„Nicht den Klimaschutz hintanstellen“
Dem Bauern-Präsidenten machen die aktuelle Trockenheit und die neue Düngeverordnung Sorgen.
Herr Rukwied, alle Welt arbeitet in der Corona-Krise von zu Hause aus. Bauern arbeiten grundsätzlich quasi im Homeoffice. Was hat sich für Sie als Landwirt geändert? RUKWIED Im Tagesgeschäft nicht viel. Wir Bauern sind bei den Tieren oder auf dem Feld. Und wir erleben auch jetzt wieder eine starke Trockenheit. Wir würden uns sehr über warmen Landregen freuen, damit die Kulturen eine vernünftige Wasserversorgung haben.
Das heißt, die Klimakrise bleibt für Sie unabhängig von der Corona-Krise das grundsätzliche Problem.
RUKWIED Die Klimaveränderungen bleiben ein Topthema. Wir dürfen in unseren Bemühungen, den Klimawandel zu stoppen, nicht nachlassen. Wir haben längere Phasen des Hochdrucks und des Tiefdrucks. Von Ende September bis Februar hatten wir überdurchschnittlich starke Niederschläge und seit fünf Wochen hat es so gut wie nicht mehr geregnet. Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen der Menschheit. Es wäre schlichtweg unklug, den Klimaschutz hintanzustellen, auch wenn jetzt die Bewältigung der Corona-Pandemie im Fokus steht.
Warum ärgern Sie sich dann so über die neue Düngeverordnung, die die Verschmutzung des Grundwassers senken soll?
RUKWIED Diese Verordnung hat erhebliche fachliche Mängel. Wir verfügen über die Technik des 21. Jahrhunderts und können bei der Düngung die Stickstoffmenge präzise und bedarfsgerecht steuern. Die Düngeverordnung schreibt aber für rote Gebiete nach der Rasenmäher-Methode eine Reduktion um 20 Prozent unter dem Bedarf der Pflanzen und damit eine Lösung des Problems mit Maßnahmen aus dem vorigen Jahrhundert vor. Das ist nicht zielführend. Wenn wir 20 Prozent unter Bedarf düngen, lassen wir Pflanzen hungern. Sie bilden dann keine starken Wurzeln aus, was bedeutet, dass sie nicht nur qualitativ schlechter sind, sondern auch selbst dem Boden weniger Stickstoff entziehen können. Das konterkariert den Wasserschutz.
Warum gibt es dann so hohe Nitratbelastungen des Grundwassers beispielsweise in Nordrhein-Westfalen?
RUKWIED In einigen Gebieten haben wir Hausaufgaben zu machen. Das stimmt. Dem stellen wir uns - aber mit der heutigen Technik.
Seit der vorigen Woche dürfen, nach dem Drängen der Bauern, trotz der Coronavirus-Pandemie Erntehelfer nach Deutschland einreisen. Ist die Spargelernte jetzt gesichert?
RUKWIED Die erste Woche ist ordentlich angelaufen. Wir sind erleichtert, dass eine Lösung für die Einreise der Saisonarbeiter gelungen ist. Die Betriebe sind arbeitsfähig. Auf der Plattform des Bauernverbandes haben sich inzwischen mehr als 1500 Betriebe mit 23.500 Saisonarbeitskräften für April und Mai registriert.
Wird es genügend Saisonarbeiter für die anderen und späteren Aufgaben der Landwirte geben: Obsternte, Hilfe in den Ställen? RUKWIED Das hängt von der Entwicklung der Corona-Krise ab. Über das ganze Jahr brauchen wir etwa 270.000 Helfer. Bis Ende Mai, vielleicht noch in den Juni, werden wir rund 100.000 Kräfte haben. Dann kommt aber der zweite Schwerpunkt bis September und Oktober mit der Obsternte und Weinlese. Da reichen die Saisonarbeitskräfte, die jetzt da, mit Sicherheit nicht aus. Viele Bauern gehen voll ins Risiko. Derzeit jedenfalls haben wir noch eine Lücke von schätzungsweise 150.000 benötigten Kräften.
Wie sehen die Hygiene-Maßnahmen in der Landwirtschaft aus, Mundschutz auf den Zimmern, Seife auf dem Feld?
RUKWIED Der Schwerpunkt liegt auf der Quarantäne der Neuankömmlinge – getrennte Unterbringung, halbe Belegung der Zimmer – und strengen Hygienemaßnahmen. Dies bedeutet höhere Kosten für die Landwirte. Aber die Betriebe sind arbeitsfähig und das Pflanzen, die Pflege und die Ernte sind weiterhin möglich.
Der Milchpreis fällt, auch weil die Gastronomie weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Wie viele Milchbauern werden diese Krise wirtschaftlich nicht überleben? RUKWIED Wir haben ein unterschiedliches Bild. Für einige Molkereien ist die Lage sehr schwierig, weil ihre bewährten Absatzkanäle beispielsweise in Richtung Italien eingebrochen sind. Andere Molkereien kommen kaum noch nach, weil sie Supermärkte beliefern, in denen die Kunden verstärkt Milchprodukte nachfragen.
Agrarministerin Julia Klöckner hat den Lebensmitteleinzelhandel wegen der sinkenden Milchpreise vor unlauterem Wettbewerb mit den Bauern gewarnt und Augenhöhe bei den Vertragsverhandlungen gefordert. Was sind die unlauteren Praktiken des Einzelhandels? RUKWIED Wir haben nach wie vor eine Marktkonzentration. Es gibt die wenigen großen Abnehmer im Einzelhandel und auf der anderen Seite eine Vielzahl an Molkereien. Das ist ein ungleiches Kräfteverhältnis. Wir haben klare Signale gegeben: Wir brauchen eine stabile Preissituation an der Milchfront und eine angemessene Bezahlung. Hier muss der Einzelhandel Verantwortung zeigen.
Was ist ein fairer Preis pro Liter Milch für den Bauern?
RUKWIED Der Preis entwickelt sich am Markt unter Berücksichtigung von Angebot, Nachfrage und Qualität, sowie der Situation am Weltmarkt. Den einen Preis, den ein Landwirt bekommen muss, gibt es nicht. Wir brauchen aber eine stabile Spanne, mit der die Landwirte vernünftig wirtschaften können.
Und die wäre? Derzeit liegt der
Preis in etwa bei 31 Cent.
RUKWIED Dieses Niveau ist zu niedrig. Milch ist ein hochwertiges Produkt.
Die Corona-Krise zeigt gerade vielen Menschen, wie wichtig regionale Produkte und Eigenversorgung und die Landwirtschaft überhaupt sind. Wird diese Erkenntnis die Krise überdauern?
RUKWIED Über die große Solidarität und Hilfsbereitschaft für die Landwirtschaft von Seiten der Bevölkerung sind wir sehr erfreut. Das Bewusstsein, dass unsere heimische Landwirtschaft für die Lebensmittelversorgung mit hochwertigen Produkten unerlässlich ist, ist deutlich gewachsen.