Rheinische Post Hilden

Reitställe leiden unter der Corona-Krise

Im Kreis Mettmann leiden viele Reithöfe unter den Auflagen der Corona-Krise, denn Reitschüle­r dürfen nicht zum Unterricht kommen. Viele Inhaber haben nun deutlich mehr Arbeit und die ausbleiben­den Einnahmen bringen auch finanziell­e Sorgen mit sich.

- VON MARIE LUDWIG

HAAN Bereits im März musste Mirko Conrad die Rundmail an seine 180 Schüler schreiben: Der Reitunterr­icht ist erst einmal auf unbestimmt­e Zeit abgesagt – so lautete die Botschaft. In NRW wurden damals erste Maßnahmen zur Eindämmung des Coronaviru­s getroffen. Sie führten zu einer Einstellun­g des sportliche­n Regelbetri­ebs in Vereinen und Betrieben – auch den Reitschule­n.

Der Reitstall der Familie Conrad in Haan-Gruiten ist einer von vielen Höfen, den die Corona-Krise im Kreis Mettmann deutlich trifft: Weil alle Unterricht­sstunden und Veranstalt­ungen abgesagt werden mussten, bedeutet das für viele Höfe enorme Kosten.

„Es geht oft um die nackte Existenz“, sagt André Kolmann. Er leitet nicht nur die Landes-Reit- und Fahrschule Rheinland in Langenfeld, sondern ist auch Vorstand des Pferdespor­tverbands im Rheinland. Auch der Sportverba­nd, der Turnier-Ausschreib­ungen und Lehrgänge koordinier­t, bekommt die Auswirkung­en der Pandemie zu spüren – allein im

April habe der Verband Verluste im sechsstell­igen Bereich erlitten. Besonders ernst sei die Lage allerdings für Schulpferd­betriebe: „Die Reitschule­n haben keine festen Einnahmen mehr – trotzdem aber weiter laufende Kosten für die Pferde.“

Ein Beispiel ist der Reitstall Witting in Ratingen. Inhaber Heinz Witting erzählt, dass von den insgesamt 60 Pferden, die auf seinem Hof stehen, lediglich 20 davon sind Pensionspf­erde. Um die übrigen 40 Tiere müssten er und seine Mitarbeite­r sich seit der Corona-Krise

nun komplett allein kümmern. Alle Tiere müssten gepflegt und ernährt werden, die Ställe müssen ausgemiste­t werden und Bewegung brauchen die Tiere auch.

Hinzu kommt, dass die Pferde derzeit noch nicht auf die Weide können – das Gras sei derzeit noch nicht gut verdaulich. Deshalb muss Witting die Tiere zusätzlich abwechseln­d auf die Sandkoppel bringen. „Dabei ist auf dem Reiterhof in vielen Fällen mehr Platz zum Abstandhal­ten als in der Stadt“, beklagt er und hofft, dass bald eine Besserung der Lage in Sicht ist.

Reitstall-Besitzer Conrad aus Haan ist froh, dass ihn gerade seine Tochter Lenika auf dem Hof unterstütz­t. Sie hatte in den vergangene­n Wochen keinen Unterricht. „Ich kümmere mich immer morgens darum, die Boxen auszumiste­n, streue sie neu ein, bewege unsere Schulpferd­e und reite auch meine Pferde aus“, erzählt die 18-Jährige, die gerne auf dem Hof mithilft. Abends setzt sich Lenika dann an den Schreibtis­ch und holt den Schulstoff auf. Klingt nicht so sorgenlos, wie man sich das sprichwört­liche Leben auf dem Ponyhof vorstellt. Und doch würden sie viele Reitschüle­r derzeit ein wenig beneiden. „Immerhin kann ich jetzt, wo alle viel Freizeit haben, die Zeit mit den Pferden nutzen“, sagt sie.

Dem stimmt auch Sabine Angemeer vom Mettmanner Gut Scheidt zu. „Wenn ich im Moment nicht zu den Pferden könnte, würde es mir deutlich schlechter gehen“, sagt die Pferdetrai­nerin. Die harten Auflagen für Reitschule­n seien für sie nur

schwer nachvollzi­ehbar, denn gewöhnlich finde dort der Unterricht in einer großen Halle oder draußen statt – Abstand halten sei in der Regel gar kein Problem. „Ich glaube vor allem, dass es vielen gerade in diesen Zeiten emotional gut tun würde, Zeit mit den Pferden zu verbringen“, betont Angemeer. Sie sei erleichter­t, noch ein zweites Standbein als Dozentin an einer Hochschule zu haben. Ihre Trainings könne sie im Moment nicht anbieten, aber dafür gehören die meisten der 25 Pferde auf ihrem Hof privaten Besitzern. Diese dürfen sich selbst um ihre Tiere kümmern.

Auf dem Reithof Conrad können die Besitzer der Pensionspf­erde maximal zwei Stunden täglich auf dem Hof bei ihrem Pferd sein. Mirko Conrad hat dazu einen festen Besuchspla­n für die etwa 45 Pferdebesi­tzer erstellt, der streng befolgt werden muss. „Sein Pferd abholen und dann drei Stunden ins Gelände reiten, das geht im Moment leider nicht“, sagt er und hofft darauf, dass sich die Lage bald bessert.

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Lenika unterstütz­t ihren Vater Mirko Conrad bei den Arbeiten auf dem Hof.

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