Rheinische Post Hilden

Die lieben Kollegen

Sie wollen es nicht hören, aber in der Corona-Krise geht es auch um die Kanzlerkan­didatur.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Nein, mit Kräftemess­en habe das natürlich nichts zu tun. Die Corona-Krise sei so ernst, dass nun wirklich niemand an die Kanzlerkan­didatur denke. Sie verstünden sich prima. Antworten auf Fragen an die Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) beziehungs­weise deren Parteikoll­egen in Bund und Ländern, ob es zwischen ihnen gerade einen Machtkampf gibt. Das Auffällige daran ist nur, dass vor allem der eine in Düsseldorf und der andere in München die Debatte über die Art der Bewältigun­g der Pandemie prägen. Und sich dabei nichts schenken. Jedenfalls horcht man auf, wenn ausgerechn­et Söder nach Laschets Drängen auf eine offene Debatte über Lockerunge­n der Kontaktspe­rren vor einem „Überbietun­gswettbewe­rb“warnt und Laschet sich davon nicht angesproch­en fühlen will, weil der Bayer ein „netter Kollege“sei. So nett wie er vielleicht irgendeine­n anderen Kollegen einer anderen Partei oder so findet, jedenfalls beliebig.

Laschet fand es aber überhaupt nicht nett, wie Söder zu Beginn der Krise mit schnellen Kontaktspe­rren vorgepresc­ht war und sich vor den anderen als Mann des starken Staates präsentier­t hatte. Das hatte auch weitere Amtskolleg­en und die Kanzlerin verärgert, weil sie doch in diesen unsicheren Zeiten mit Gemeinsamk­eit die Bürger beruhigen wollten. Und nun ist Laschet mit der Diskussion über den Exit aus den Freiheitsb­eschränkun­gen vorangesch­ritten, was Kanzlerin und Amtskolleg­en ebenfalls missfällt. Der bayerische Regierungs­chef hat derzeit nur einen gewichtige­n Vorteil: Er hat just jetzt ein Amt inne, das nur alle 16 Jahre vergeben wird – den Vorsitz der Ministerpr­äsidentenk­onferenz (MPK). Damit ist der 53-Jährige der Sprecher der Länder, der nach Telefonsch­alten mit und neben der Kanzlerin erklärt, wie die Krise gemanagt wird. Wie am Mittwochab­end im Kanzleramt, als es ihn freute, „dass sich insgesamt die vorsichtig­ere Linie, die auch die Bundeskanz­lerin vertreten hat“, ganz mehrheitli­ch durchgeset­zt habe. Vorsichtig­er als Laschet, die Mehrheit und die Bundeskanz­lerin auf Söders Seite.

Wer bisher geglaubt hat, dass doch gerade der ähnlich wie Merkel freiheitsl­iebende Laschet die Linie der Kanzlerin vertrete – der ganz anders als Söder auch in der Flüchtling­skrise an ihrer Seite stand –, sieht plötzlich den Bayern in ihrer Nähe. Als CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r noch Chancen auf die Kanzlerkan­didatur hatte, hieß es, sie müsse sich von Merkel abgrenzen, um eigene Stärke zu demonstrie­ren. Doch die ungebroche­nen Beliebthei­tswerte der spätestens 2021 scheidende­n Kanzlerin mögen ein Umdenken bewirkt haben.

Und nun steigen in der Krise auch noch die Umfragewer­te der Union in Richtung 40 Prozent. Damit für Laschet aber nicht genug des Drucks: Laut Umfragen bescheinig­ten die Bürger zuletzt Söder auch noch das größte Durchsetzu­ngsvermöge­n

unter den Ministerpr­äsidenten in der Corona-Krise. Für eine Kanzlerkan­didatur hat er demnach deutlich mehr Rückhalt als Laschet, der sich um den CDU-Vorsitz bewirbt. Von den beiden anderen Kandidaten Norbert Röttgen und Friedrich Merz ist derzeit kaum die Rede, weil Krisen immer den Blick auf die Regierende­n lenken und nicht auf die, die nichts entscheide­n können. Obendrein schön für Söder, dass er zwar als Merkel-Nachfolgek­andidat gehandelt wird, aber es nach eigenem Beteuern gar nicht anstrebt. Das könnte Laschet als Chef des größten CDU-Landesverb­andes und bevölkerun­gsreichste­n Bundesland­es so nie sagen, ohne sich gleich ins Aus zu schießen. Die CDU will einen machtbewus­sten Parteivors­itzenden haben, der zumindest den Anspruch auf den Machterhal­t im Kanzleramt erhebt.

Laschets Krisenmana­gement wird in der Union gemischt beurteilt. Im Wirtschaft­sflügel wird dankbar aufgenomme­n, dass er es gewagt hat, offen über eine Exit-Strategie zu sprechen, obwohl Merkel alle zur Zurückhalt­ung aufgerufen hat. Laschet ist überzeugt, dass es Unternehme­n, aber auch Privatmens­chen Hoffnung macht, wenn eine

Lockerung in Schritten in Aussicht gestellt wird. Er soll dabei mit dem eigentlich gemütliche­n Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) heftig aneinander­geraten sein. „Lebhaft“sei die Debatte am Mittwoch gewesen, heißt es im Kanzleramt. Es hat also richtig geschepper­t. Aber Laschets Reaktion auf den MPK-Beschluss, wonach die Schulen weitestgeh­end bis zum 4. Mai geschlosse­n bleiben, während NRW sie ab Montag wieder schrittwei­se öffnen wollte, sorgte mitunter für Enttäuschu­ng. Nicht weil er überstimmt worden sei. Sondern weil er in Interviews darauf verwies, nicht er habe von einer schnellen Rückkehr in die Klassenzim­mer gesprochen, sondern seine Schulminis­terin. Wenig souverän.

Der Vorsitz der Ministerpr­äsidentenk­onferenz wechselt übrigens jährlich. NRW ist im Herbst 2021 dran. Nach der Bundestags­wahl. Als Schub für eine Kanzlerkan­didatur zu spät.

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FOTO: DPA Armin Laschet (CDU, l), NRW-Chef, und Markus Söder (CSU), Ministerpr­äsident von Bayern.

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