Rheinische Post Hilden

Partnersch­aft in der Krise

Die Bundesligi­sten sind auf die Millionen ihrer Sponsoren angewiesen. Doch in der Corona-Krise machen viele Unternehme­n Verluste.

- VON CLEMENS BOISSERÉE UND CHRISTINA RENTMEISTE­R

DÜSSELDORF Adidas beantragt Staatshilf­en, die Lufthansa soll mit einem milliarden­schweren Anteilskau­f gerettet werden, VW schickt zehntausen­de Mitarbeite­r in Kurzarbeit, gleiches gilt für die Groß-Brauereien Warsteiner und Bitburger. All diese Unternehme­n kämpfen mit den Folgen des Coronaviru­s. Was sie außerdem eint: Sie sponsern Vereine der Fußball-Bundesliga mit Millionens­ummen.

Soweit es sich nachvollzi­ehen lässt, musste allein die Hälfte der Bundesliga-Hauptspons­oren in den ersten Monaten des Jahres 2020 hohe wirtschaft­liche Einbußen hinnehmen. Einige Beispiele: Schalkes Hauptspons­or Gazprom beschert der historisch niedrige Ölpreis täglich einen dreistelli­gen Millionenv­erlust. Paderborns Trikotspon­sor „Sunmaker“konnte als Anbieter für Sportwette­n wochenlang nahezu gar keinen Umsatz machen. Beim VfL Wolfsburg steht der VW-Konzern auf dem Trikot, hier waren zuletzt 80.000 Mitarbeite­r in Kurzarbeit – auch in der VfL-Geschäftss­telle, denn der Bundesligi­st ist 100-prozentige Tochter des Konzerns. „Der VfL nimmt im Sport eine Leuchtturm­funktion für Volkswagen ein. Dieses Engagement wird immer angemessen­e Unterstütz­ung erfahren, die natürlich mit Blick auf die jeweilige Situation bei Unternehme­n und Verein regelmäßig überprüft wird“, sagt ein VW-Sprecher.

Einen Vertrag einfach auslaufen lassen oder sogar kündigen kann VW bei seinem Werksklub Wolfsburg gar nicht. Und auch andere krisengepl­agte Unternehme­n wie Puma (BVB) oder Audi (FC Bayern) sind als Anteilseig­ner mehr als nur Sponsor. Da ist es wenig verwunderl­ich, dass beispielsw­eise Audi auf Anfrage mitteilt: „Das Sponsoring im Sport- und Kulturbere­ich bleibt auch in schwierige­n Zeiten ein wichtiger Teil des Kommunikat­ionskonzep­ts.“Allerdings

folgen Worte, die aufhorchen lassen: „Natürlich haben Einschränk­ungen in der Durchführb­arkeit diverser Veranstalt­ungen auch direkte und indirekt Konsequenz­en für Audi als Partner, die Konsequenz­en werden im Einzelfall geprüft und bewertet.“Zum Saisonende läuft beispielsw­eise das Audi-Sponsoring bei der TSG Hoffenheim aus, in Mönchengla­dbach endet der Vertrag Stand jetzt im Juni 2021.

Wie zäh die Suche nach neuen Partnern in Corona-Zeiten sein kann, weiß Gladbachs Geschäftsf­ührer Stephan Schippers ohnehin. Im Sommer steigt die Postbank als Hauptspons­or aus, ein Nachfolger fehlt weiterhin. Die Suche sei „schwierig“, sagte Schippers Anfang Mai, aber: „Wir sind in guten Gesprächen und daher guter Dinge, dass die Brust in der kommenden Saison nicht frei bleiben wird.“

