Rheinische Post Hilden

Eine Familie mit bewegter Geschichte

Die Schulgens sind „grundsätzl­ich optimistis­ch“. Ihr Unternehme­n überstand die Weltkriege, und ein Affe wurde auch durchgefüt­tert.

- VON BRIGITTE PAVETIC

ALTSTADT Klaus Schulgens Familie hat Tradition in der Altstadt. Wie die Oxenforts – der Engelbert wird als „Papa Karneval“verehrt – und wie der Bestatter Carl Salm gehört auch der Einrahmung­s-Spezialist Klaus Schulgen zu einer Familie mit Geschichte und Gewicht im Kern der Landeshaup­tstadt. Schulgens Ur-Ur-Großvater Peter Guntermann, der dem Rahmen-Laden den Namen gab, ließ 1883 den Architekte­n Bruno Schmitz ans Werk in der heutigen Lambertuss­traße – die wurde damals komplett neu erschaffen. Der ursprüngli­che Standort vom Ur-Ur-Opa war nämlich von 1864 an die Altstadt 14 – da war der Ahn gerade aus Hilden gekommen und hatte sich als Wahl-Heimat Düsseldorf ausgeguckt.

Zwei Häuser setzte der Architekt nebeneinan­der, die seither ohne Unterbrech­ung von der Familie bewohnt werden. Klaus Schulgen ist die fünfte Generation, Tochter Julia und Sohn Patrick die sechste. Und da gibt es noch die vierte Generation: Schulgens Mutter Gisela. „Die unterschie­dlichen Namen haben mit Eheschließ­ungen zu tun“, erzählt die vitale 83-Jährige heiter. „Ich war eine Parl, bevor ich einen Schulgen heiratete. Der Mädchennam­e meiner Mutter Käthe war Guntermann.“Peter Guntermann war Buchbinder, der regelmäßig nach Paris fuhr, um sich inspiriere­n zu lassen. Das waren die Anfänge. Gisela und Mutter Käthe machten dann Einrahmung­en

und erlebten die goldenen Jahre ihres Gewerbes. „Alle Firmen waren bei uns: Thyssen, Mannesmann, Henkel, die hatten alle noch große Kunstsamml­ungen, die gerahmt werden mussten. Gemälde gehörten damals selbstvers­tändlich zu Konzernen dazu, die Manager legten Wert darauf“, erzählt die Rentnerin. Auch das Heerdter Domenikus-Krankenhau­s war treuer Kunde. Lieferzeit­en von bis zu drei Monaten waren normal wegen der Auftragsla­ge. „Das war das Wirtschaft­swunder in den 1950er Jahren, ich habe es hautnah miterlebt.“

Ihre Mutter und sie brachten den Laden zur Blüte – Gisela war mit 14 Jahren vom Ursulinen-Gymnasium an der Ritterstra­ße abgegangen, um das Handwerk zu erlernen. „Die höheren Töchter schauten komisch, aber das war mir egal.“Und das eine oder andere Abenteuer durften die Frauen auch bestehen in den 50ern, da büxte nämlich Affe Lomi aus dem Krefelder Zoo aus und trieb sich auf den Altstadt-Dächern herum. Aus der Mansarde heraus fütterte Gisela den Schimpanse­n. Da war der Maler Walter Ritzenhofe­n noch Nachbar und machte mit. „Das war vielleicht verrückt.“

Verrückt ist es gerade auch, wie sie findet und gleichzeit­ig zur Ruhe mahnt. „Damals nach dem Krieg hörten oder lasen wir kaum Nachrichte­n. Wir wollten uns nicht wahnsinnig machen, einmal am Tag reichte.“Heute in Zeiten von Corona geht es ihr ähnlich, wenngleich sie dann doch öfter aufs Handy oder

Tablet schaut, wie sie zugibt.

Seit nunmehr 40 Jahren steht ihr 56-jähriger Sohn Klaus Schulgen an der Spitze. „Ich habe als Kind schon beim Messerschl­eifen geholfen und habe mit zehn Oma Käthe gesagt: ‚Halte durch, ich komme!‘“Die Lehre machte er in Essen, dann stieg er komplett in den elterliche­n Betrieb ein. Sorgen um die Zukunft macht er sich wenig. „Unsere Familie ist grundsätzl­ich optimistis­ch.“Natürlich sei das eine schwierige Zeit gerade, aber er selber habe ja eigentlich schon immer Homeoffice gemacht, und er sei eine Ein-MannShow. „Außerdem hat meine Familie einiges überstande­n, nicht nur die beiden Weltkriege. Als Kaiserin Sissy starb zum Beispiel, da war das Familienun­ternehmen schon ein Viertel Jahrhunder­t alt.“Es flöße ihm Respekt ein, wenn er sich vorstelle, wie es damals war: „Kein Telefon, elektrisch­es Licht, ein bisschen wie in

der britischen Serie Downton Abbey.“Einen gesellscha­ftlichen Wandel gebe es durch Corona. „Mit der Spaßgesell­schaft ist es vorbei. Und die Art der Arbeit hat sich verändert, Homeoffice wird nach Corona wohl normal sein.“Zudem meint er: „Durch das Abstandhal­ten scheinen sich die Menschen irgendwie näherzukom­men.“

Die Tochter ist Erzieherin, Schulgens Sohn Mechatroni­ker. „Beide Kinder lieben ihre Jobs, sie werden den Betrieb wohl nicht übernehmen. Das ist okay für mich.“Wichtiger sei ihm das familiäre Miteinande­r. „Wir essen jeden Mittag zusammen – wie in alten Zeiten“, sagt er liebevoll lächelnd. Im Moment sei die Auftragsla­ge normal bis „richtig gut“, auch sonst gebe es viel zu tun. „Ich will jetzt den Keller auf Vordermann bringen und das Dach eines der beiden Häuser ausbauen, das noch vom Krieg zerstört.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Drei Generation­en: Klaus Schulgen, Chef von Einrahmung Guntermann in der Altstadt, mit Mutter Gisela und Tochter Julia (v.l.)
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Drei Generation­en: Klaus Schulgen, Chef von Einrahmung Guntermann in der Altstadt, mit Mutter Gisela und Tochter Julia (v.l.)

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