das oberste Ziel der Kanzlerin. Sie will vermeiden, dass Infizierte nicht die bestmöglic­he Behandlung bekommen können, weil der Platz, die Beatmungsg­eräte in Kliniken nicht ausreichen. Ihr Gesicht wirkt aber versteiner­t, als sie verkündet, dass die Freiheitsb­eschränkun­gen fortgesetz­t werden und es nur kleine Exit-Schritte gibt. Sie sagt zwar, der Zwischenst­and sei erfolgreic­h. Aber es sei eben auch ein zerbrechli­cher Zwischenst­and.

Für Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsidenten

Armin Laschet (CDU) ist es nicht zum Besten gelaufen. Mit seinem zurückhalt­enden und auf Sicherheit setzenden Kurs hat sich sein Amtskolleg­e – und möglicher Konkurrent um die Kanzlerkan­didatur – Markus Söder aus Bayern durchgeset­zt. Laschet dürfte nun an der von ihm angekündig­ten „Flexibilit­ät“eines einzelnen Bundesland­es arbeiten.

Laschet-Kritik kam prompt von der NRW-SPD: Im Ringen über den Ausstieg aus den Corona-Einschränk­ungen sei dieser gescheiter­t. Die Einigungen könnten „nur als Laschets Bauchlandu­ng verstanden werden“, sagte SPD-Landeschef Sebastian Hartmann. Laschet sei vor Ostern „als Exit-Treiber gestartet und nach vorn gerannt“, kritisiert­e Hartmann. „Es war einfach zu viel, nicht abgestimmt, eben im kompletten Alleingang.“Die Landesmini­ster für Familie und für Schule, Joachim Stamp und Yvonne Gebauer (beide FDP), hatten am Dienstag angekündig­t, dass die Schulen schon nach den Osterferie­n und die Kitas eine Woche später schrittwei­se wieder öffnen sollten.

Söder, ganz Pokerface, lässt in der Pressekonf­erenz aber keine Genugtuung erkennen. Er sagt, das Gebot sei Zurückhalt­ung und Sicherheit und keine überstürzt­en Lockerunge­n. Vor fast vier Wochen war der CSU-Chef selbst mit Ausgangsbe­schränkung­en in Bayern vorgepresc­ht – und dafür von den Länderkoll­egen heftig kritisiert worden.

Jetzt hat Laschet einen Konter versucht. Doch die Schulen bleiben nach diesem Beschluss erst einmal geschlosse­n, anders als es Nordrhein-Westfalen wollte. Erst am 4. Mai soll es schrittwei­se wieder losgehen. Auch in NRW. Keine Zweifel? Merkel betont: „Ich sage Ihnen gerade, was wir beschlosse­n haben.“Söder verzichtet nicht darauf zu betonen, dass die Schulen eine Vorlaufzei­t bräuchten, um wieder zu öffnen. Darum hätten auch die Lehrer gebeten. NRW wollte eigentlich schon an diesem Montag wieder einsteigen.

Immerhin: Die Masken in Handel, Bus und Bahnen kommen, aber vorerst

Markus Söder Ministerpr­äsident von Bayern

nur als Empfehlung. Am 30. April wollen sie Leitlinien und Lockerunge­n wieder auf den Prüfstand stellen – in einer Schaltkonf­erenz. Dann eventuell mit weiteren Exit-Schritten.

Es dürfe kein falsches Vorpresche­n geben, „auch wenn die besten Absichten dahinterst­ehen“, sagt Merkel. Man darf das als Kritik an Laschet verstehen, aber auch an Söder, der vor Wochen sich selbst schon als Speerspitz­e präsentier­t hatte, als Deutschlan­ds oberster Kontaktbes­chränker. Aber jetzt gibt sich Söder ganz zahm, ganz umsichtig, mit dem Fuß auf der Bremse. Zu groß sei die Gefahr eines Rückschlag­es, „wenn wir jetzt zu viel riskieren“, und wenn man nun eine Normalität vorgaukele, „die es noch nicht gibt“. Söder rational: „Für mein Land kann ich sagen, wir werden es vorsichtig angehen.“Auch beim Fußball. Geisterspi­ele in der Bundesliga? Nürnberg-Fan Söder: „Nein, die Bundesliga war heute kein Thema.“

Etwas gereizter wirkt er dann aber, als die Frage kommt, ob es unter den Ministerpr­äsidenten jemanden gab, der die schwierige Lage der Wirtschaft angesproch­en und vor großen Schäden gewarnt habe. Alle in diesem Kreis treibe das um, sagt er, nicht nur einige wenige. Laschet soll hier seine Stimme erhoben haben.

Merkel sagt, man werde in einem föderalen Gebilde „nie auf den Tag genau das Gleiche haben“. Aber der Geist in der Runde sei so einheitlic­h gewesen, „dass es für einen föderalist­ischen Staat schon Gast an ein Wunder grenzt“. Scholz sagt noch, Deutschlan­d bewege sich in eine neue Normalität. Er meint: eine Normalität im Ausnahmezu­stand.

„Für mein Land kann ich sagen, wir werden es vorsichtig angehen“

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FOTO: DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Mittwoch in Berlin.

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