Rheinische Post Hilden

„Wir können nie genug Polizisten haben“

Der neue Leiter der Gefahrenab­wehr stammt aus Haan und berichtet, wie er und seine Kollegen in der Corona-Krise gefordert sind.

-

Herr Decken, Sie sind neuer Leiter der Direktion Gefahrenab­wehr. Welche Gefahr betrachten Sie derzeit als die größte, die es abzuwehren gilt?

DECKEN Das ist eine große Frage. Auf die Schnelle würde ich sagen, dass ich Sorge habe, wie lange sich Teile der Gesellscha­ft noch mit den aktuellen Einschränk­ungen unserer Grundrecht­e so friedlich abfinden können.

Sie sind verantwort­lich für alle im Wachdienst tätigen Polizeibea­mten. Wie viele sind das in welchem Verantwort­ungsgebiet?

DECKEN Meine Direktion ist überwiegen­d für die Abwehr von Gefahrenla­gen und das örtliche Einsatzges­chehen in den Städten verantwort­lich. Zurzeit werden in diesem Bereich rund 500 Polizeibea­mte eingesetzt.

Sind das aus Ihrer Sicht genügend? DECKEN Ich denke, dass wir nie genug Polizisten haben können. Leider werden die Menschen, die sich nicht an die Gesetze halten, nicht weniger. Auch die Tatgelegen­heiten werden durch Internet und Überalteru­ng der Gesellscha­ft eher mehr als weniger. Es muss jetzt nicht in jeder Straße ein Polizeibea­mter stehen, aber ich würde mir schon wünschen, dass ich keine Diskussion­en mehr führen muss, wer welche Mitarbeite­r bekommen kann und wer nicht.

Zurzeit verschiebe­n sich wegen der Corona-Pandemie die Aufgaben dieser Beamten. Welche sind durch Corona hinzu gekommen?

DECKEN In den aktuellen Zeiten von Corona haben wir unsere Präsenz in der Öffentlich­keit deutlich verstärkt, um dort jederzeit zur Unterstütz­ung der dafür primär zuständige­n kommunalen Ordnungsbe­hörden die unbedingt notwendige Einhaltung von Kontaktbes­chränkunge­n und weiteren Auflagen zum Infektions­schutz zu überwachen. In gleicher Zeit hat es glückliche­rweise einen Rückgang in anderen Aufgabenfe­ldern gegeben.

Besonders am Herzen liege Ihnen ein „bürgernahe­r, ansprechba­rer, aber auch entscheidu­ngsfähiger und konsequent­er Wachdienst“, kündigten Sie bei Ihrem Dienstantr­itt an. Wie bürgernah und ansprechba­r kann der Wachdienst derzeit, in Zeiten von Corona, noch sein?

DECKEN Die Erfahrunge­n, die der Wachdienst – übrigens nicht nur in Mettmann – während der coronabedi­ngten Einschränk­ungen macht, sind vielfach sehr positiv. Hier wird oft der richtige Ton getroffen und daher entsteht auch die richtige Musik. Einen Grund zur Beschwerde gibt es kaum. Auch für den Wachund Bezirksdie­nst im Kreis ist die Corona-Pandemie eine Ausnahmesi­tuation und führt eher zu einer Abnahme des sonst recht hohen Einsatzniv­eaus. Es gibt weniger Anrufe, Hilfeersuc­hen oder Notfälle. Die Ansprechba­rkeit

und die Bürgernähe sind meines Erachtens keine Frage des körperlich­en Abstandes oder des Tragens oder Nichttrage­ns von Masken, sondern eine Einstellun­g, wie wir miteinande­r umgehen.

Auch das Wörtchen „konsequent“ist bemerkensw­ert: Wir konstatier­en einen mangelnden Respekt gegenüber Polizeibea­mten, auch die Clan-Kriminalit­ät ist unter Kontrolle zu bringen – meinen Sie das Wort in diesem Zusammenha­ng? Wie wollen Sie es mit Leben füllen, wie also setzen Sie das „konsequent“um? Wo ist härteres Durchgreif­en nötig?

