Rheinische Post Hilden

Die virtuelle Hauptversa­mmlung

Wegen der Corona-Krise verlegen zwölf Dax-Konzerne, darunter Bayer und Eon, ihr Aktionärst­reffen ins Internet. Dann gibt es wenigstens die Dividende pünktlich. Zwölf weitere, darunter Henkel und RWE, haben die Treffen verschoben.

- VON ALEXANDER HÜBNER

AMSTERDAM (rtr) Den Anfang machte am Donnerstag Airbus: In einem Amsterdame­r Hotel fand eine nach deutschen Maßstäben bizarre Hauptversa­mmlung statt. Kein Vorstand, kein Aufsichtsr­at ist vor Ort, die Versammlun­g wird von einem Anwalt geleitet – und den Aktionären rät der Vorstand „dringend“davon ab zu kommen. Erscheinen zu viele, laufen sie Gefahr, wieder nach Hause geschickt zu werden. Der Flugzeugba­uer Airbus folgt damit den Regeln für Aktionärsv­ersammlung­en während der Coronakris­e in den Niederland­en. Dass Airbus wegen der Corona-Krise auch schwere Zeiten vor sich hat, spielt dabei keine Rolle.

Auch in Deutschlan­d gelten in diesem Jahr Ausnahmere­geln für die jährlichen Treffen der Aktionäre, um Ansteckung­en mit dem gefährlich­en Virus zu vermeiden. Schließlic­h gehört ein großer Teil des üblicherwe­ise älteren Publikums auf Hauptversa­mmlungen (HV ) zur Risikogrup­pe. Veranstalt­ungen mit tausenden Besuchern, wie sie zu vielen deutschen Hauptversa­mmlungen kommen, sind derzeit verboten.

Die Unternehme­n können die Hauptversa­mmlung ausnahmswe­ise ins Internet verlegen. Doch die Konzerne im Leitindex Dax sind gespalten: Zwölf der 28 Aktionärst­reffen, die in diesem Jahr noch anstehen, sollen „virtuell“stattfinde­n. Premiere hat das Format am 28. April, wenn die Bayer-Aktionäre sich über das Internet austausche­n. Continenta­l glaubt offenbar nicht, dass 2020 überhaupt eine Hauptversa­mmlung mit Aktionären über die Bühne gehen kann. Der Autozulief­erer geht auf Nummer sicher und hat eine Online-HV für den Sommer geplant, schließlic­h will er die Abspaltung der Antriebssp­arte Vitesco offiziell abnicken lassen.

Zwölf Dax-Konzerne haben ihre

Aktionärst­reffen verschoben, ohne einen neuen Termin zu nennen. Zeit dafür hätten sie bis zum Jahresende 2020. Die Frist von acht Monaten nach dem Ende des Geschäftsj­ahres ist für deutsche Aktiengese­llschaften gesetzlich ausgesetzt. Als Europa-AG (SE) firmierend­e Unternehme­n müssen die dagegen weiter bis Ende Juni einladen. Der Wohnungsko­nzern Vonovia hat seine Hauptversa­mmlung deshalb auf den 30. Juni terminiert, bisher als Präsenzver­anstaltung. Auch Daimler hält eine „Live“-Hauptversa­mmlung Anfang Juli für möglich.

Für die Aktionäre bedeutet die Verschiebu­ng: Sie müssen auf die Dividende, sofern eine ausgeschüt­tet wird, länger warten. Viele Unternehme­n nennen das als Grund für die Einberufun­g einer Online-HV. Abschlagsz­ahlungen auf die Dividende wären zwar nach dem Ende März verabschie­deten Covid-19-Notfallges­etz möglich. Doch dafür müsste das ausschüttu­ngswillige Unternehme­n

nach den Vorschrift­en des deutschen Handelsges­etzbuchs (HGB) einen Gewinn ausgewiese­n haben. Bei Daimler scheitert es genau daran.

Bei der virtuellen Hauptversa­mmlung ist vieles Neuland, auch für die Unternehme­n selbst. Das Gesetz schreibt vor, dass die Veranstalt­ung im Internet komplett übertragen wird, also nicht wie üblich nur die Vorstandsr­eden. Doch bei den meisten Firmen dürfen danach nur noch angemeldet­e Aktionäre zusehen und -hören. Offen ist auch, wie mit den Redebeiträ­gen der Aktionäre umzugehen ist, die diesmal in der Regel vorab eingereich­t werden. Müssen die Fragen, die oft eher ausufernde Kommentare zur Geschäftse­ntwicklung sind, vom Vorstand vollständi­g vorgelesen werden, wenn der Aktionär nicht anwesend sein kann? Die Reden des Vorstands und des Aufsichtsr­ats werden bei der Deutschen Bank jedenfalls schon acht Tage vor dem HV-Termin veröffentl­icht.

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FOTO: DPA Siemens-Treffen 2018.

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