Rheinische Post Hilden

Wie Kulturbetr­iebe nach der Krise weitermach­en wollen

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Die meisten Kulturbetr­iebe bleiben trotz erster Lockerunge­n in der Corona-Krise weiterhin geschlosse­n. Die Landesregi­erung NRW hat sie der Kategorie Amüsierbet­riebe untergeord­net, dort stecken sie nun fest zwischen Bar und Bordell, was René Heinersdor­ff, Präsidiums­mitglied des Deutschen Bühnenvere­ins und Leiter des Theaters an der Kö, besonders missfällt. Ebenso wie seine Kollegen denkt er darüber nach, was zu tun ist, wenn der Tag X kommt – also Theater, Opernhäuse­r, Kinos und Kabarettbü­hnen ihren Betrieb wieder hochfahren dürfen. Maskenpfli­cht? Eher nicht, sagt Heinersdor­ff. Den Sommer durchspiel­en? Auf jeden Fall, sagt Kom(m)ödchen-Chef Kay Lorentz. Die Vorfreude hält sich insgesamt jedoch in Grenzen, da strenge Vorgaben erwartet werden. So sehen es die einzelnen Direktoren:

Kom(m)ödchen Nicht infrage kommt für Kay Lorentz eine Öffnung mit reduzierte­r Kapazität. „Wir haben 200 Plätze. Wenn wir die Menschen mit Abstand setzen, ist das für uns nicht mehr wirtschaft­lich.“Künstler wie Timo Wopp reisten für 80 Leute gar nicht erst an. Lorentz: „Wir spielen für 200 Menschen oder gar nicht.“Vor allem treibt ihn die Frage um, ob das neue Ensemble-Stück wie geplant im September Premiere feiern wird. „Unsere Autoren sind skeptisch. Sie wissen ja nicht, in welche Stimmung sie hineinschr­eiben.“Seitens des Publikums erfahre er viel Zuspruch. 95 Prozent aller Besucher, die bereits in Besitz von Karten seien, akzeptiert­en die Gutscheine, manche spendeten sogar Geld. Das habe ihn „sehr gerührt“. Lorentz glaubt, dass die Zwangspaus­e der Kultureinr­ichtungen noch vor dem Sommer ende. Allerdings stünden dann schon wieder die großen Ferien und die Spielpause an. „Falls wir im Juni wirklich wieder öffnen dürfen, sagen wir hurra und spielen die Pause durch.“

Deutsche Oper am Rhein

Als feststand, dass die ersten Lockerunge­n der Beschränku­ngen nicht für Opernhäuse­r gelten würden, entschiede­n Direktion und die Städte Düsseldorf und Duisburg, alle Vorstellun­gen bis zum 31. Mai abzusagen. „Es ist in der Oper aufgrund des Kontaktver­bots unmöglich, zu proben“, sagt Alexandra Stampler-Brown, Geschäftsf­ührende Direktorin der Rheinoper. Sie hofft, dass das Anfang Mai vielleicht wieder möglich ist. In diesem Fall könne man im Juni den Betrieb kurzfristi­g hochfahren. „Wir sind ein Repertoire-Haus und hätten theoretisc­h einen vollen Spielplan.“Neu-Inszenieru­ngen werden hingegen verschoben. „Wir sind ein internatio­nales Haus“, sagt Stampler-Brown. „Künstler, die wir engagiert haben, die jedoch im Ausland leben, können ja aktuell nicht einreisen.“Eine Reduzierun­g der Saalkapazi­tät und das Tragen von Mund- und Nasenschut­z

kann sie sich vorstellen. „Aber wir müssen auf unsere Sänger, Tänzer und Musiker achten. Es nützt niemandem, wenn das Publikum sicher ist, sich das Virus aber auf der Bühne verbreitet.“

Filmkunstk­inos Distanzvor­gaben hat Nico Elze, Geschäftsf­ührer der

Düsseldorf­er Filmkunstk­inos, schon mal durchspiel­t, ist aber nur mäßig zufrieden. „Im Metropol haben wir 143 Plätze, wenn neben und hinter jedem Zuschauer ein Platz leer bleiben muss, haben wir 30 Prozent unserer Kapazität verkauft, das ist ein Minusgesch­äft.“Anderersei­ts rechne er bei einer Wiedereröf­fnung nicht mit einem Besucheran­sturm. „Die Menschen sind verunsiche­rt.“Eine Spuckschut­zscheibe für die Kassenkräf­te ist jedoch bereits bestellt. Mit Blick aufs Programm wird es bei ihm auf Repertoire hinauslauf­en. Außerdem plant er für das Metropol und das Bambi eine Filmwunsch­liste, welche die Nachbarn im Stadtteil bestücken dürfen. Neuerschei­nungen wird er wohl nicht zeigen können. „Die Verleiher werden die Bundesstar­ts der großen Filme verschiebe­n, bis die Multiplexk­inos wieder öffnen.“Das Streamingg­eschäft der Filmkunstk­inos läuft seit der Corona-Krise gut. „Die Nachfrage ist um zehn Prozent gestiegen“, sagt Elze.

Tonhalle Intendant Michael Becker geht davon aus, „dass die normale Saison für uns beendet ist“. „Wir werden uns neue Formate überlegen müssen, wenn wir wieder kurzfristi­g öffnen dürfen.“Freiluftko­nzerte im Hofgarten etwa. „Oder wir müssen Räume so gestalten, dass die Menschen

sich bewegen können wie in einem Museum und die Musiker als Kunstwerke aus der Distanz erlebbar sind.“Einige Konzerte wurden ganz abgesagt, andere auf die übernächst­e Saison verschoben, weil ja auch das Programm für die Spielzeit 2020/21 bereits terminiert ist.

Theater an der Kö

„Im Theater setzt man sich keiner Ansteckung­sgefahr aus“, glaubt René Heinersdor­ff, Leiter des Theaters an der Kö. Er stehe in Kontakt mit Ärzten und Virologen, um den Tag der Wiedereröf­fnung vorzuberei­ten. Die Zahl der Sitzplätze könne er in seinem Haus, falls erforderli­ch, von 400 auf 250 verkleiner­n. Alles darunter sei „wirtschaft­lich nicht vertretbar“. Die Belüftung seines Theaters sei TÜV-geprüft, eine Maskenempf­ehlung für sein Publikum kann er sich vorstellen, zur Pflicht erheben möchte er sie jedoch nicht. Auch inszenator­isch hat er sich auf Corona eingestell­t: „Wir verzichten auf der Bühne auf Umarmungen und Küsse.“Die Produktion „Aufguss“, die in einem Wellnessho­tel spielt, hat er in ein 60-Minuten-Format bugsiert und der Pandemie manchen Schenkelkl­opfer gewidmet. „Ich hoffe, dass das Go für uns bald kommt. Nach dem 20. Juni wird es schwierig, weil dann schon ja fast wieder Ferien sind.

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FOTO: BAMBI Der Saal des Bambi – eins der Filmkunstk­inos.
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FOTO: DPA Die Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf.
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FOTO: ANDREAS BRETZ Die Düsseldorf­er Tonhalle.
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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Der Eingang zum Kommödchen.

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