Die virtuelle Hauptversammlung
Wegen der Corona-Krise verlegen zwölf Dax-Konzerne, darunter Bayer und Eon, ihr Aktionärstreffen ins Internet. Dann gibt es wenigstens die Dividende pünktlich. Zwölf weitere, darunter Henkel und RWE, haben die Treffen verschoben.
AMSTERDAM (rtr) Den Anfang machte am Donnerstag Airbus: In einem Amsterdamer Hotel fand eine nach deutschen Maßstäben bizarre Hauptversammlung statt. Kein Vorstand, kein Aufsichtsrat ist vor Ort, die Versammlung wird von einem Anwalt geleitet – und den Aktionären rät der Vorstand „dringend“davon ab zu kommen. Erscheinen zu viele, laufen sie Gefahr, wieder nach Hause geschickt zu werden. Der Flugzeugbauer Airbus folgt damit den Regeln für Aktionärsversammlungen während der Coronakrise in den Niederlanden. Dass Airbus wegen der Corona-Krise auch schwere Zeiten vor sich hat, spielt dabei keine Rolle.
Auch in Deutschland gelten in diesem Jahr Ausnahmeregeln für die jährlichen Treffen der Aktionäre, um Ansteckungen mit dem gefährlichen Virus zu vermeiden. Schließlich gehört ein großer Teil des üblicherweise älteren Publikums auf Hauptversammlungen (HV ) zur Risikogruppe. Veranstaltungen mit tausenden Besuchern, wie sie zu vielen deutschen Hauptversammlungen kommen, sind derzeit verboten.
Die Unternehmen können die Hauptversammlung ausnahmsweise ins Internet verlegen. Doch die Konzerne im Leitindex Dax sind gespalten: Zwölf der 28 Aktionärstreffen, die in diesem Jahr noch anstehen, sollen „virtuell“stattfinden. Premiere hat das Format am 28. April, wenn die Bayer-Aktionäre sich über das Internet austauschen. Continental glaubt offenbar nicht, dass 2020 überhaupt eine Hauptversammlung mit Aktionären über die Bühne gehen kann. Der Autozulieferer geht auf Nummer sicher und hat eine Online-HV für den Sommer geplant, schließlich will er die Abspaltung der Antriebssparte Vitesco offiziell abnicken lassen.
Zwölf Dax-Konzerne haben ihre
Aktionärstreffen verschoben, ohne einen neuen Termin zu nennen. Zeit dafür hätten sie bis zum Jahresende 2020. Die Frist von acht Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres ist für deutsche Aktiengesellschaften gesetzlich ausgesetzt. Als Europa-AG (SE) firmierende Unternehmen müssen die dagegen weiter bis Ende Juni einladen. Der Wohnungskonzern Vonovia hat seine Hauptversammlung deshalb auf den 30. Juni terminiert, bisher als Präsenzveranstaltung. Auch Daimler hält eine „Live“-Hauptversammlung Anfang Juli für möglich.
Für die Aktionäre bedeutet die Verschiebung: Sie müssen auf die Dividende, sofern eine ausgeschüttet wird, länger warten. Viele Unternehmen nennen das als Grund für die Einberufung einer Online-HV. Abschlagszahlungen auf die Dividende wären zwar nach dem Ende März verabschiedeten Covid-19-Notfallgesetz möglich. Doch dafür müsste das ausschüttungswillige Unternehmen
nach den Vorschriften des deutschen Handelsgesetzbuchs (HGB) einen Gewinn ausgewiesen haben. Bei Daimler scheitert es genau daran.
Bei der virtuellen Hauptversammlung ist vieles Neuland, auch für die Unternehmen selbst. Das Gesetz schreibt vor, dass die Veranstaltung im Internet komplett übertragen wird, also nicht wie üblich nur die Vorstandsreden. Doch bei den meisten Firmen dürfen danach nur noch angemeldete Aktionäre zusehen und -hören. Offen ist auch, wie mit den Redebeiträgen der Aktionäre umzugehen ist, die diesmal in der Regel vorab eingereicht werden. Müssen die Fragen, die oft eher ausufernde Kommentare zur Geschäftsentwicklung sind, vom Vorstand vollständig vorgelesen werden, wenn der Aktionär nicht anwesend sein kann? Die Reden des Vorstands und des Aufsichtsrats werden bei der Deutschen Bank jedenfalls schon acht Tage vor dem HV-Termin veröffentlicht.