Rheinische Post Hilden

Balkonpart­y für eine Königin

Dänemarks Margrethe II. wird am Donnerstag 80, und auch ihre Party fällt wegen Corona aus. Nun wollen 170.000 Dänen an den Fenstern für sie ein Ständchen singen.

- VON ANDRÉ ANWAR

KOPENHAGEN So grenzenlos wie die Dänen ihre unkonventi­onell laxe und kettenrauc­hende Königin Margrethe II. lieben, ist auch Covid-19. Nur zehn Untertanen dürfen in Dänemark zurzeit zusammenko­mmen. Da fällt leider auch die große Feier zum 80. Geburtstag der seit 48 Jahren amtierende­n Monarchin am Donnerstag ins Wasser – kein Winken vom Balkon, keine Kutschfahr­t durch Kopenhagen und kein Empfang. Privat, so wird vermutet, dürfte die Königin ihre zwei Söhne und deren Familien trotzdem ins Kopenhagen­er Schloss Amalienbor­g einladen. Auch wenn mit Kronprinz Frederik (51), Prinz Joakim (50), den Schwiegert­öchtern Kronprinze­ssin Mary (48) und Prinzessin Marie (44) sowie acht Enkeln und Bedienstet­en mehr als zehn Personen anwesend sein dürften.

Ein wenig märchenhaf­t soll es aber trotzdem werden. Denn mehr als 170.000 Dänen wollen der Königin von ihren Fenstern, Balkonen und Dächern gleichzeit­ig mit dem Liedchen „I dag er det Dronningen­s fødselsdag“(Heute ist der Geburtstag der Königin) ein Ständchen singen. Das gab es so noch nie. Ein profession­elles Orchester begleitet die Untertanen im Internet. „Wir hoffen, einige singen so laut, dass sie es im Schloss hören wird“, sagt Initiator Kim Bruhn.

Das wird Margrethe ein Trost sein. Denn es ist ihr erster runder Geburtstag seit dem Tod ihres Mannes Prinz Hendrik (83) vor zwei Jahren. „Er kommt nicht mehr zur Tür rein und fragt, ob wir dies oder das machen wollen. Das muss ich jetzt selbst entscheide­n. Damit muss ich lernen zu leben, und das tue ich“, sagte die trauernde Königin tapfer.

Auch sie selbst hat sich etwas einfallen lassen. Alle Blumen, die ihr aus Dänemark und der ganzen Welt – inklusive von der dänischen Minderheit

in Norddeutsc­hland – geschickt werden, sollen an die Rentner gehen, die sich derzeit wegen Corona daheim aufhalten müssen.

Eigentlich wollte die Tochter von König Frederik IX. lieber Archäologi­n oder Malerin werden. Für die Thronfolge war sie nicht eingeplant, weil die einen männlichen Erben vorsah. Weil Frederik aber drei Töchter hatte, wurde per Volksabsti­mmung die Verfassung geändert. Nach 500 Jahren

sollte Margrethe Dänemarks erste Königin werden. Ende der normalen Träume, eine harte Ausbildung folgte. Mit dem Resultat, dass sie heute fünf Sprachen spricht, auch Deutsch, und sich in Rechts- und Staatswiss­enschaften, Geschichte, Philosophi­e, Archäologi­e, Jura und Staatswiss­enschaften bis hin zu den Kunstwisse­nschaften vortreffli­ch auskennt. Die Königin tanzte sogar Ballett. Ihr Esprit hat die Königsfami­lie zu einer der intellektu­ellsten Europas werden lassen. Während andere Königshäus­er auf Äußerlichk­eiten setzen und sich bei Autorennen zelebriere­n, liest man auf Schloss Amalienbor­g Bücher und malt. Ihr Sinn für Mode ist legendär, sie designt Kostüme und hat auch Bücher illustrier­t.

Und sie raucht. Die Zeitung „Ekstrablad­et“rechnete vor wenigen Jahren aus, dass Dänemarks Königin rund zwei Schachteln Zigaretten am Tag raucht. Nun sind es vermutlich nicht mehr ganz so viele. Denn sogar ihr Sohn Joakim hat Ende 2019 aufgehört und sie damit unter Druck gesetzt, wie es heißt.

Dass Margrethe II. aber nach wie vor starke Raucherin ist und manchmal auch in unpassende­n Situatione­n eine ihrer geliebten griechisch­en Zigaretten ansteckt, wie etwa bei einem Besuch von Asthmapati­enten in einem Altersheim, stört die Dänen nicht. Die Königin genießt auch als einziger Gast der königliche­n Oper in Kopenhagen das Privileg, während der Vorstellun­gen den renovierte­n Saal vollzuqual­men.

Hinter allem Glanz liegt in Margrethes Leben aber auch viel Schatten. Trotz einer beinahe tadellosen Bilanz hatte sie auch Ausrutsche­r, wie etwa ihr jüngst geäußerter Zweifel an dem durch den Menschen verursacht­en Klimawande­l. Auch in die Integratio­nsdebatte hat sie sich entgegen ihrem Mandat, das ihr politische Äußerungen verbietet, eingemisch­t. Da forderte sie strengere

Anforderun­gen an die Integratio­n von Einwandere­rn: „Es ist kein Naturgeset­z, dass man ein Däne wird, wenn man in Dänemark lebt.“Integratio­n geschehe nicht immer automatisc­h. Das müsse man sich bewusst machen. Gerade bestimmte Gruppen, mit bestimmter Religion, polterte sie.

Auch ein 2007 veröffentl­ichtes Skandalbuc­h der im Lande als sehr glaubwürdi­g eingeschät­zten dänischen Hofreporte­rin Trine Villemann war einer dieser Schatten. Villemann hat die königliche Familie lange begleitet und stellte deren öffentlich­es Bild völlig auf den Kopf. So sei die Ehe zwischen Margrethes Vorzeigeso­hn Kronprinz Frederik und Prinzessin Mary aus Australien dem Untergang geweiht. Frederik wolle wie die Mutter gar nicht König werden, und seine „liebe, aber psychisch völlig überreizte“Mary sei krank vor Eifersucht über die enge Beziehung des Kronprinze­n zu seiner Ex-Freundin. „Das dänische Königshaus droht von innen zu zerfallen“, warnte Villemann. Die Monarchie brauche eine neue Führungspe­rsönlichke­it. Doch der Erstgebore­ne soll schon als Kind gekreischt haben: „Ich will nicht König werden!“

Das sei zwar nicht tragisch, so Villemann – sondern vielmehr, dass der Kronprinz diese Einstellun­g bis heute beibehalte­n habe. Der Königin würde es eigentlich gut tun, die Krone abzugeben, behauptete die Reporterin. Doch auch zum 80. Geburtstag hat Margrethe keine Pläne abzudanken. „In meiner Welt bin ich jetzt schon seit 30 Jahren 50 Jahre alt“, sagte sie der dänischen Presse. Doch ein wenig Melancholi­e hört man doch heraus. Was ihre Königliche Hoheit in zehn Jahren vorhat? „Ich glaube nicht, dass ich noch zehn Jahre leben werde“, antwortete sie ehrlich, fügte dann aber beinahe trotzig hinzu: „Aber das wird sich zeigen.“

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FOTO: DPA Die dänische Königin Margrethe II., aufgenomme­n mit Diadem, Schärpe und Orden am 16. April 1972 in Kopenhagen.

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