Rheinische Post Hilden

Warum Ratssitzun­g nicht gleich Ratssitzun­g ist

Trotz allgemeine­m Lockdown tagte in Haan am 31. März der Stadtrat. Mittlerwei­le haben Geschäfte und Restaurant­s wieder geöffnet, Friseure, ja sogar Saunabetri­ebe sollen folgen. Doch die für den 16. Juni geplante Sitzung des Bürgerparl­aments wird wohl abge

- VON PETER CLEMENT

HAAN Die Tagesordnu­ng enthält 31 Punkte: Wenn der Ausschuss für Stadtentwi­cklung, Umwelt und Verkehr am kommenden Dienstag, 26. Mai, um 16.30 Uhr im Schulzentr­um Walder Straße zusammenko­mmt, haben die Mitglieder einiges zu bearbeiten. Doch dies ist nur der Auftakt. Es folgen sechs weitere politische Fachaussch­üsse, bevor am Dienstag, 9. Juni, der Hauptund Finanzauss­chuss tagt. Bis auf den Bauausschu­ss finden alle politische­n Gremien in der Aula des Schulzentr­ums Walder Straße statt. Das wäre auch der Ort für die Sitzung des Stadtrats am 16. Juni gewesen – wenn es sich die Verwaltung nicht anders überlegt hätte.

Die Sitzung, so gab Bürgermeis­terin Bettina Warnecke jetzt bekannt, solle abgesagt werden. Stattdesse­n könne der Haupt- und Finanzauss­chuss

gewisserma­ßen als Ersatz-Rat einspringe­n. Begründung: „Ich möchte die Ratsmitgli­eder nicht unnötig einer Ansteckung­sgefahr aussetzen.“39 Ratsvertre­ter, dazu mindestens zehn Stadtbedie­nstete plus Besucher – dies mache es schwer, die Mindestabs­tands-Regelung einzuhalte­n. Mithilfe eines sogenannte­n Umlaufbesc­hlusses, den jeder einzelne schriftlic­h bestätigen muss, sollen die Ratsmitgli­eder nun den Ausschuss ermächtige­n, stellvertr­etend zu entscheide­n und zwar mit allen Kompetenze­n. Möglich macht das die Neuregelun­g eines Paragrafen in der Gemeindeor­dnung NRW. Demnach kann ein Stadtrat ihm obliegende Entscheidu­ngen aus der Hand geben, wenn der Landtag „eine epidemisch­e Lage von landesweit­er Tragweite“feststellt und wenn zwei Drittel der Mitglieder des Rates zugestimmt haben. Laut Bürgermeis­terin haben in Haan sogar alle zugestimmt – „mit Ausnahme der WLH-Fraktion“. Die ist angesichts der geplanten Absage aufgebrach­t: Die Feststellu­ng des Landtags zu einer epidemisch­en Lage von landesweit­er Tragweite laufe zwei Tage vor dem Ratstermin aus, ob ab dem 14.Juni die Corona-Schutzvero­rdnung in dieser Form überhaupt noch gelte, sei also fraglich, argumentie­rt Fraktionsc­hefin Meike Lukat. Selbst Hallenbäde­r und Saunabetri­ebe dürften ab dem 30. Mai wieder öffnen.

Die Ratssitzun­g am 31. März habe ja auch stattgefun­den, betont die

WLH. Damals habe Warnecke zu Beginn einen Beschluss herbeigefü­hrt, demzufolge nur die Fraktionsc­hefs anwesend sein müssen, aber über die kompletten Stimmen ihrer jeweiligen Fraktion verfügen: „Warum also diesmal nicht?“

„Damals gab es die Möglichkei­t der Übertragun­g auf den Hauptaussc­huss noch nicht“, hält die Bürgermeis­terin

dagegen. Außerdem stehe diesmal auf der Tagesordnu­ng des Rates die Wiederwahl des Technische­n Beigeordne­ten Engin Alparslan: „Ich halte es nicht für gut, so etwas quasi nur von jeweils einer Person pro Fraktion entscheide­n zu lassen“, betont Warnecke. Lukat kritisiert weiter: „Gerade diese Möglichkei­t der persönlich­en Stimmabgab­e

nehmen Sie den meisten Ratsmitgli­edern jetzt – und das ohne erkennbare Not.“

Ein Blick über die Stadtgrenz­en hinaus zeigt: Es gibt keinen einheitlic­hen Umgang mit der neuen Regelung in den Kommunen. Während beispielsw­eise Dortmund oder Bergisch Gladbach die Übertragun­g der Ratsaufgab­en an den Hauptaussc­huss

beschlosse­n haben, scheiterte Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker mit diesem Vorschlag. Auch Leichlinge­ns Bürgermeis­ter Frank Steffes lehnt die Übertragun­g von Ratskompet­enzen ab, weil sie grundlegen­de Rechte der Politik beschneide: „Das geht gegen mein Verständni­s von Demokratie“, sagte er auf Anfrage.

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FOTO: KÖHLEN Er ist seit acht Jahren Technische­r Beigeordne­ter der Stadt Haan: Engin Alparslan. Seine Wiederwahl stünde am 16. Juni auf der Tagesordnu­ng des Stadtrates.

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