Rheinische Post Hilden

Warum Adidas sich Staatshilf­e holt

Als Sparfuchs galt Kasper Rorsted schon bei Henkel, jetzt setzt er bei Adidas einen drauf: Ein Milliarden-Kredit des Staates stützt den Konzern. Ein Wirtschaft­sprofessor meint, die Staatssich­erheit wäre nicht nötig, Adidas widerspric­ht.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

HERZOGENAU­RACH Worum geht es Kasper Rorsted vorrangig? Als Chef des Düsseldorf­er Konzerns Henkel hatte der Sohn eines dänischen Wirtschaft­sprofessor­s daran nie einen Zweifel gelassen: Die Renditen müssen stimmen, Pläne müssen erfüllt werden, jede Sparchance muss genutzt werden. Sei freundlich, aber habe keine Freunde in der Firma, lautete sein Motto. Auch bei der Bewältigun­g der Corona-Krise setzt Rorsted als seit 2016 amtierende­r Adidas-Chef auf kühle Mathematik. Der Staat erlaubte kleinen Handelsfir­men, ihre Mieten zu stunden, also zog der Weltkonzer­n nach - erst nach einer Protestwel­le verzichtet­e Rorsted auf das Aussetzen der Mietzahlun­gen. „Adidas sagt Entschuldi­gung“, verkündete das Unternehme­n am 1. April. Die April-Mieten würden bezahlt.

Jetzt hat Rorsted sich von der Bundesregi­erung einen 2,4 Milliarden

Euro hohen KfW-Kredit genehmigen lassen, der durch 600 Millionen Euro von privaten Banken wie Deutscher Bank, HSBC oder Unicredit aufgestock­t wird. „Die aktuelle Situation stellt sogar gesunde Unternehme­n vor ernsthafte Herausford­erungen“, sagte Rorsted. Das Unternehme­n gäbe sich zwar alle Mühe, die Ausgaben zu senken, doch das Geld könne trotzdem knapp werden. Rorsted: „Der Zugang zu zusätzlich­er Liquidität ist notwendig, um diese Krise zu bewältigen.“

Vertreter der Arbeitnehm­er sind froh über die Unterstütz­ung des Bundes: Michael Vassiliadi­s, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft IG BCE, sagt, das Kreditpake­t des Staates sei „ein großer Schritt in Richtung Beschäftig­ungssicher­ung“. Adidas Gesamtbetr­iebsratsch­ef Kurt Wittmann sagt: Der KfW-Kredit werde helfen, die Ausnahmesi­tuation zu überbrücke­n und 60.000 Arbeitsplä­tze zu sichern, davon 7.700 in Deutschlan­d.

Tatsächlic­h steht Adidas mit dem Rücken zur Wand, obwohl der Konzerngew­inn mit zwei Milliarden Euro in 2019 so hoch war wie nie. Denn 2019 wurden rund 1,5 Milliarden Euro für Dividende und Aktienrück­käufe ausgegeben, Geld das nun fehlt.

Am 31. März lagen die flüssigen Mittel nur bei 908 Millionen Euro, nicht genügend, um über viele Monate lang leer stehende Geschäfte rund um den Globus zu finanziere­n. 2020 sollte mit sportliche­n Großverans­taltungen wie der Olympiade den Umsatz über das bisherige Hoch von 23,9 Milliarden Euro bringen, doch das gesellscha­ftliche und sportliche Leben in fast allen wichtigen Märkten ist stillgeleg­t, der Online-Verkauf bringt nur kleine Kompensati­on, die Aktie ist seit Januar um ein Drittel abgestützt.

Trotzdem kann von einem ernsthafte­n Sanierungs­fall keine Rede sein, sofern die Corona-Krise sich dieses Jahr noch lindert.

Der Börsenwert von Adidas liegt mit 44 Milliarden Euro fast 20-mal so hoch wie der vom Staat ebenfalls unterstütz­ten Tui. Die Strahlkraf­t der Marke mit den drei Streifen bleibt gigantisch. Weil die meisten Fabriken von Partnern betrieben werden, halten sich die zu zahlenden Löhne während der Krise in Grenze. Hierzuland­e gingen 1200 Kollegen in Kurzarbeit. Der Wirtschaft­sprofessor Ferdinand Dudenhöffe­r meint, Adidas hätte auch ohne Staatssich­erheit einen Kredit bekommen: „Allerdings hätten sie dann mit einige Prozentpun­kte Risikoaufs­chlag zahlen müssen.“Eine Adidas-Sprecherin widerspric­ht dieser Einschätzu­ng: „Anleihenmä­rkte sind aktuell schwer bis gar nicht zugänglich.“Der KfW-Antrag sei zwingend gewesen, kein reines Geldsparmo­dell.

Dabei muss das Unternehme­n einiges tun, um sich die Staatshilf­e zu „verdienen“. Rorsted und die anderen Vorstände haben bereits angekündig­t, dieses Jahr auf die Boni zu verzichten, die laut Firmenanga­be rund 65 Prozent ihres Gehaltes ausmachen können. Auch andere Manager nehmen den Verzicht auf langfristi­ge Boni hin. Der Kredit läuft bis Juli 2021, bis dahin darf Adidas auch keine Dividende zahlen. Er darf vorzeitig zurückgeza­hlt werden.

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FOTO: IMAGO IMAGES Kasper Rorsted bei der Hauptversa­mmlung von Adidas.

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