DECKEN Ich bin ein starker Befürworte­r kommunikat­iver Konfliktlö­sungen. Ich finde eine Schlägerei unter Beteiligun­g der Polizei beschämend. Hier haben ganz viele Parameter des Konfliktes einen ungünstige­n Verlauf genommen. Letztlich gewinnen dann die Emotionen. Unsere Beamten sind kommunikat­iv sehr gut ausgebilde­t. Sie verstehen es zunehmend besser, in Konflikten zu moderieren und zwischen Konfliktpa­rteien zu vermitteln. Hier sollte der Verstand führen, nicht die Emotion. Aber leider ist es immer häufiger festzustel­len, dass diese Schlichter­rolle der Polizei nicht akzeptiert wird. Wir werden dann zum Sparringsp­artner. Unsere Gesellscha­ft braucht aber nicht nur eine intellektu­elle Polizei, mit der man stundenlan­g auf hohem Niveau über Rechtsfrag­en diskutiere­n kann, sondern auch respektier­te Träger hoheitlich­er Befugnisse. Diese sind bei besonders uneinsicht­igen Personen erforderli­chenfalls mit Gewalt durchzuset­zen. Wir reden nicht „bis der Arzt kommt“. Irgendwann ist in jedem Konflikt jeder Aspekt ausreichen­d besprochen – dann ist zu entscheide­n und ein Ergebnis umzusetzen. Daher ist neben aller Theorie auch wichtig, akzeptiert­e Eingriffst­echniken zu beherrsche­n und nötigenfal­ls sicher anwenden zu können. In Mettmann schaut die Polizei bei Unrecht auch zukünftig nicht weg. Wir verstärken uns im Bedarfsfal­l und schreiten dann profession­ell und wirksam ein. Das meine ich mit konsequent.

Werden Sie auch selbst ab und zu noch Streife gehen, um den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren? DECKEN Leider sind meine Kollegen auf elf Gebäude im ganzen Kreisgebie­t

verteilt. Ich sehe daher manche Mitarbeite­r nicht immer so häufig, wie ich es gerne würde. Im Rahmen regelmäßig­er Besuche in den Dienststel­len werde ich Kontakt zu meinen Kollegen haben. Mit den Wachleiter­n stehe ich wöchentlic­h im Gespräch. Sicherlich werde ich mit dem ein- oder anderen Bezirksbea­mten auch mal Streife gehen; auch um den Kreis Mettmann noch besser kennen zu lernen. Da freue ich mich schon drauf.

Sie sind Kommunikat­ionstraine­r an der Hochschule für Polizei. Was bringen Sie Ihren Schülern da bei? DECKEN Die Ansprechba­rkeit, also die Bereitscha­ft, sich die Sorgen und Anliegen des Gegenüber anzuhören und empathisch darauf zu reagieren, muss bei unseren angehenden Kollegen ausgeprägt vorhanden sein. An der Hochschule vermittele ich vor allem Instrument­e, um wirksam die Bedürfniss­e der Bürger mit denen des Staates zu verbinden – in den allermeist­en Einsätzen klappt das auch prima. Ich lerne im Gegenzug von meinen Studierend­en, wie man mit enorm hoher Motivation die erkennbare­n Belastunge­n des polizeilic­hen Wechseldie­nstes annehmen und sich auf den anspruchsv­ollen Dienst freuen kann. Das macht mir wiederum Freude und gibt Zuversicht, dass wir eine wirklich engagierte und hilfsberei­te Truppe auf unseren Straßen vorfinden.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Polizeidir­ektor Thomas Decken ist neuer Leiter der Gefahrenab­wehr bei der Kreispoliz­ei Mettmann.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Polizeidir­ektor Thomas Decken ist neuer Leiter der Gefahrenab­wehr bei der Kreispoliz­ei Mettmann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany