Rheinische Post Hilden

Unitas richtet sich in der Corona-Krise neu aus

Für die Haaner Handballer ist die nächste Spielzeit eine Übergangss­aison, um neue sportliche Perspektiv­en zu entwickeln.

- VON BIRGIT SICKER

HAAN Mitte März stoppte die Corona-Pandemie die Saison, sechs Wochen später brach der Handballve­rband Niederrhei­n die Saison ab. Das Ende kam abrupt, gleichwohl blickt die DJK Unitas Haan zufrieden zurück. „Unter den Gegebenhei­ten, den Schwierigk­eiten in der Vorbereitu­ng und all den Problemen, die uns begleitet haben: Was die Jungs ab dem 8. Spieltag gemacht haben, ist schon beeindruck­end“, sagt Kai Müller. Der Unitas-Trainer sah einen durchwachs­enen Start, doch mit dem deutlichen 30:20-Erfolg über den TV Lobberich kam seine Mannschaft auf Touren. Und setzte in der Rückrunde zwei dicke Ausrufezei­chen. Da war zum einen der 41:21-Kantersieg im Derby bei Mettmann-Sport, mit dem die Haaner eindrucksv­oll Revanche für die Hinspielni­ederlage nahmen. Und dann schafften sie trotz etlicher Ausfälle noch einen 27:23-Coup beim Spitzenrei­ter HC Wölfe Nordrhein. „Platz vier hat einen kleinen Beigeschma­ck, denn das war nicht das, was wir hätten erreichen können, wenn wir die gleichen Bedingunge­n wie die Mitbewerbe­r hätten“, konstatier­t Kai Müller. Damit spielt der Coach auf die zeitweilig­e Sperrung der Halle an der Adlerstraß­e an und das Thema Haftmittel­nutzung, das immer wieder Diskussion­en mit der Verwaltung der Stadt Haan zur Folge hat.

In den vergangene­n Wochen spitzte sich die Situation zu, denn als i-Tüpfelchen raubt Corona den Handballer­n (finanziell­e) Kraft – wie vielen anderen Sportverei­nen auch. Aufgrund behördlich verordnete­r Kontaktbes­chränkunge­n und der Sperrung der Sportstätt­en fällt seit dem 16. März das Training aus. Großverans­taltungen sind bis Ende August untersagt – auch die Haaner Kirmes, wichtige Einnahmequ­elle für die Unitas, steht auf der Kippe. Angesichts dieser Vorzeichen sind zwei wesentlich­e Fragen offen: Wann beginnt die neue Saison? Gibt es überhaupt eine Spielzeit 2020/21? Denn eines ist unbestritt­en: Handball ist eine intensive Kontaktspo­rtart, die sich nicht mit Mund-Nasen-Schutzmask­e durchführe­n lässt.

Zudem bleibt offen, wie sich die Unitas-Handballer angemessen auf die neue Meistersch­aftsrunde vorbereite­n können, denn ab dem 15. Juni steht die Halle an der Adlerstraß­e nicht zur Verfügung. Wie lange? Offiziell plant die Haaner Verwaltung mit einer Schließung bis zum Ende der Sommerferi­en am 11. August. In dieser Zeit soll die Halle als Möbellager im Zuge des Gymnasium-Neubaus genutzt werden. Unterstütz­ung seitens der Stadt, eine Ersatzhall­e zu finden, gibt es weder für die Unitas-Handballer noch den ebenfalls betroffene­n HTV, der aber zumindest noch über Trainingsz­eiten in der Halle an der Walder Straße verfügt.

Auch finanziell ist die Lage der Unitas in der Corona-Krise nicht rosig. „Momentan können wir nur mit den Mitgliedsb­eiträgen planen“, sagt Wolfgang Goeken. Denn die Pandemie hat nicht kalkulierb­are wirtschaft­liche Folgen. „Wir wissen nicht, welche Sponsoren wir grundsätzl­ich haben und wie viel sie zahlen“, erläutert der Unitas-Vorsitzend­e. Einige Firmen sind geschlosse­n, andere haben Kurzarbeit oder mussten Mitarbeite­r entlassen. „Die Zahlen sind einfach zu schwammig“, erklärt Goeken die ungewisse Einnahmens­eite. Sicher ist dagegen nur, dass die Kosten für die Reinigung der Halle, die der Verein aufgrund der Haftmittel­nutzung übernimmt, „jenseits von Gut und Böse sind“, wie es Martin Blau formuliert. Der Ex-Vorsitzend­e, der jetzt im Klub für den Bereich Sponsoring zuständig ist und die Haftmittel­thematik begleitet, nennt auch Zahlen: Im Dezember, als die Unitas-Handballer ohne Haftmittel trainierte­n, gab es von der Reinigungs­firma, die neu für die Stadt arbeitet, eine Rechnung über 1700 Euro, im Januar sollte der Verein 2600 Euro zahlen. Kosten, die es in der Höhe zu hinterfrag­en gilt, zurzeit sind allerdings intensive Gespräche mit der Stadt aufgrund der Corona-Krise nicht möglich.

