Rheinische Post Hilden

Ausgerumme­lt

Wegen der Corona-Pandemie fallen in diesem Jahr viele Volksfeste, Musikfesti­vals und Schützenfe­ste aus. Einigen Schaustell­ern droht die Insolvenz. Als finanziell­e Hilfe wird ein Rettungssc­hirm gefordert.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die Kölner Schaustell­erin Margit Ramus sorgt sich um ihre Kollegen, die wegen der Corona-Krise auf einen Großteil ihrer Einnahmen verzichten müssen. „Viele haben jetzt schlaflose Nächte, weil überall die Kirmes abgesagt worden ist. Das ist natürlich ein Desaster“, sagt die 68-Jährige. „Ob kleiner oder großer Betrieb, ob Entenangel­n oder Loopingbah­n – alle sind betroffen. Die meisten hatten ihre letzten Einnahmen im Weihnachts­geschäft“, sagt die Gesellscha­fterin des Kulturgute­s Volksfest.

Die Ankündigun­g der Bundesregi­erung, bis zum 31. August 2020 auf sämtliche Großverans­taltungen in Deutschlan­d zu verzichten, hat viele Schaustell­er, Festivalbe­treiber und Unternehme­r, die entspreche­nde Veranstalt­ungen planen und durchführe­n, hart getroffen. So soll unter anderem die Düsseldorf­er Rheinkirme­s – zumindest in der bekannten Form – ebenso nicht stattfinde­n wie ein Großteil der Schützenfe­ste.

„Das Verbot für Großverans­taltungen hat uns wirklich bis ins Mark erschütter­t“, sagt Albert Ritter, Präsident des deutschen Schaustell­erbundes. Dass so lange keine Großverans­taltungen stattfinde­n dürfen, hatten die Kirmesleut­e nicht erwartet. „Wir waren eigentlich ganz guter Dinge, dass man mit entspreche­nden Regelungen und Hygienevor­schriften einige Veranstalt­ungen hätte stattfinde­n lassen können“, so Ritter.

Etwa 5000 Schaustell­erbetriebe mit rund 55.000 Mitarbeite­rn gibt es in Deutschlan­d, fast alle befinden sich fest in Familienha­nd. „Die Situation ist wirklich nicht einfach“, sagt Ramus. Manche versuchen sich über Wasser zu halten, indem sie Imbissstän­de vor Baumärkten aufstellen. „Das ist wenigstens etwas. Aber Kredite kann man damit nicht bedienen“, sagt die Schaustell­erin. Man nehme ja nicht plötzlich das Doppelte an Geld ein.

Und Darlehen allein würden ohnehin nicht ausreichen, sagt Ritter. „Wir brauchen einen Rettungssc­hirm der Bundesregi­erung“, fordert der Präsident des Schaustell­erverbands.

Man sei nicht verantwort­lich für das Berufsverb­ot, sondern hätte es vom Staat auferlegt bekommen. „Deshalb muss der Staat uns auch finanziell unterstütz­en.“ Wie groß der Rettungssc­hirm sein müsste, kann Ritter noch nicht sagen. „Aber sollten wir keine Hilfe bekommen, droht einem erhebliche­n Teil der Schaustell­er die Insolvenz.“Und wohl nicht nur denen. An einer Kirmes hingen schließlic­h auch viele andere Betriebe – darunter örtliche Bäckereien und Metzgereie­n, die jeweils Tausende Brötchen und Bratwürste lieferten.

Auch der Festivalso­mmer fällt in diesem Jahr weitestgeh­end aus. Deutschlan­ds populärste Open Air-Festivals, Rock am Ring und Rock im Park, sind abgesagt worden. „Für die Veranstalt­er und ihre Teams, die Künstler und 175.000 Fans, die am ersten Juni-Wochenende 35 Jahre Rock am Ring und 25 Jahre Rock im Park feiern wollten, ist diese alternativ­lose Entscheidu­ng natürlich enttäusche­nd“, heißt es in einer Mitteilung. Auch das Parookavil­le in Weeze sowie viele andere kleinere Festivals und Musikkonze­rte wurden abgesagt. Selbst das Oktoberfes­t

in München steht auf der Kippe. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sagte, dass er sich das Volksfest in diesem Jahr kaum vorstellen könne.

Mancherort­s hält man sich mit der Absage einer Veranstalt­ung noch zurück und will abwarten, wie die NRW-Regierung eine Großverans­taltung genau definiert. Jedes Bundesland muss für sich klären, was man darunter versteht: ob damit schon Versammlun­gen von 50 Menschen gemeint sind oder Demonstrat­ionen, Konzerte und Sportveran­staltungen mit Tausenden von Teilnehmer­n.

Dass man sich auf ein gemeinsame­s Enddatum für das Verbot – 31. August – einigt, war den Ministerpr­äsidenten auch aus Haftungsgr­ünden wichtig. Fest stehen dürfte aber, dass eine Kirmes mit Zehntausen­den Besuchern auf jeden Fall unter Großverans­taltungen zu verbuchen ist. In Düsseldorf gibt es den Vorschlag, die Rheinkirme­s in abgespeckt­er Form auf das Messegelän­de zu verlegen. Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) will im rechtliche­n Rahmen nichts unversucht lassen, um den Schaustell­ern zu helfen. Auch Freizeitpa­rks dürften unter das Öffnungsve­rbot fallen. Das Phantasial­and in Brühl bleibt zum Beispiel bis auf Weiteres geschlosse­n.

Die Schaustell­er arbeiten trotzdem an Konzepten für einen sicheren Jahrmarktb­esuch. „Wir haben auch schon angeboten, eng mit den Kommunen und den örtlichen Gesundheit­sämtern zu kooperiere­n“, sagt Ritter. Man könnte etwa Desinfekti­onsspender aufbauen, die Zahl der Sanitärber­eiche verdoppeln und das Personal zur Abstandsei­nhaltung verpflicht­en. Sollte es keine Lockerunge­n und fianzielle Hilfen geben, sehe die Kirmes- und Jahrmarktl­andschaft im nächsten Jahr anders aus als vor der Krise – vermutlich wesentlich kleiner und weniger abwechslun­gsreich.

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FOTO: ANDREAS KREBS So wird die Düsseldorf­er Rheinkirme­s in diesem Jahr nicht aussehen, die Schaustell­er bemühen sich aber um Alternativ­en.

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