Sehnsucht nach einem positiven Lebensgefühl
Am Samstag konnte wieder gebummelt und geshoppt werden. Es wurde deutlich: Die Menschen lechzen nach Normalität.
DÜSSELDORF Samstagmittag, 13 Uhr. Andih Sanaz sitzt auf einer Bank am Corneliusbrunnen. Die Sonne scheint, sie liest ein Buch. „Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass es nun wieder lauter wird“, sagt sie. „Die Ruhe war schon sehr schön.“Es ist der erste Samstag in der Düsseldorfer Innenstadt, an dem die Geschäfte wieder geöffnet sind. Und ja, es ist in der Tat mehr los als an den vergangenen Wochenenden in der Corona-Krise. Auch wenn die Straßen, Parks und Fußgängerzonen keineswegs so belebt wie an normalen Samstagen sind, ist zu merken: Die Menschen sehnen sich nach Normalität und einem positiven Lebensgefühl.
Wer mit dem Auto den Weg in die Stadt sucht, kommt dort bereits mit einem schlechten Gewissen an. Müssen die Fahrer doch die digitalen Anzeigetafeln passieren, auf denen sonst vor Staus, gesperrten Straßen oder Großveranstaltungen gewarnt wird. Derzeit prangt nur ein Satz darauf: „Bitte bleiben Sie zuhause!“
Schon bei der Parkplatzsuche wird klar: Viele Düsseldorfer halten sich an diese Vorgabe. In den Parkhäusern ist reichlich Platz. Beim Gang durch die Gassen wird dann schnell deutlich: Die Menschen, die der Versuchung nach einem Stadtbummel nicht widerstehen konnten, wirken ruhiger, weniger hektisch als an einem vergleichbaren Samstag ohne Corona-Krise. Während an der Rheintreppe, auf der Ratinger oder der Bolker Straße zu diesen Stunden üblicherweise bereits ausgelassen gebechert wird, wirkt es nun fast schon etwas besinnlich. Nur vereinzelt wird lauter geredet oder gelacht. Der Exzess ist dem stillen Genuss gewichen.
Wenige Gastronomen machen von der Möglichkeit Gebrauch, Speisen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten. An den Kasematten bieten drei Läden an kleinen Ständen Cocktails an – mit mäßigem Erfolg. Die größte Schlange steht bei Gosch. Vor dem Eingang bittet ein Mitarbeiter die Kunden freundlich, sich doch mit ihrem Fischbrötchen die erforderlichen 50 Meter vom Laden zu entfernen.
Die Nachfrage nach Bratwürsten und vor allem Altbier ist beim Uerige in der Berger Straße gefühlt am höchsten. Nicht alle halten sich trotz der deutlich sichtbaren Schilder an den nötigen Abstand von der Theke, die direkt an der Fassade des Brauhauses aufgebaut ist.
Achim Fischer hält sich daran. Er hat sich einige Meter weiter auf eine Mauer gesetzt, trinkt sein Bier und stöbert in seinem Smartphone. „Ein bisschen das Leben genießen, das muss schon möglich sein – mit dem nötigen Abstand zu anderen natürlich“, sagt der Handwerker aus Unterrath. Er hält die Menschen zur Selbstreflexion an. Zuvor ist er mit seinem Fahrrad über die Kö gefahren. „Wenn ich sehe, wie die Leute dort jetzt wieder shoppen gehen, finde ich das fast schon pietätlos. Kein Mensch braucht derzeit einen Pulli.“
Am späteren Nachmittag füllt sich die Königsallee tatsächlich in dem Maße, dass es fast wie ein ganz normaler Frühlingssamstag wirkt. Mund- und Nasenschutz sind im Gedränge dennoch eher rar gesät. Lothar Hörning hat sich bewusst zwei Läden ohne Warteschlange ausgesucht, um zwei T-Shirts zu kaufen. „Ich versuche, normal zu leben, man fühlt sich sonst sehr gebremst. Die Lebensfreude ist schon gedämpft“, sagt er. „Es ist kein schönes Gefühl. Irgendwie fehlt die positive Energie, die sonst hier herrscht.“