Die Ewigen
Die Klub-Urgesteine Tony Jantschke, Thomas Müller, Philipp Bargfrede und Lars Bender stärken die Bindung zu den Fans.
DÜSSELDORF Im Jahr 2000 gurkte sich die deutsche Nationalmannschaft auf dem Höhepunkt des sprichwörtlichen Rumpelfußballs in der Vorrunde mit einem schlappen Törchen aus der Europameisterschaft. Bayern München schickte sich an, am Ende der Saison die Champions League zu gewinnen und zum Leidwesen der Schalker Meister der Herzen auch den Titel in der Bundesliga. Und in der D-Jugend der Münchner lief ab dieser Spielzeit ein schlaksiges Kerlchen aus dem oberbayerischen Weilheim auf. Das Kerlchen war Thomas Müller.
Vor Ostern hat der immer noch schlaksige, inzwischen aber 1,86 Meter große Kerl seinen Vertrag für die Profimannschaft bis 2023 verlängert. Der ewige Müller bleibt das Stück Bayern in der Fußballfirma FCB, das Stück Heimat für die Fans. Er ist das Bindemittel zwischen Kurve und Profiteam. Vor ihm waren das Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm. Sie verorteten den Klub als landsmannschaftliche Größe. Und sie standen für das große Wort Treue in einer Zeit, die vom beständigen Wechsel eben auch der Vereine bestimmt ist.
Die Corona-Krise hat viele Sicherheiten von heute auf morgen aufgelöst, deshalb ist die natürlich abstrakte Form von Zusammengehörigkeit mit den Fans ein wichtiger Halt. Für alle übrigens. Auch die Klubs haben auf diese Weise ein Gesicht, und sie sind froh über die Identifikationsfiguren, die Nähe vermarktbar machen.
Verträge vergeben sie dennoch nicht, indem sie die Anzahl der Jahre im Verein zum Maßstab erklären. Das hat ein anderer Ewiger nüchtern erkannt. Tony Jantschke, der mit 16 Jahren zu Borussia Mönchengladbach in die Jugendabteilung kam, sagt: „Loyalität und Vereinstreue sind ja keine Einbahnstraßen. Es ist schwierig zu bleiben, wenn man nicht bereit ist, auch mal eine Nebenrolle einzunehmen.“Jantschke hat diese Bereitschaft gezeigt. Er stand gelegentlich sogar in der dritten Reihe, doch die Fans haben ihm trotzdem das Adelsprädikat „Fußballgott“verliehen.
Ob Thomas Müller auf Dauer mit einer Nebenrolle als Vereinsmaskottchen
RATINGEN (ame) Die Beschlüsse der Bundesregierung, aufgrund der Coronavirus-Pandemie bis mindestens 31. August alle Großveranstaltungen zu untersagen, haben auch Auswirkungen auf das Mehrkampf-Meeting des TV Ratingen: Ursprünglich sollten die Zehnkämpfer und Siebenkämpferinnen am Wochenende 20./21. Juni antreten, nun muss die 24. Auflage der Traditionsveranstaltung in diesem Jahr abgesagt werden. „Es gibt keine Alternative mehr“, sagt Marion Weißhoff-Günther, die Vorsitzende des TV Ratingen. „Im September hätten wir keine Zwei-Tages-Veranstaltung mehr machen können, weil das Meeting ja auch in den Leichtathletik-Weltkalender passen muss – und da wird es jetzt schon sehr eng.“Im Vorjahr hatten rund 6000 Besucher an beiden Tagen den Sieg von Kai Kazmirek gesehen mit dem er sich für die WM in Doha qualifizierte. In diesem Jahr wäre es um die Tickets für die Olympischen Spiele in Tokio gegangen – da diese aber auf 2021 verschoben wurden, kann es darum auch im nächsten Jahr in Ratingen gehen.
mit passender Mundart und Mutterwitz parallel zur sportlichen Bedeutungslosigkeit als einer von vielen klarkommen würde, ist eher unwahrscheinlich. Es grummelte ordentlich, bis Hansi Flick Müller wieder zum Stammspieler machte. Er kann in München werden, was Francesco Totti bei AS Rom und Paolo Maldini bei AC Mailand waren – Ikonen, ohne die der Verein gar nicht gedacht werden kann.
Fußballgott Jantschke geht viel bescheidener an die Sache heran. Er macht sich keine Illusionen über das Leistungsprinzip in der Fußballgesellschaft, das auch den treuesten Spieler irgendwann vor die Wahl stellen kann: Wechsel oder Karriere-Ende. Aber bei ihm würde es dauern, bis er selbst den Schritt weg von Borussia Mönchengladbach ginge. Über die Beziehung zu den Fans sagt er: „Das wegzuwerfen, würde mir sehr schwer fallen.“
So etwas würde Müller auch versichern – glaubwürdig. Er wohnt allerdings eine Etage höher bei den schillernden Wesen der Fußballwelt, die ohne das große Scheinwerferlicht so schlecht leben können. Selbst einer wie er, der mit dem Reiterhof in Otterfing südlich von München und der Familie ganz in der Nähe so fest mit Bayern verbunden scheint wie die Zwiebeltürme der Dorfkirchen, würde in die weite Welt hinausziehen, wenn beim Verein auf Sicht die Ersatzbank droht.
Die Vereinstreue hat eben ihre Bedingungen. Da sind die 2020er Jahre ein bisschen anders als die goldenen Gründerzeiten der Bundesliga. Uwe Seeler widerstand dem Liebeswerben der Italiener und blieb ein Fußballleben lang beim Hamburger
Sportverein. Die Mönchengladbacher Verteidiger-Legende Berti Vogts spielte ihre gesamte Profilaufbahn bei der niederrheinischen Borussia. Selbst den großen Franz Beckenbauer trieben erst das neugierige Finanzamt und nachlassende Form nach 18 Jahren bei den Bayern zu Cosmos New York. Das ist längst anders. Und man muss sich schon ein bisschen umschauen, um die Vereinstreuen zu finden. Aber es gibt sie. Lars Bender in Leverkusen zum Beispiel, der einmal in seinem Leben wechselte, von München 60 unters Bayer-Kreuz. Oder Philipp Bargfrede, der 2004 als Jugendspieler zu Werder Bremen kam. Oder Niko Bungert, der seit zwölf Jahren für Mainz 05 spielt. Sie bilden das Verlässliche in ihren Vereinen ab.
Vielleicht bekommt die Vereinstreue in naher Zukunft wieder eine größere Bedeutung. Es ist ja sicher, dass die Corona-Krise das Transferwesen im Fußball verändern wird. Vielen Klubs wird schlicht das Geld fürs Wettbieten um Spieler ausgehen. Doch auch in dieser Hinsicht wird die Vereinstreue im Berufssport eine Angelegenheit von Angebot und Nachfrage bleiben.
Das Verhältnis zwischen Anhängern und Fußballmannschaften kann sich dennoch verändern. Viele Klubs werden in der Nachwirkung der Corona-Krise auf jene Athleten setzen müssen, die sie selbst herangezogen haben. Und über die urteilt der Fachmann Jantschke: „Was immer gut ankommt, sind Spieler, die im Verein ausgebildet werden.“Solche wie er, wie Müller oder wie Bargfrede. Möglicherweise werden es bald ein paar mehr. Schlimm wäre das jedenfalls nicht.
Mehrkampf-Meeting in Ratingen fällt dieses Jahr aus