Ausgerummelt
Wegen der Corona-Pandemie fallen in diesem Jahr viele Volksfeste, Musikfestivals und Schützenfeste aus. Einigen Schaustellern droht die Insolvenz. Als finanzielle Hilfe wird ein Rettungsschirm gefordert.
DÜSSELDORF Die Kölner Schaustellerin Margit Ramus sorgt sich um ihre Kollegen, die wegen der Corona-Krise auf einen Großteil ihrer Einnahmen verzichten müssen. „Viele haben jetzt schlaflose Nächte, weil überall die Kirmes abgesagt worden ist. Das ist natürlich ein Desaster“, sagt die 68-Jährige. „Ob kleiner oder großer Betrieb, ob Entenangeln oder Loopingbahn – alle sind betroffen. Die meisten hatten ihre letzten Einnahmen im Weihnachtsgeschäft“, sagt die Gesellschafterin des Kulturgutes Volksfest.
Die Ankündigung der Bundesregierung, bis zum 31. August 2020 auf sämtliche Großveranstaltungen in Deutschland zu verzichten, hat viele Schausteller, Festivalbetreiber und Unternehmer, die entsprechende Veranstaltungen planen und durchführen, hart getroffen. So soll unter anderem die Düsseldorfer Rheinkirmes – zumindest in der bekannten Form – ebenso nicht stattfinden wie ein Großteil der Schützenfeste.
„Das Verbot für Großveranstaltungen hat uns wirklich bis ins Mark erschüttert“, sagt Albert Ritter, Präsident des deutschen Schaustellerbundes. Dass so lange keine Großveranstaltungen stattfinden dürfen, hatten die Kirmesleute nicht erwartet. „Wir waren eigentlich ganz guter Dinge, dass man mit entsprechenden Regelungen und Hygienevorschriften einige Veranstaltungen hätte stattfinden lassen können“, so Ritter.
Etwa 5000 Schaustellerbetriebe mit rund 55.000 Mitarbeitern gibt es in Deutschland, fast alle befinden sich fest in Familienhand. „Die Situation ist wirklich nicht einfach“, sagt Ramus. Manche versuchen sich über Wasser zu halten, indem sie Imbissstände vor Baumärkten aufstellen. „Das ist wenigstens etwas. Aber Kredite kann man damit nicht bedienen“, sagt die Schaustellerin. Man nehme ja nicht plötzlich das Doppelte an Geld ein.
Und Darlehen allein würden ohnehin nicht ausreichen, sagt Ritter. „Wir brauchen einen Rettungsschirm der Bundesregierung“, fordert der Präsident des Schaustellerverbands.
Man sei nicht verantwortlich für das Berufsverbot, sondern hätte es vom Staat auferlegt bekommen. „Deshalb muss der Staat uns auch finanziell unterstützen.“ Wie groß der Rettungsschirm sein müsste, kann Ritter noch nicht sagen. „Aber sollten wir keine Hilfe bekommen, droht einem erheblichen Teil der Schausteller die Insolvenz.“Und wohl nicht nur denen. An einer Kirmes hingen schließlich auch viele andere Betriebe – darunter örtliche Bäckereien und Metzgereien, die jeweils Tausende Brötchen und Bratwürste lieferten.
Auch der Festivalsommer fällt in diesem Jahr weitestgehend aus. Deutschlands populärste Open Air-Festivals, Rock am Ring und Rock im Park, sind abgesagt worden. „Für die Veranstalter und ihre Teams, die Künstler und 175.000 Fans, die am ersten Juni-Wochenende 35 Jahre Rock am Ring und 25 Jahre Rock im Park feiern wollten, ist diese alternativlose Entscheidung natürlich enttäuschend“, heißt es in einer Mitteilung. Auch das Parookaville in Weeze sowie viele andere kleinere Festivals und Musikkonzerte wurden abgesagt. Selbst das Oktoberfest
in München steht auf der Kippe. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, dass er sich das Volksfest in diesem Jahr kaum vorstellen könne.
Mancherorts hält man sich mit der Absage einer Veranstaltung noch zurück und will abwarten, wie die NRW-Regierung eine Großveranstaltung genau definiert. Jedes Bundesland muss für sich klären, was man darunter versteht: ob damit schon Versammlungen von 50 Menschen gemeint sind oder Demonstrationen, Konzerte und Sportveranstaltungen mit Tausenden von Teilnehmern.
Dass man sich auf ein gemeinsames Enddatum für das Verbot – 31. August – einigt, war den Ministerpräsidenten auch aus Haftungsgründen wichtig. Fest stehen dürfte aber, dass eine Kirmes mit Zehntausenden Besuchern auf jeden Fall unter Großveranstaltungen zu verbuchen ist. In Düsseldorf gibt es den Vorschlag, die Rheinkirmes in abgespeckter Form auf das Messegelände zu verlegen. Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) will im rechtlichen Rahmen nichts unversucht lassen, um den Schaustellern zu helfen. Auch Freizeitparks dürften unter das Öffnungsverbot fallen. Das Phantasialand in Brühl bleibt zum Beispiel bis auf Weiteres geschlossen.
Die Schausteller arbeiten trotzdem an Konzepten für einen sicheren Jahrmarktbesuch. „Wir haben auch schon angeboten, eng mit den Kommunen und den örtlichen Gesundheitsämtern zu kooperieren“, sagt Ritter. Man könnte etwa Desinfektionsspender aufbauen, die Zahl der Sanitärbereiche verdoppeln und das Personal zur Abstandseinhaltung verpflichten. Sollte es keine Lockerungen und fianzielle Hilfen geben, sehe die Kirmes- und Jahrmarktlandschaft im nächsten Jahr anders aus als vor der Krise – vermutlich wesentlich kleiner und weniger abwechslungsreich.