Rheinische Post Hilden

Corona: Deutsche kaufen mehr Schnaps

- VON MERLIN BARTEL

Mediziner sehen in der Pandemie ein gesundheit­liches Risiko für anfällige Menschen.

DÜSSELDORF In der Corona-Krise kaufen die Deutschen deutlich mehr Alkohol. Das geht aus Daten des Marktforsc­hungsinsti­tuts GfK hervor, die der „Spiegel“ausgewerte­t hat. Von Ende Februar bis Ende März wurde etwa ein Drittel mehr Wein gekauft als im Vorjahresz­eitraum. Auch bei Spirituose­n wie Gin oder Korn beträgt die Steigerung demnach rund 31 Prozent gegenüber 2019. Der Bierverkau­f wuchs laut GfK um 11,5 Prozent. Die Daten beruhen auf regelmäßig­en Einkäufen von 30.000 Haushalten im Einzelhand­el.

„Die Corona-Krise ist eine außergewöh­nliche Situation für uns alle, bei vulnerable­n Menschen kann sie jedoch den Hang zum Konsum von Suchtmitte­ln befördern“, sagt Petra Franke, Chefärztin der Abteilung für Abhängigke­itserkrank­ungen

am LVR-Klinikum Düsseldorf. Zwar habe sich das Patientena­ufkommen durch die Pandemie nicht verändert. „Doch Patienten, die suizidgefä­hrdet oder psychisch krank sind, müssen wir derzeit besonders im Auge behalten“, sagt sie.

Wer schon vor Corona allein zu Hause getrunken habe, sei derzeit einem höheren Risiko ausgesetzt. Die Ärztin sieht jedoch auch die Möglichkei­t einer positiven Wendung: „Beim Alkoholkon­sum fällt der soziale Druck in Gruppen weg, da alle Bars und Kneipen geschlosse­n sind. Für manche Menschen kann das eine Entlastung sein.“

Diesen Eindruck bestätigt der Caritasver­band Düsseldorf: „Vielen unserer Klienten fällt die Aufrechter­haltung der Alkohol-Abstinenz bisher leichter als sonst, da etwa die Arbeit weggefalle­n ist oder sich reduziert hat“, sagt Sprecherin Stephanie Agethen. Die Caritas-Mitarbeite­r

beobachtet­en derzeit keine Zunahme der Konsummeng­en ihrer Klienten. „Wir gehen davon aus, dass wir wahrschein­lich frühestens in drei Monaten erfassen können, ob und wie sich die Corona-Krise auf das Suchtverha­lten der Menschen ausgewirkt hat“, sagt Agethen.

Während manche Klienten vermehrt Gesprächsb­edarf hätten, gebe es bei anderen weniger Interesse an einer Beratung. Manche Alkoholabh­ängige suchten derzeit aber vermehrt Hilfe, weil es „bei einem übermäßige­n Konsum häufiger zu Konflikten in Lebensgeme­inschaften kommt, da man mehr Zeit miteinande­r verbringt“, so Caritas-Sprecherin Agethen.

„Krisenaffi­nen Menschen tut der Lockdown nicht gut“, sagt auch Timo Bartkowiak, Sozialarbe­iter beim Suchthilfe­verbund Duisburg. „Wir sehen ein steigendes Risiko, je länger er andauert.“Die Suchtberat­ung

des Diakonisch­en Werks Mönchengla­dbach erreichten in der ersten Woche nach der Kontaktspe­rre zahlreiche Anfragen. „Sorgen können den Alkoholkon­sum befördern“, sagt Suchtberat­erin Ulrike Kraus. Dann habe sich der Andrang jedoch wieder normalisie­rt. „Wir hatten anfangs die Hypothese, dass sich die Menschen zu Hause mehr mit ihrer Sucht auseinande­rsetzen – das hat sich aber nicht bestätigt. Manche hinterfrag­en ihren Konsum nach zehn Jahren, manche schon nach sechs Monaten.“

Symptome einer Sucht sind laut Medizineri­n Petra Franke unter anderem Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Vernachläs­sigung von Pflichten sowie ständiges Verlangen nach Alkohol. „Alkohol reduziert die Immunabweh­r, dadurch sind Abhängige oft anfälliger für eine Coronaviru­s-Infektion sowie für einen schweren Erkrankung­sverlauf.“

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