Das alte neue Kucheneck eröffnet wieder
Eigentlich ist alles wie früher. Nur die Adresse hat sich geändert. Bald gibt es wieder selbst gebackene Kuchen von Friederike Thyssen.
FRIEDRICHSTADT Es vergeht kein Tag, an dem Friederike Thyssen nicht an ihr Kucheneck denkt. Das alte Kucheneck, den kleinen Laden gleich neben der Tankstelle an der Bilker Allee, die ein Investor Ende 2019 abgerissen hat, um dort Wohnungen zu bauen. Jedes Mal, wenn sie mit dem Rad in ihr neues Kucheneck fährt, kommt sie am alten Café vorbei, „an der furchtbaren Baustelle“, sagt Thyssen, die niemals ausgezogen wäre, hätte sie nicht gemusst. Und trotzdem hat sie es geschafft, das neue Café an der Corneliusstraße zu einem Ort zu machen, an dem sie gern ist, zu einem Zuhause, „wenn ich hier reinkomme, habe ich das Gefühl, dass es wie früher ist“. Ein bisschen Angst hatte Friederike Thyssen davor, dass sie nicht ankommen würde, dass es nicht mehr so wird, wie es einmal war. Aber sie steckte so viel Arbeit und Zeit in das Ladenlokal, hat alles selbst umgebaut und renoviert, vieles aus dem alten Kucheneck mitgenommen.
„Ich habe einen guten Neuanfang hier“, findet Thyssen, die am 20. Mai eröffnen will, ganz langsam, Kaffee und Kuchen gibt es erstmal nur zum Mitnehmen. Thyssen ist verunsichert, weil es wegen der Corona-Pandemie so viele Vorgaben, so viele Einschränkungen gibt. Reicht der Platz zwischen den Tischen wirklich aus? Muss sie den ganzen Tag einen Mundschutz tragen? Und kommen überhaupt Gäste? Und trotzdem muss es weitergehen, vor acht Monate hat sie das alte Kucheneck geschossen, ziemlich kurzfristig kam die Kündigung, Ersatz hatte Thyssen damals nicht. Sie wollte im Stadtteil bleiben, bei ihren Stammkunden, wollte es nah haben bis nach Hause. Weil Friederike
Thyssen noch zwei schulpflichtige Kinder hat. Im Herbst fand sie schließlich den Laden an der Corneliusstraße, viele Auflagen musste sie erfüllen, damit das Kucheneck dort einziehen durfte. Und als sie soweit war, kam Corona.
Friederike Thyssen ist aber niemand, der klagt. Sie ist ein Arbeitstier, steht an manchen Tagen über zwölf Stunden in der Küche, um ihre Kuchen zu backen. Auch wenn sie ihre alte Küche mochte – die neue hat ihre Vorteile. Sie ist größer, die Backöfen stehen nebeneinander, „ich muss nicht mehr auf eine Leiter klettern“, erzählt Thyssen. Sogar ein kleines Büro gibt es jetzt, das Thyssen stolz zeigt, das eigentlich nur aus einem alten Holzschreibtisch besteht und drumherum liegt jede Menge Deko.
In der Mitte des Cafés hat wieder das selbst gebaute Regal einen Platz bekommen, das Friederike Thyssen von der Bilker Allee mitgenommen hat. Drei Etagen hat es, auf denen sie die Tortenplatten anrichten kann. Rhabarber mit Baiser, Käsekuchen, Schoko, Apfel, „Erdbeer rauf und runter“. Thyssen passt ihre Rezepte immer an die saisonalen Produkte an. Die Wand hinter der Kuchentheke ist rot-weiß- gestreift. Wie früher. Keine Tapete – „die wäre viel zu teuer gewesen“, sagt Thyssen, die die Streifen von Hand mit dem Pinsel aufgemalt hat. Dafür gibt es auf der Gäste-Toilette eine Tapete mit roten Herzchen, die die Café-Betreiberin irgendwann auf einem Flohmarkt entdeckte, die jahrelang unbenutzt in einer Ecke lag und hier und da schon ein paar Gebrauchsspuren zeigt. Und obwohl der Raum nicht wirklich groß ist, gab es gegenüber dem knallroten Waschbecken noch Platz für einen riesigen Rechenschieber mit roten und weißen Kugeln, „den ich geschenkt bekommen habe“, sagt Thyssen.
Auch die Frau mit dem hohen Dutt, die ihr Gesicht in die Hände legt, durfte mit. Ein Künstler malte die Figur an ein Holztor im alten Kucheneck. „Wir haben sie ausgeschnitten“, sagt Thyssen. Das entstandene Loch an der Bilker Allee hat sie mit einer Platte verschlossen. Über dem Kassenbereich hängt die Zahl neun. „Neun Jahre gibt es das Kucheneck jetzt“, erzählt Friederike Thyssen, die an jedem Geburtstag die Zahl austauschen wird. Die Zahlen hat sie selbst ausgesägt, einen ganzen Satz hat sie zu Hause. „Die habe ich für die Geburtstage der Kinder gemacht“, sagt Thyssen, für die das Kucheneck irgendwie auch ein Baby ist, in das sie viel Zeit und Liebe investiert.
Kucheneck Corneliusstraße 110, Mittwoch bis Sonntag, 11 bis 17 Uhr