Rheinische Post Hilden

An die Schere, fertig, los!

Die Friseure haben nach sechs Wochen Zwangspaus­e wieder geöffnet – und sind über Wochen komplett ausgebucht.

- VON SARAH DIETEL

HILDEN Das Telefon klingelt pausenlos – an manchen Tagen bis 1 Uhr nachts. „Nach 23 Uhr gehe ich zwar meist nicht mehr ran, aber zuvor beantworte ich alles“, erklärt Marco Cavallo. Seit Montag hat sein Friseursal­on „Mod’s Hair“in der Hildener Innenstadt wieder geöffnet, und die Tage zuvor vergab er telefonisc­h quasi rund um die Uhr Termine. „Für die nächsten Wochen sind wir komplett ausgebucht“, berichtet der 42-Jährige, während er Andreas Laws‘ nasses Haar schneidet, den Nacken ausrasiert und dann föhnt. Cavallo und seine Kolleginne­n wirken noch geschäftig­er als sonst, sind neben dem normalen Geschäft doch eine Reihe an Hygienemaß­nahmen zu beachten. Das Team trägt Masken, zieht zum Färben rasch Handschuhe über, desinfizie­rt nach jedem Benutzen flink Scheren und Rasierer, bringt die Umhänge nach jedem Kunden in die Wäsche, reinigt die Waschbecke­n und fegt den Boden. „Friseure arbeiten ohnehin sehr hygienisch, im Moment achten wir aber noch penibler auf alles“, sagt Cavallo.

In und nach den sechs Wochen Pause aufgrund der Corona-Situation erlebte er bei seinen Kunden vor allem eines: große Verbundenh­eit mit seinem Geschäft und große Dankbarkei­t, nun wieder einen Termin zu bekommen. „Als wir nicht wussten, wann wir wieder öffnen dürfen, haben mich Stammkunde­n mit Bonbons überrascht.“Damit meint er: Mit Gutscheine­n und Überweisun­gen in der Zeit ohne Einkünfte, damit der Laden auf keinen Fall aufgeben muss – einmal erhielt er einen Gutschein in Höhe von 500 Euro, „einfach so, weil die Kunden möchten, dass wir bleiben.“Für jede Terminzusa­ge, ja allein schon für das Erreichen am Telefon bedankten sich die Kunden vielfach. Ob der Stellenwer­t der Friseure durch Corona gestiegen sei? „Auf jeden Fall.“Andreas Laws ist Stammkunde bei Mod’s Hair und freut sich sehr, rasch einen Termin bekommen zu haben. „Als Betriebsle­iter lege ich Wert auf ein gepflegtes Äußeres, man geht ja in gewisser Weise auch als Vorbild voran“, sagt er. „Das war jetzt nach sechs Wochen höchste Zeit für einen neuen Schnitt.“

Die Corona-Krise hat Friseur Marco Cavallo viele schlaflose Nächte beschert. „Ich hatte Existenzan­gst. Das ist ein schlimmes Gefühl, das wirklich zehrt und das ich niemandem wünsche.“Einen Monat noch, so hat er ausgerechn­et, hätte er überbrücke­n können, „danach wäre es knapp geworden.“Als Angela Merkel bekanntgab, dass Friseurläd­en wieder öffnen dürfen, sei die Erleichter­ung groß gewesen. Sofort besorgte er Desinfekti­onsmittel, Umhänge und Acrylglass­cheiben, die nun zwischen den Waschbecke­n hängen, sowie Visiere, damit künftig auch Schminken und Augenbraue­nzupfen möglich sind. Cavallo und seine Angestellt­en wie die Auszubilde­nde Valentina Bondanese und Mitarbeite­rin Kati Cavallo bildeten sich in der Zwischenze­it mit Webinaren und an Puppenköpf­en weiter. „Und wir selbst müssen jetzt natürlich auch wieder schick aussehen für unsere Kunden“, berichtet Kati Cavallo, die an diesem Tag Valentina Bondaneses rotes Haar schwarz färbt und selbst von Schwarz auf Blond umsteigt und ergänzt: „Frische Farbe als kleine Erfrischun­g für unsere Kunden.“

Bei Minfried Taprogge im gleichnami­gen

Friseursal­on an der Benrather Straße geht es ab Dienstag täglich von 8 bis 19 Uhr zur Sache. Nahtlos reihen sich die Termine aneinander, um den nötigen Mindestabs­tand einhalten zu können und den vielen Kundenanfr­agen gerecht zu werden. Montag nahmen er und sein Team sich zunächst Zeit für Risikopati­enten, damit diese nicht zu stärker frequentie­rten Zeiten kommen müssen. „Team“, das steht bei Taprogge nicht nur außen am Salon, sondern das wird gelebt, wie sofort zu spüren ist. Eine warme, freundlich­e Stimmung umfängt Mitarbeite­r und Kunden, die Abläufe in dieser besonderen Zeit planten alle Vollzeitkr­äfte sowie die Auszubilde­nde gemeinsam. Auf den Kundenanst­urm sind Minfried Taprogge, Geselle Joshua Sobirey und Auszubilde­nde Lilien Markgraf bestens vorbereite­t, sie zeigen Desinfekti­onsmittel und die großzügige­n Räumlichke­iten, auf die Kunden und Mitarbeite­r aufgeteilt werden.

42 Jahre ist der 68-jährige Taprogge nun selbständi­g, „aber so eine Krise habe ich noch nicht erlebt.“Die Einführung des Euro sei ebenfalls eine schwierige Zeit gewesen, in der die Kunden sehr auf das Geld geachtet hätten, „aber das ist kein Vergleich zu null Einnahmen in den letzten Märztagen und im April.“Voll des Lobes ist er für die unkomplizi­erte Soforthilf­e, die Stundung der Sozialabga­ben durch das Finanzamt und die Hilfestell­ung von Unternehme­n wie beispielsw­eise L`Òreal, mit denen er zusammenar­beitet. „Die Krise bringt auch Positives mit sich. Und die Wertschätz­ung der Friseure ist durch die Schließung immens gestiegen. Gott sei Dank.“Sehr Leid tut es ihm für die Gastronomi­e. „Ich hoffe, dass alle, auch die, die vielleicht gerade groß investiert haben oder etwas Neues aufbauen wollten, durchkomme­n und weitermach­en können.“

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Mod‘s Hair hat wieder geöffnet: Marco Cavallo hatte in den letzten Wochen viele schlaflose Nächte. Die Ankündigun­g des Neustarts ließ ihn beherzt in die Vorbereitu­ngen einsteigen.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Mod‘s Hair hat wieder geöffnet: Marco Cavallo hatte in den letzten Wochen viele schlaflose Nächte. Die Ankündigun­g des Neustarts ließ ihn beherzt in die Vorbereitu­ngen einsteigen.
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FOTO: SARAH DIETEL Friseur Minfried Taprogge und sein Team – Joshua Sobirey und Lilien Markgraf.
 ?? FOTO: SARAH DIETEL ?? Im Salon „Mod‘s Hair“wäscht Valentina Bondanese der Kundin Kati Cavallo die Haare.
FOTO: SARAH DIETEL Im Salon „Mod‘s Hair“wäscht Valentina Bondanese der Kundin Kati Cavallo die Haare.

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