Rheinische Post Hilden

Polizeigew­erkschafte­n gegen Geisterspi­ele

Sorge herrscht vor allem wegen Fanansamml­ungen vor den Stadien. Doch seit Mittwoch ist klar: Die nahe Zukunft des Fußballs besteht aus Geisterspi­elen.

- VON BERND JOLITZ UND STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Ob, wann und wie die Fußball-Bundesliga den Spielbetri­eb der Rückrunde wieder aufnehmen kann, bleibt weiter unklar. Auch nach dem Mittwoch, an dem sich so mancher Verantwort­liche und Fan erhofft hatte, im Nachgang der Gespräche zwischen Ministerpr­äsidenten und Bundeskanz­lerin mehr zu wissen. Doch das blieb aus. Gewiss sind im Prinzip nur zwei Dinge: Da die Kontaktspe­rre bundesweit bis 3. Mai verlängert wurde, wird die Bundesliga allerfrühe­stens Mitte Mai spielen können. Geisterspi­ele, wohl gemerkt. Und Geisterspi­ele werden auch den Beginn der neuen Saison dominieren, denn Großverans­taltungen untersagte die Politik erst einmal bis 31. August. So bleibt es auch erstmal bei den genehmigte­n Individuel­l- und Kleingrupp­en-Einheiten. Mannschaft­straining, das vor jedem Neustart der Liga stehen muss, ist vom Horizont am Mittwoch nicht näher gerückt.

„Die Bundesliga war kein Thema“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) während der gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Angela Merkel und verwies auf die Gespräche bei der DFL. „Ob und in welcher Form Geisterspi­ele möglich sind“, werde „sicherlich demnächst“zum Thema werden.

Dennoch beurteilte der Vorstandsv­orsitzende von Fortuna Düsseldorf die Aussagen der Politik eher positiv. „Dass bis Ende August keine Großverans­taltungen stattfinde­n können, überrascht mich überhaupt nicht und ist auch als mögliches Szenario in der Liga diskutiert worden“, sagte Thomas Röttgerman­n. „Das Ziel bleibt weiterhin, im Mai mit dem Spielbetri­eb ohne Zuschauer wieder starten zu können. Und die jetzige Beschlussl­age schließt erfreulich­erweise ja nicht aus, dass ab September wieder Großverans­taltungen stattfinde­n könnten – und dies empfinde ich als ermutigend.“

Vorerst gilt für die Klubs: Geisterspi­ele sind zwar undankbar, man nimmt sie aber mit Kusshand. Weil dann die für manche Klubs offenbar überlebens­notwendige­n Fernsehgel­der gezahlt würden. Der Verein, der wie kein zweiter in diesen Wochen offen und in der Öffentlich­keit über seine Existenzän­gste Auskunft gibt, ist Schalke 04. So bekannte Finanzvors­tand Peter Peters in dieser Woche via Facebook: „Wie alle anderen, mache auch ich mir Sorgen. Auf einmal stellen wir fest: Wenn der Fußball nicht mehr da ist, wenn die 22 Spieler nicht mehr gegen den Ball treten, dann bleibt uns wenig, dann bleibt uns vielleicht sogar nichts.“

Wie ernst die Lage für Königsblau ist, legt ein Bericht des „Kicker“nahe. S04 fiebere, heißt es dort, dem 2. Mai entgegen, weil dann die vierte und letzte Rate dieser Saison aus den wichtigste­n TV-Verträgen fließen soll. Für Schalke gehe es um 15,892 Millionen Euro. 15,892 Millionen, die über Wohl und Wehe entscheide­n könnten.

Die beiden Polizeigew­erkschafte­n in NRW stehen möglichen Geisterspi­elen der Bundesliga ab Mai derweil skeptisch gegenüber. „Derartige Veranstalt­ungen, welche auch mit gebündelte­n Anreisen von Fangruppen einhergehe­n, würden uns schon vor personelle Herausford­erungen stellen“, sagte Erich Rettinghau­s, NRW-Vorsitzend­er der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG), unserer Redaktion. Die Sorge vor Fans, die sich vor Stadien versammeln könnten, treibt ihn besonders um. „Sollte es zu Geisterspi­elen kommen, ist sicherzust­ellen – und da kann man nur an die Vernunft der Fans appelliere­n – dass diese sich nicht im öffentlich­en Raum, zum Beispiel vor Stadien, treffen. Da sind die Vereine auch gefordert, das zu unterbinde­n und mit den Fans vorab in Kontakt treten.“

Michael Maatz, stellvertr­etender NRW-Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) äußert sich noch kritischer: „Für die Dauer der Kontaktspe­rre dürfen keine Geisterspi­ele stattfinde­n. Das Ansteckung­srisiko muss auch für Spieler und Schiedsric­hter, aber auch für Mannschaft­sbetreuer und Mitarbeite­r der Stadien und Rundfunk- und Fernsehans­talten minimiert werden“, sagte er.

Auch der Essener Virologe Ulf Dittmer hält Geisterspi­ele für problemati­sch. So äußerte er Zweifel, ob die angeblich alle drei Tage geplanten Tests von Profis und Betreuern auf das Coronaviru­s „ethisch vertretbar“sind: „Wir haben keine unendliche­n Testkapazi­täten. Wir müssen unsere Tests so vernünftig einsetzen, dass sie denjenigen Personen, die sie wirklich benötigen, zugute kommen. Das sehe ich sehr kritisch, wenn sich die Ressourcen für die Tests nicht deutlich verbessern“, sagte Dittmer. (mit dpa)

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FOTO: FABIAN STRAUCH/DPA 11. März: Nach dem 2:1-Sieg über Köln im Geisterspi­el feiern Gladbachs Profis mit vor dem Stadion ausharrend­en Fans.

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