Sonnenbaden in Plastikboxen
Italien will nicht auf Strand-Entspannung verzichten und bereitet sich mit ungewöhnlichen Maßnahmen auf die Badesaison vor.
SERRAMAZZONI Noch ist nicht klar, ob Claudio Ferraris Idee der große Renner oder doch eher der Witz des Jahres werden wird. Ferrari ist Inhaber einer Firma in Serramazzoni bei Modena, die Schutzvorrichtungen aus Acrylglas herstellt. Normalerweise bedient Ferrari Banken, Apotheken oder Supermärkte. Nun will der Unternehmer die Badesaison in Italien retten. In Serramazzoni werden nun auch Acryglasboxen produziert, die in Zeiten des Coronavirus die Strandurlauber vor ihren potenziell ansteckenden Nachbarn schützen sollen.
Rund 300 Bestellungen der Boxen sollen bereits erfolgt sein. Nachfragen gab es angeblich sogar aus Frankreich und Spanien. Den naheliegenden Gedanken, dass die an sich schon schwer auszuhaltende Sommerhitze am Strand durch die Plastikabsperrungen noch einmal verstärkt würde, versucht Ferrari sogleich zu entkräften. „Da entsteht ein Aufwind, so dass die heiße Luft nach oben entweicht“, erklärt er. Besonders einladend klingt die Sache nicht. Immerhin, die vier Quadratmeter große Box, in der zwei Liegen Platz haben, verzichtet auf ein Dach.
Italien befindet sich in der Übergangsphase vom Lockdown zu ersten Lockerungen der Sperren. Die Sehnsucht nach Abkühlung und Zerstreuung nach Wochen der Quarantäne ist groß. Italiens Strandanlagen-Betreiber beginnen dieser Tage mit ihren Vorbereitungen für den
Saisonstart im Juni. „Wir werden alle ans Meer fahren können“, versicherte Lorenza Bonaccorsi, Staatssekretärin im für Kultur und Tourismus zuständigen Ministerium. Wie, wann und unter welchen Bedingungen, das ist allerdings die Frage. Alles hängt vom weiteren Verlauf der Epidemie und den noch zu erarbeitenden Vorschriften aus dem Gesundheitsministerium ab.
Unterdessen sprießen Vorschläge und Spekulationen aus dem Meeressand, wie ein Badeurlaub unter Maßgabe des Social Distancing aussehen könnte. Abstände zwischen Strandliegen, aber auch an der Bar oder im Strandrestaurant müssen eingehalten und Schutzmasken getragen werden. Die Rede ist gar von ominösen „Desinfektions-Tunneln“, in denen die Urlauber oder zumindest ihre Füße desinfiziert würden. Auch der Sand solle regelmäßig gereinigt werden, heißt es.
Überlegt wird, ob Bademeister die Funktion sogenannter Stewards übernehmen könnten, die Fragen beantworten und die Einhaltung der Regeln überwachen. Mauro Della Valle, Strandanlagen-Betreiber in Apulien und Vizechef des Strandanlagen-Verbandes Federbalneari, brachte obligatorische Reservierungen für Strandliegen und sogar Bluttests für Strandurlauber ins Spiel. Er sorgt sich vor etwaiger Ansteckungen am Strand und der Haftung, die Anlagenbetreiber dann übernehmen müssten.
Wahrscheinlich ist, dass die Italiener diesen Sommer am Meer
Claudio Ferrari Unternehmer unter sich bleiben werden. „Wir rechnen dieses Jahr vor allem mit Einheimischen“, sagt Della Valle. „Die Strände werden die ersten Orte sein, an denen die Menschen ihr Leben langsam wieder selbst in die Hand nehmen.“Unter welchen Bedingungen ausländische Touristen überhaupt nach Italien reisen dürfen, ist noch unklar. Derzeit gilt für Einreisende eine strenge Quarantäne-Regel von zwei Wochen. Der Verband der Strandanlagenbetreiber rechnet deshalb mit 25 Millionen Gästen weniger in diesem Sommer. Die gesamte Tourismus-Branche fürchtet Einbußen von bis zu 70 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr.
Unklar ist aber auch, wie die Italiener selbst sich fortbewegen werden. Dass es regionale Reisebeschränkungen geben wird, scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Das Tourismusministerium jedenfalls empfiehlt, den Urlaub in der näheren Umgebung und vielleicht ausnahmsweise auf dem Land zu verbringen. So soll das Entstehen neuer Ansteckungsherde verhindert werden.
Angesichts eines Meeresurlaubs in der Acrylbox ist das vielleicht gar keine schlechte Idee.
„Da entsteht ein Aufwind, so dass die heiße Luft nach oben entweicht“