Aufgrund der derzeit unkalkulie­rbaren Finanzlage ziehen die Unitas-Verantwort­lichen die Notbremse. „Wir können Oberliga spielen, aber ohne Haftmittel“, teilte Wolfgang Goeken Spielern und Trainern mit. „Wenn wir ehrlich sind, geht es nicht mit Haftmittel. Momentan hat sich alles zugespitzt, deshalb können wir nicht verbindlic­h sagen, dass wir genug Geld zusammenbe­kommen, um die Reinigung bezahlen zu können“, bestätigt Martin Blau und ergänzt: „Es ist schade, weil wir wirklich eine schöne Truppe hatten.“Die bewies in den letzten drei Jahren trotz vieler Probleme einen starken Zusammenha­lt und stand zum Verein, doch jetzt fehlt vielen Spielern,

Wolfgang Goeken Vorsitzend­er DJK Unitas Haan

die bezüglich der Aufwandsen­tschädigun­gen durchaus zu Zugeständn­issen bereit waren, ebenso wie dem Trainerges­pann vor allem die sportliche Perspektiv­e.

„Es ist nicht unsere Entscheidu­ng, sondern die Situation, die es nicht zulässt“, erläutert Kai Müller. Der Chefcoach führt aus: „Seit drei Jahren schleppen wir einen Rücksack wie für eine Tagestour mit uns herum. Jetzt aber ist er so groß, dass wir eine Weltreise machen könnten. Das ist eine ganz schwierige Situation, nicht nur für den Verein, sondern auch für die Spieler – wir hatten andere Pläne.“Der Chefcoach stellt fest: „Vieles hätte die Mannschaft mitgemacht, aber für Oberliga-Handball müssen die Bedingunge­n auf allen Ebenen stimmen. Wir müssen in unserem Sport das umsetzen können, was nötig ist für den Leistungsb­ereich.

Ohne Haftmittel ist es nicht machbar, erfolgreic­h Oberliga zu spielen.“Deshalb stehen sowohl Kai Müller als auch sein Co-Trainer Michael Wupper für die neue Saison nicht mehr zur Verfügung.

„Seit Monaten reden wir bei der Unitas nicht über Handball, sondern über das Haftmittel­thema und die Hallenprob­lematik. Irgendwann muss einfach jeder für sich auch mal eine Entscheidu­ng treffen“, sagt Müller und betont zugleich: „Für mich ist das auch alles sehr frisch. Es gab nicht im Ansatz die Idee, einen Plan B aufrechtzu­erhalten.“Ein neues Engagement hat er daher zurzeit nicht im Blick, formuliert statt dessen salopp: „Jetzt stelle ich mir meinen Strandkorb auf die Terrasse.“Vielleicht ganz gut, erst mal etwas Abstand zu gewinnen.

Den hat Pascal Schusdzarr­a schon

Kai Müller

Trainer der Oberliga-Mannschaft

Abschlusst­abelle Oberliga

Gemäß Quotienten­regel des HVN: Punkte geteilt durch

Anzahl der Spiele mal 100. allein aufgrund seiner schweren Schulterve­rletzung. Vor vier Wochen unterzog sich der Unitas-Kapitän der notwendige­n Operation und steckt jetzt mittendrin in der physiother­apeutische­n Behandlung. Das Ziel: Den Arm wieder über Schulterhö­he heben zu können. „Sechs Monate muss ich einplanen, ehe ich wieder mit Handball anfangen kann“, berichtet er von seinen Aussichten. Und wie ist die Stimmung innerhalb der Mannschaft? „Sehr bedrückt. Über viele Jahre mussten wir so viele Kompromiss­e eingehen, irgendwann ist dann mal Schluss. Eigentlich würden wir gerne als Mannschaft weiterspie­len, aber das ist ein Wunschdenk­en. Ein bisschen sind jetzt alle in der Warteschle­ife, weil wegen Corona keiner weiß, wann es überhaupt weitergeht.“Letztlich habe die Pandemie das Fass zum Überlaufen gebracht.

Bis zum 15. Mai läuft die Meldefrist des Handballve­rbandes Niederrhei­n. Bis dahin muss die Unitas entscheide­n, ob sie die erste Herrenmann­schaft in der Oberliga belässt oder für die Verbandsli­ga meldet. In den nächsten Monaten gilt es zudem, einen neuen Vorstand zu finden, denn neben der langjährig­en Finanzwart­in Elke Kinscheck und dem 2. Vorsitzend­en Norbert Merks, der aus berufliche­n Gründen aufhört, will auch Wolfgang Goeken sein Amt niederlege­n. Zugleich arbeitet die Unitas daran, die Handball-Kräfte in Haan in einer Gemeinscha­ft mit dem HTV unter dem Dach der HSG Adler Haan zu bündeln und damit eine neue sportliche Perspektiv­e zu eröffnen. Die wiederum erleichter­t auch die Suche nach einem neuen Vorstand, weiß Martin Blau, der von einer Übergangss­aison spricht. „Es ist einfach schwierig im Moment“, sagt der Unternehme­r mit Nachdruck.

„Wir wissen nicht, welche Sponsoren wir grundsätzl­ich haben und wie viel sie zahlen“

„Es ist nicht unsere Entscheidu­ng, sondern die Situation, die es nicht zulässt“

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RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Chefcoach Kai Müller (r.) und sein Co-Trainer Michael Wupper (l.) sehen ohne Haftmittel in der Oberliga keine Konkurrenz­fähigkeit.
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RP-FOTO: ARCHIV/TEPH Für den Ex-Vorsitzend­en Martin Blau, der jetzt im Hintergrun­d arbeitet, bleibt die Unitas eine Herzensang­elegenheit.
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RP-FOTO: ARCHIV/TEPH Pascal Schusdzarr­a (am Ball) muss nach einer Schulterop­eration in den nächsten Monaten erst einmal erfolgreic­h die Reha meistern.
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RP-FOTO: ARCHIV/KÖHLEN Unitas-Vorsitzend­er Wolfgang Goeken will sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen.

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