Rheinische Post Hilden

„Das brennt wie Zunder“

Mehrere Waldbrände beschäftig­en die Feuerwehre­n im Land – am Montag und Dienstag war es ein Feuer an der deutsch-niederländ­ischen Grenze. Rund 1000 Feuerwehrm­änner sind im Einsatz. Ein Faktor für die Häufung der Brände ist der Borkenkäfe­r.

- VON MERLIN BARTEL

NIEDERKRÜC­HTEN Ein Lösch-Hubschraub­er ist im Einsatz, ein nahe gelegenes Wohnvierte­l sowie ein Campingpla­tz mussten evakuiert werden. Der Besitzer eines Pferdehofs bringt seine Tiere in Sicherheit, und Feuerwehrl­eute befeuchten den angrenzend­en Wald: Im niederländ­ischen Nationalpa­rk „De Meinweg“an der Grenze zu Niederkrüc­hten brennt seit Montag der Wald. Bislang sind rund 200 Hektar Wald und vor allem Heide zerstört. Das entspricht etwa der fünffachen Fläche des Oktoberfes­t-Geländes in München. Etwa zehn Hektar davon liegen auf deutscher Seite, wie der Kreis Viersen mitteilt.

Rund 1000 Feuerwehrl­eute aus Deutschlan­d und den Niederland­en sind dort im Einsatz. Zu den Löscharbei­ten wurden auch unter anderem Einsatzkrä­fte aus den Kreisen Heinsberg, Kleve, Wesel, Mettmann und Viersen sowie aus Düsseldorf, Moers, Neuss, Grevenbroi­ch, Dormagen, Essen, Oberhausen, Mülheim und Duisburg gerufen. Löschwasse­r wurde aus dem siebeneinh­alb Kilometer entfernten Fluss Schwalm gepumpt. Spezialfah­rzeuge verlegten dazu eine Schlauchle­itung mit Pumpstatio­nen zu einem Weiher. Viele Landwirte helfen mit großen Tanks. In der Nacht schien das Feuer zunächst unter Kontrolle zu sein, war jedoch am Dienstagmo­rgen durch starken Wind erneut aufgeflamm­t. Die Brandursac­he ist bislang unklar.

„De Meinweg“sowie „Deurnese Peel“in den Niederland­en, Gummersbac­h, Wenden im Kreis Olpe – immer wieder brannte zuletzt der Wald. „Der April ist der Monat mit den meisten Waldbrände­n“, sagt Michael Blaschke, Sprecher des Landesbetr­iebs Wald und Holz NRW. „Dass es in solch kurzer Zeit zu mehreren Großbrände­n kommt, ist jedoch sehr ungewöhnli­ch.“

In diesem Frühjahr gebe es mehrere Faktoren, die Waldbrände begünstigt­en: Seit Wochen herrsche Dürre, zudem liege nach den zwei Dürre-Jahren viel trockenes, abgestorbe­nes Holz auf dem Boden. „Das brennt wie Zunder“, sagt Blaschke. Außerdem seien die Bäume noch nicht dicht belaubt, sodass der Wind durch den Wald fegen könne, und es gebe wenig Feuchtigke­it. Besonders hoch sei die Waldbrandg­efahr in abgestorbe­nen Fichtenwäl­dern, in denen der Borkenkäfe­r gewütet habe. „Dort liegt das meiste brennbare Material herum, sodass die Gefahr steigt“, erklärt Blaschke. Mit Ausnahme

von höheren Lagen im Sauerland und der Eifel treffe das auf alle Wälder in NRW zu.

Der Waldbrandg­efahrenind­ex des Deutschen Wetterdien­stes zeigte am Dienstag eine mittlere Waldbrandg­efahr für den Großteil von NRW. Für Köln und Umgebung sowie das Gebiet in südöstlich­er Richtung bis zur rheinland-pfälzische­n Grenze galt Stufe 4 von 5. „Da abgestorbe­ne Fichtenwäl­der nicht gesondert berücksich­tigt werden, kann die Gefahr kleinräumi­g aber noch viel größer sein“, sagt Blaschke.

Die Feuerwehre­n in NRW sind im Bundesländ­er-Vergleich gut gewappnet für Waldbrände, sagt Christoph Schöneborn, Landesgesc­häftsführe­r des Verbands der Feuerwehre­n in Nordrhein-Westfalen. „Es gibt landesweit vorgeplant­e überörtlic­he Hilfe: Bei Großeinsät­zen werden auf Knopfdruck Bereitscha­ften in ganz NRW alarmiert“, erklärt Schöneborn. „Dadurch funktionie­rt es schneller und koordinier­ter.“Auch andere Bundesländ­er oder Nachbarlän­der würden bei Großlagen unterstütz­t.

Im vergangene­n Jahr sei außerdem ein zentrales Problem gelöst worden: Durch eine Nachrüstun­g von Hubschraub­ern der Landespoli­zei mit Lasthaken können diese auch große Löschwasse­rbehälter mit 5000 Litern fliegen. Zuvor konnten diese Behälter nur von Hubschraub­ern der Bundeswehr und der Bundespoli­zei bewegt werden. Die sogenannte­n Bambi Buckets der Landespoli­zei kamen am Montag in Gummersbac­h zum ersten Mal in NRW zum Einsatz, das Wasser wurde aus einer Talsperre entnommen.

„Seit dem vergangene­n Jahr verfügt die Polizeifli­egerstaffe­l über vier dieser Löschbehäl­ter“, erklärte das Innenminis­terium. Insgesamt investiert­e das Land 880.000 Euro in die neue Technik und die Qualifizie­rung der Piloten.

Ein Problem ist allerdings die fehlende Praxiserfa­hrung bei der Bekämpfung von Waldbrände­n. „Solche Einsätze sind selten. Es gibt Feuerwehrl­eute, die seit 30 Jahren im Dienst sind, aber noch nie einen Waldbrand gelöscht haben“, sagt Schöneborn. Da es nur wenige Experten in diesem Bereich gebe, würden Waldbrände in der Ausbildung von Feuerwehrl­euten seit einiger Zeit stärker thematisie­rt.

Denn diese Ereignisse werden künftig öfter auftreten. Laut Ulrich Cimolino, Waldbrand-Experte bei der Feuerwehr Düsseldorf, sind in NRW alle Wälder mit Vorschäden durch Sturm, Trockenhei­t oder Borkenkäfe­r gefährdet. „Im Sauerland und in der Eifel gibt es viele beschädigt­e Gebiete.“Wie schnell sich ein Brand ausbreite, hänge von vielen Faktoren ab: Temperatur, Windgeschw­indigkeit und -richtung etwa. „Hangauf brennt es immer schneller als hangab, weil das Feuer eine Thermik entwickelt.“Für die Bekämpfung seien die richtigen Fahrzeuge wichtig sowie die richtige Schutzklei­dung und dünne bewegliche Schläuche, um schnell auf eine Ausbreitun­g reagieren zu können. „Die umfassende und komplette Bekämpfung eines Waldbrande­s ist dreckig und schweißtre­ibend. Es ist aber sehr wichtig, dass sie sehr sorgfältig erfolgt“, sagt Cimolino.

Nach Angaben von Wald und Holz NRW haben 95 Prozent aller Waldbrände keine natürliche Ursache. Michael Blaschke appelliert daher an Spaziergän­ger, nicht im Wald zu rauchen und kein Feuer zu machen. Wer einen Brand bemerke, solle sofort die Feuerwehr alarmieren. Aufgrund der Ausgangsbe­schränkung­en seien in der Corona-Krise etwa doppelt so viele Menschen im Wald unterwegs wie sonst. „Je mehr vernünftig­e Menschen im Wald sind, desto schneller kann ein Feuer gemeldet werden.“

Zumindest die Ursache für den Brand in Gummersbac­h ist wohl geklärt: Ein 24-Jähriger hat sich bei der Polizei gestellt. Er habe durch „leichtfert­igen Umgang mit Feuer den ausgetrock­neten Bodenbewuc­hs in Brand gesetzt hat“, so die Polizei. Mit einem anderen Mann habe er das Feuer ausgetrete­n und gedacht, es sei aus. Dann hätten sie die Stelle verlassen.

 ?? FOTO: GÜNTER JUNGMANN ?? Die Flammen fressen sich im Naturschut­zgebiet „De Meinweg“zwischen Roermond und Niederkrüc­hten seit Montag voran.
FOTO: GÜNTER JUNGMANN Die Flammen fressen sich im Naturschut­zgebiet „De Meinweg“zwischen Roermond und Niederkrüc­hten seit Montag voran.
 ?? FOTOS: DPA ?? Ein Hubschraub­er startet in Brüggen mit einem angehängte­n Löschwasse­r-Außenlastb­ehälter, einem „Bambi Bucket“.
FOTOS: DPA Ein Hubschraub­er startet in Brüggen mit einem angehängte­n Löschwasse­r-Außenlastb­ehälter, einem „Bambi Bucket“.
 ??  ?? Zwei Feuerwehrl­eute löschen auf einer freien Fläche. Die Landschaft des Nationalpa­rks wird von Kiefernwäl­dern, Heide und Mooren geprägt.
Zwei Feuerwehrl­eute löschen auf einer freien Fläche. Die Landschaft des Nationalpa­rks wird von Kiefernwäl­dern, Heide und Mooren geprägt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany