So läuft der Neustart im Handel
Für die Läden, die am Montag wieder öffnen dürfen, gelten strenge Vorschriften. In der Branche treffen die unterschiedlichen Regelungen auf harte Kritik.
DÜSSELDORF (angr/erer/gw/juw/ ki-) Der Einzelhandel in Deutschland geht wieder an den Start – zumindest teilweise. Kleine Geschäfte mit begrenzter Verkaufsfläche dürfen ab Montag wieder öffnen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den Ländern, das gilt in NRW:
Wer darf öffnen?
In der Regel dürfen kleine, inhabergeführte Läden in den Innenstädten und kleine Filialen großer Ketten den Verkauf ihrer Waren wieder starten. Sie haben nur in ganz seltenen Fällen mehr als 800 Quadratmeter Fläche. Verlierer der neuen Regelungen sind beispielsweise die großen Textilketten und Warenhäuser, die weit größere Verkaufsflächen haben und weiter geschlossen bleiben müssen. Ein Sprecher des Schuhhändlers Deichmann sagte: „Wir gehen aktuell davon aus, dass wir ab kommenden Montag einen Teil unserer Geschäfte schrittweise wieder eröffnen können.“Auch Möbelhäuser in NRW dürfen, anders als in anderen Bundesländern, öffnen. „Da geht Nordrhein-Westfalen einen eigenen Weg“, sagte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Donnerstag. Wenn Autohäuser öffnen dürften, gebe es keinen Grund, dass Möbelhäuser das nicht tun sollten. Laumanns Begründung für den Sonderweg: „Wir haben in Nordrhein-Westfalen 35.000 Arbeitsplätze in der Möbelindustrie.“Ein Großteil der Küchen, die in Deutschland verkauft würden, werde in Westfalen hergestellt. Zudem lägen Möbelhäuser wie Autohäuser nicht in den Innenstädten, so dass dort keine Besucherkonzentration zu erwarten sei.
Was gilt in Shopping Malls?
Dort waren bisher schon Lebensmittelgeschäfte und Apotheken geöffnet. Ab Montag dürfen auch die Läden in den Einkaufstempeln wieder verkaufen, die die vorgeschriebenen 800 Quadratmeter nicht überschreiten und übrige Hygieneregeln einhalten. Der Shopping-Mall-Betreiber soll etwa dafür zuständig sein, dass auf den Gemeinschaftsflächen zwischen den einzelnen Ladenlokalen ein Mindestabstand zwischen den Besuchern eingehalten wird.
Können große Geschäfte eine Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern abtrennen und den Rest des Ladens sperren?
Nein. „Das machen wir nicht mit“, sagte Laumann am Donnerstag. Wäre das möglich gewesen, hätten beispielsweise Textilund Warenhäuser einzelne Etagen für den Verkauf öffnen können. Auf eine Lösung für sie hofft man auch in Nordrhein-Westfalen: „Wir appellieren an die Landesregierung, zu prüfen, ob Unternehmen, die die Flächen begrenzen, nicht doch öffnen können“, so Peter Achten, der Präsident des Handelsverbandes NRW.
Was passiert in der Region?
Der Düsseldorfer Fotohändler Thomas Görner will wieder eröffnen, „aber nicht um jeden Preis“. Er habe Acrylglasscheiben für die Kasse, Mund- und Nasenschutz für sich und seine Mitarbeiter sowie Desinfektionsmittel bestellt. In Mönchengladbach wollen viele Händler, in der kommenden Woche wieder loslegen. Buchhändlerin Iris Degenhardt beispielsweise baut eine Hygienestation für Kunden auf, für die
Kasse gibt es eine Acrylscheibe als „Spuckschutz“, Mitarbeiter werden Gesichtsschutzmasken tragen. Das Gladbacher Citymanagement plant im Einvernehmen mit dem städtischen Ordnungsamt Foodtrucks und Essensstände entlang der Einkaufsmeile Hindenburgstraße. In Neuss begrüßte Christoph Napp-Saarbourg, Vorsitzender der Zukunftsinitiative Innenstadt Neuss (ZIN), zwar die Lockerungen, sagt aber auch: „Ich halte die Regeln noch für ziemlich unausgegoren. Es gibt viele offene Fragen.“
Was sagt die Branche?
Schon am Mittwoch nach Verkündung der bundesweiten Einigung hatten der Handelsverband HDE und der Textilhandelsverband BTE Kritik geübt. „In größeren Geschäften sind die Abstandsregeln viel eher einzuhalten als in kleineren Ladenlokalen“, erklärt der NRW-Handelsverband. Sein Präsident Peter Achten spricht von einer „groben Wettbewerbsverzerrung“.
Wer überwacht die Einhaltung der Regeln?
Zuständig sind die Ordnungsund Gesundheitsämter vor Ort im Zusammenwirken mit der Polizei. Sie werden die Einhaltung der Vorschriften vermutlich stichprobenartig kontrollieren und dabei Pläne prüfen, in denen steht, wie viel Quadratmeter Verkaufsfläche vorgesehen sind. Zu der zählen übrigens Lager- und Büroräume in den Geschäften nicht.
Was droht denen, die die Regeln nicht einhalten?
Nicht nur die Schließung der Ladenlokale, sondern unter Umständen auch ein Bußgeld. Bereits in der alten Verordnung des Landesgesundheitsamtes, die nun ergänzt worden ist, war bei Verkaufsverboten ein Bußgeld von 2000 Euro vorgesehen. Das Gleiche galt bislang für die Betreiber von Einkaufszentren, in denen kein Geschäft mit Öffnungserlaubnis vorhanden war.
Gibt es Überlegungen, größere Läden schrittweise freizugeben?
Offiziell noch nicht. Hinter den Kulissen, so heißt es, werde aber verhandelt. Die zu Ceconomy gehörenden Elektronikhändler Media-Markt und Saturn beispielsweise erklärten, sie stünden mit den „politischen Entscheidungsträgern auf Bundes- und Landesebene im Austausch, dass die Vorteile von größeren Verkaufsflächen aus Sicht des Infektionsschutzes stärker berücksichtigt werden“. Unabhängig davon prüfen die Ketten, inwieweit sie Läden mit einer Fläche von höchstens 800 Quadratmeter wieder öffnen.