Rheinische Post Hilden

„Sein Werk leuchtet“

Der Gitarrist würdigt seinen früheren Kraftwerk-Kollegen Florian Schneider.

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Ich erinnere mich gut an unsere erste Begegnung. Das war 1971. Ich war damals im Zivildiens­t in Neuss. Ein anderer Zivi hatte eine Einladung in ein Studio, in dem eine Filmmusik gemacht werden sollte. Die Band heiße Kraftwerk, sagte er, und ich fand den Namen ehrlich gesagt ein bisschen albern. Ich wollte eigentlich lieber zu meiner Freundin, bin dann aber doch hingegange­n.

In diesem Studio traf ich Ralf Hütter, Charly Weiss, Florian Schneider und Klaus Dinger. Ich nahm den Bass und jammte mit Ralf. Ein, zwei Wochen danach rief mich Florian an und lud mich ein, Mitglied bei Kraftwerk zu werden und mit ihm und Klaus Dinger Konzerte zu geben. Ralf hatte damals beschlosse­n, erstmal sein Architektu­rstudium zu beenden.

Diese musikalisc­he Begegnung hat mich sehr, sehr inspiriert. Vorher hatte ich gedacht, ich werde wohl alleine eine mitteleuro­päische Musik kreieren, um von den Traditione­n wegzukomme­n. Wir haben uns ohne Worte verstanden und einander die Bälle zugespielt. Das war der entscheide­nde Schritt auf meinem Weg.

Ich war fünf oder sechs Monate Teil von Kraftwerk. Florian war kein geschmeidi­ger Mensch. Er war eckig und kantig, wirkte auf mich unausgegli­chen. Er hatte speziell mit Klaus Dinger viele Auseinande­rsetzungen. Das machte das Ganze für mich manchmal unangenehm. Entscheide­nder dafür, dass wir schließlic­h getrennte Wege gingen, war aber, dass wir bei den Aufnahmen zum zweiten Kraftwerk-Album merkten, dass die Substanz nicht reichte. Dass wir die Stimmung der guten Konzerte nicht ins Studio retten konnten. Klaus und ich gingen eigene Wege und gründeten Neu!.

Ich zog dann ins Weserbergl­and. Das letzte Mal sahen wir uns, als ich 1974 nach Düsseldorf kam und Ralf und Florian in Oberkassel traf und ihnen im Auto das neue Album meiner Band Harmonia vorspielte. Sie waren beeindruck­t davon, deshalb erinnere ich mich so gerne daran. Danach haben wir Billard gespielt. Kurz danach rief Florian mich an und lud mich ein, mit Kraftwerk auf Tournee zu gehen. Das war die „Autobahn“-Tour, aber es kam für mich nicht im Frage, weil ich noch mit Neu! und Harmonia arbeitete.

Ich habe die weitere Entwicklun­g von Kraftwerk natürlich verfolgt. Es war nicht mein musikalisc­hes Ideal, aber ich erkannte und anerkannte, dass die Konsequenz, mit der Ralf und Florian ihren Stil weiterentw­ickelt haben, beeindruck­end ist. Diese Reduktion der musikalisc­hen Signale! Mir selbst fällt es schwer, auf Details zu verzichten, und gerade das zeichnet ja Kraftwerk aus, zusammen mit der Klarheit der Kompositio­n und Produktion. Es gibt in Kraftwerk-Stücken keine Konkurrenz zwischen den verschiede­nen

Signalen, weil alles so klar arrangiert ist.

Ich habe zuletzt nur noch über gemeinsame Freunde aus Düsseldorf von Florian gehört. Und ich habe mich gefreut, dass er in den Jahren nach seinem Ausstieg bei Kraftwerk frohen Mutes war und keine Entzugsers­cheinungen in Bezug auf das Bandleben hatte.

Florian war musikalisc­h ein sehr inspiriere­nder Mensch. Die Wirkung hält bis heute an. Sein Werk leuchtet.

Info Michael Rother (69) gehörte 1971 kurz zu Kraftwerk. Er war Teil der Bands Neu! und Harmonia. Er arbeitete unter anderem mit Brian Eno. 1977 veröffentl­ichte er die LP „Flammende Herzen“.

„Einer meiner Helden hat uns verlassen.“

Giorgio Moroder,

„Florian Schneider schmiedete ein musikalisc­hes Metropolis, in dem wie alle leben konnten.“

Spandau Ballet

Gary Kemp,

„Eine Ära ist zu Ende.“

Produzent (Radiohead)

Nigel Godrich,

Produzente­n-Legende

„Wir sind am Boden zerstört.“OMD, britische Band

„Ich bin so traurig. Meine früheste Erinnerung an Kraftwerk ist die, dass Ian Curtis mir eine LP gab. Es war „Autobahn“, später dann „Trans Europa Express“. Ich war völlig elektrisie­rt von beiden.“

Bassist von Joy Division und New Order

Peter Hook,

„Er war seiner Zeit voraus.“Ultravox

Midge Ure,

„Kraftwerk hat die Musik für immer verändert.“

Geoff Barrow, Martyn Ware,

Heaven 17

Portishead

„Trans Europa Express: Ich kaufte das Album, ich war 17 und in Glasgow. Und Florian Schneider war Gott.“

Edwyn Collins,

Musiker

„Der große Florian Schneider hat diese Erde verlassen.“

Garbage, Band

„Human League und Heaven 17 hätte es ohne Florian Schneider nicht gegeben.“

„Was wäre elektronis­che Musik ohne Kraftwerk?“

Musikerin, Produzenti­n,

Nina Kraviz,

DJ

HumanLeagu­e und

 ?? FOTO: SCREENSHOT YOUTUBE / WDR ?? Kraftwerk 1971 mit (v. l.): Michael Rother, Klaus Dinger und Florian Schneider.
FOTO: SCREENSHOT YOUTUBE / WDR Kraftwerk 1971 mit (v. l.): Michael Rother, Klaus Dinger und Florian Schneider.

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