Rheinische Post Hilden

Packender Netf lix-Film über den Irak-Konf likt

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Der Tyrann ist gefallen, der Irak ist frei“– die Worte, die US-Präsident George W. Bush am 1. Mai 2003 auf dem Flugzeugtr­äger U.S.S. Abraham Lincoln nach dem Ende der Invasion in die Welt posaunte, wirken immer noch noch etwas voreilig. Von einem freien Irak kann auch 17 Jahre danach keine Rede sein. Der Krieg hat bis heute kein Ende gefunden und die Region nachhaltig destabilis­iert.

Einer, der genau dies verhindern wollte, war der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, Sergio Vieira de Mello. Als Sondergesa­ndter reiste er damals nach Bagdad mit dem Ziel innerhalb von vier Monaten im Irak freie Wahlen abzuhalten, um der Besatzung eine schnelles Ende zu bereiten. Aber am 19. August 2003 wurde das UNO-Hauptquart­ier in Bagdad zum Ziel eines Selbstmord­attentats, bei dem de Mello gemeinsam mit 21 weiteren Personen getötet wurde. In seinem Biopic „Sergio“macht Greg Barker die Explosion zum Ausgangspu­nkt der Erzählung, von dem aus der verschütte­te, um sein Leben ringende Diplomat immer wieder in assoziativ­e Erinnerung­en versinkt.

Mit dem „Narcos“-Star Wagner Moura hat Barker einen Hauptdarst­eller gefunden, der Charisma und Sensibilit­ät verbinden kann. Sein Sergio ist ein Held, der auf die Menschen zugehen und ihnen zuhören kann. Ein Handlungss­trang der Rückblende­ndramaturg­ie führt nach Osttimor, wo der Verhandler die Unabhängig­keitskämpf­er und die indonesisc­he Regierung nach 24 Jahren Bürgerkrie­g an den Tisch bringt. Hier lernt der verheirate­te Sergio auch die Wirtschaft­swissensch­aftlerin Carolina Larriera (Ana de Armas) kennen. Die Liebesgesc­hichte der beiden wird allerdings etwas überausfüh­rlich abgehandel­t.

Regisseur Greg Barker kommt vom Dokumentar­film und hat schon eine TV-Reportage über Sergio Vieira de Mello gedreht. Man spürt die Vertrauthe­it des Regisseurs mit seinem Sujet im zärtlichen Blick auf seinen Helden, von dem man allerdings gern mehr erfahren hätte. So etwa über das Handwerksz­eug der Diplomatie, zu der eben nicht nur Einfühlung­svermögen, sondern auch faule Kompromiss­e gehören. Ähnliches gilt für die Irak-Mission de Mellos, der die Menschenre­chtsverlet­zungen der US-Armee öffentlich machen wollte und gleichzeit­ig selbst zum Opfer seiner offenen Diplomatie wurde: Bei seinem Amtsantrit­t in Bagdad ließ er die Militärpos­ten vor dem UN-Hauptquart­ier abziehen, um zu signalisie­ren, dass er für das irakische Volk und nicht für die Besatzungs­armee arbeite wodurch das Gebäude für die Attentäter der al-Qaida zu einem leichten Ziel wurde.

Info Bei Netflix zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany