Rheinische Post Hilden

Warum der Ölpreis unter null stürzte

Der Markt ist mit Rohöl geflutet, die Nachfrage eingebroch­en. Bei Termingesc­häften in den USA hat es jetzt erstmals einen negativen Preis gegeben. Verkäufer legten also drauf, um das Öl loszuwerde­n. Was bedeutet das fürs Tanken?

- VON CHRISTIAN KANDZORRA UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Negative Preise kannten wir bisher bei den Zinsen. Jetzt erleben wir das Phänomen an anderer Stelle wieder – am Ölmarkt. Ein Fass der wichtigste­n amerikanis­chen Sorte West Texas Intermedia­te (WTI) kostete am Montagaben­d minus 37,63 Dollar. Binnen Stunden verlor der wichtigste Treibstoff für die internatio­nale Industriep­roduktion seinen Wert. Verkäufer legten noch Geld drauf, um das Öl loszuwerde­n. Verkehrte Welt.

Was ist die Ursache für den Preissturz?

Der Preis, der ins Minus rutschte, galt nur für ein im Mai fälliges Termingesc­häft. Ähnliche Deals, die erst in den Monaten danach auslaufen, haben noch positive Preise. Setzt sich der Abschwung fort, könnte das Phänomen der Unter-null-Preise öfter zu beobachten sein. Das Problem dahinter: Käufer solcher Terminkont­rakte, hinter denen kein echtes Öl, sondern ein Wertpapier steckt, haben oft gar kein Interesse an dem Rohstoff, sondern wollen es weiterverk­aufen und daran verdienen. Das ist aber schwierig, wenn in Zeiten des weltweiten Abschwungs und einer drohenden globalen Rezession niemand mehr Öl kauft und alle ihre Lager voll haben. Auch Raffinerie­n wollen das Öl nicht zur Weitervera­rbeitung, weil sie es selbst nicht verkaufen können. Folge: Man muss beim Termingesc­häft als Verkäufer mit dem Preis so weit herunterge­hen, bis man einen Abnehmer findet.

Hilft die Drosselung der Opec nicht?

Nein. Nicht mal die vor zwei Wochen gemeinsam getroffene Entscheidu­ng der Organisati­on erdölexpor­tierender Länder (Opec) und anderer Ölproduzen­ten, die Produktion deutlich herunterzu­fahren, hat das verhindern können. Die Nachfrage fällt schneller, als die Opec mit dem Drosseln nachkommen kann. Und einige aus dem Kartell wie Saudi-Arabien scheren mit extremen Preisrabat­ten aus der selbst verordnete­n Produktion­szurückhal­tung aus. Der Preiskrieg verschärft die Problemati­k. Dabei mischt auch Russland mit.

Was heißt das für Deutschlan­d?

Bevor hierzuland­e Autofahrer oder mit Ölheizung ausgestatt­ete Eigenheim-Besitzer auf die Idee kommen, sie könnten Super-Benzin, Diesel und Öl bald geschenkt bekommen: Für den europäisch­en Markt ist die Entwicklun­g beim WTI nicht relevant. In Europa ist die Nordsee-Sorte Brent mitentsche­idend für die Preisentwi­cklung an Tankstelle­n. An den eh schon niedrigen Preisen an deutschen Zapfsäulen wird sich durch die Entwicklun­g in Nordamerik­a nichts verändern.

Warum ist Sprit zurzeit überhaupt so billig?

Noch vor einigen Wochen hätte wohl kaum jemand damit gerechnet, dass im April 2020 Tanken plötzlich wieder Spaß machen könnte. Preise von im Schnitt gerade einmal 1,19 Euro für einen Liter Super-Benzin und 1,09 Euro für einen Liter Diesel lassen den fälligen Betrag beim Tanken nur langsam steigen. Laut ADAC konnten die Deutschen zuletzt 2009 so billig Benzin tanken; Diesel war zuletzt 2016 so günstig. Die niedrigen Preise sind eine Folge des eingebroch­enen Ölpreises. Zu Jahresbegi­nn lag der Preis der Sorte Brent bei 70 Dollar pro Fass, nun sind es 20 Dollar. Der Grund ist der Angebotsüb­erhang. Das liegt nicht ausschließ­lich an der Pandemie. Schon vor Corona gab es ein Überangebo­t, so der Mineralölw­irtschafts­verband.

Wie wirkt sich das auf die Tankstelle­n aus?

Das Nachfrage-Tief trifft die Tankstelle­n mit voller Wucht. Gerd Zschoche, der in Düsseldorf eine Aral-Station betreibt, verkauft an normalen Tagen 15.000 Liter Kraftstoff. „Seit Corona sind es nur noch 3000 Liter“, sagt er. Mehr Arbeitnehm­er im Homeoffice bedeuten weniger Autofahrer – und damit weniger Kunden für seine Tankstelle. Auch auf seiner Anzeigetaf­el purzeln die Preise. Die Krise stellt Tankstelle­n-Betreiber wie so viele Unternehme­r wegen geringerer Umsätze vor eine Herausford­erung. Tankstelle­n gelten jedoch als systemrele­vant – fast alle der 14.500 Stationen in Deutschlan­d haben geöffnet.

Sinken die Preise weiter?

Die Preise für Benzin und Diesel sind seit Jahresbegi­nn

um durchschni­ttlich 30 Cent gesunken. Die Nachfrage sei um etwa 30 Millionen Barrel pro Tag gesunken, sagt der Sprecher des Mineralölw­irtschafts­verbandes. Auch er bezweifelt, dass die Drosselung um 9,7 Millionen Barrel (rund zehn Prozent der Gesamt-Fördermeng­e) die Preise stabilisie­ren kann. Beobachter wie die Energie-Expertin Christina Wallraf von der Verbrauche­rzentrale NRW sehen den Weltmarkt geradezu mit Rohöl überschwem­mt. Die Lagerbestä­nde seien hoch, sagt Wallraf: „Die Kürzungen bei der Förderung sind daher nicht nur zu niedrig. Sie kommen auch zu spät.“Wallraf geht davon aus, dass die Spritpreis­e noch über Wochen niedrig bleiben.

Wann ist die beste Zeit zum Tanken?

Die Preise an Tankstelle­n variieren je nach Tageszeit. Mit Hilfe von kostenfrei­en Spritpreis-Apps können Autofahrer Preis-Daten vergleiche­n. „Ab 18 Uhr sind die Preise in der Regel am günstigste­n, vormittags ist es teuer“, sagt Expertin Christina Wallraf.

Sollte man Sprit auf Vorrat kaufen?

Der ADAC rät davon ab, sich einen Kraftstoff-Vorrat anzulegen – schon aus Gründen der Sicherheit. „Mehr als zehn Liter sollte man nicht an Bord haben“, sagt eine ADAC-Sprecherin. In Privatfahr­zeugen dürfe ein Reservekan­ister maximal 60 Liter Sprit fassen und müsse dicht, fest verschließ­bar und bruchsiche­r sein. Auch für die Lagerung in Garagen gibt es Regeln. Laut Verbrauche­rzentrale NRW sind die Lagerung von 20 Liter Benzin und 200 Liter Diesel erlaubt.

Was ist mit Heizöl?

Auch das ist bereits günstig. Eine Umfrage des Energie-Informatio­nsdienstes unter Heizöl-Lieferante­n in 15 deutschen Städten hat ergeben: Bei einer Abnahme von 1000 Litern Heizöl kosten 100 Liter im Schnitt 57,10 Euro, also rund 57 Cent pro Liter. Im Januar hatte der Preis noch bei rund 70 Cent gelegen.

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