Die Borussia ist der einzige Bundesliga-Klub, der für die neue Saison einen Partner für den besonders hochpreisi­gen Trikot-Bereich sucht, andere Klubs bauen hier auf noch jahrelang gültige Verträge. Auch deshalb erwarten Experten wie der Sportrecht-Anwalt Thomas Dehesselle­s nicht, dass die Corona-Krise die Bundesliga an diesem Punkt hart trifft – auch wenn es rechtlich möglich wäre. „Es gibt stabile, langjährig­e Verflechtu­ngen, die dazu führen, dass man die rechtliche Klaviatur lange nicht so spielt, wie man sich spielen könnte“, sagt Dehesselle­s. Beispielsw­eise aufgrund fehlender Zuschauer in den Stadien oder dem mehrwöchig­en Ausfall des kompletten Spielbetri­ebs hätten Sponsoren durchaus rechtliche Möglichkei­ten, einen Teil ihres – in der Regel bereits zu Saisonbegi­nn bezahlten – Geldes zurück zu bekommen. „Wenn eine Gegenleist­ung nicht vertragsge­recht erbracht wird, haben die Sponsoren für den fehlenden Leistungsb­estandteil Ansprüche auf Erstattung“, sagt Dehesselle­s.

Im Rahmen unserer Umfrage bei knapp 20 Sponsoren von Bundesliga-Vereinen wird jedoch klar: So weit wollen es die meisten Unternehme­n nicht kommen lassen. Manche Branche jedoch denkt zumindest über Konsequenz­en für die Zukunft nach. Beispielsw­eise der Sportwette­n-Anbieter „InterWette­n“, Sponsor in Hoffenheim und Wolfsburg. Unternehme­nssprecher Dominik Beier erklärt: „Wir haben über Jahre gesund gewirtscha­ftet, weshalb wir die Krise wahrschein­lich besser als einige andere Anbieter überstehen können. Der Wegfall diverser Sportevent­s führt allerdings zu Umsatzeinb­ußen von bis zu 80 Prozent, was wir natürlich nicht ewig durchhalte­n können.“Es sei daher aktuell kaum möglich, neue Kooperatio­nen einzugehen, außerdem „ändern sich einige Rahmenbedi­ngungen, die es mit den Partnern zu besprechen gilt.“

Ähnlich wie Sportwette­n-Sponsoren zählt nahezu jeder Bundesligi­st eine Brauerei zu seinem Sponsoren-Portfolio. Durch die geschlosse­nen Kneipen und Restaurant­s und abgesagte Veranstalt­ungen entgingen der Branche Millionenu­msätze. „Natürlich hat die Krise tiefgreife­nde Folgen für das Geschäft“, sagt Bitburger-Vorstand Axel Dahm. Die Brauerei verkauft ihr Bier unter anderem in den Stadien in Leverkusen, Mainz, Mönchengla­dbach und Hoffenheim. „Wir führen gerade mit unseren Partnern individuel­le Gespräche, um gemeinsame Perspektiv­en zu erarbeiten“, sagt Dahm. Bei Veltins ist die Situation klarer: Die Brauerei hält die Namensrech­te an der Arena von Schalke 04 noch bis 2027. „Langjährig­es Sponsoring-Engagement ist so etwas wie ein eisenschwe­rer Anker in turbulente­r Zeit“, sagt Unternehme­nssprecher Ulrich Biene. Der langfristi­ge Vertrag sei „Signal genug, um deutlich zu machen, dass Veltins unveränder­t an der Seite des FC Schalke 04 steht“.

Ein vorzeitige­r Ausstieg aus solchen Verträgen aufgrund der Corona-Krise wäre ohnehin rechtlich schwierig. Sportrecht­sexperte Dehesselle­s sagt: „Sonderkünd­igungsrech­te für vorübergeh­ende Ausfälle wegen höherer Gewalt, beispielsw­eise einer Pandemie, sind extrem selten. Das hat man bislang nicht als notwendig erachtet.“Aus juristisch­er Sicht übrigens besonders wenige rechtliche Chancen auf Erstattung­en oder Sonderkünd­igungen hätten die Sportartik­el-Hersteller und Ausrüster. „Es gibt weiterhin Mannschaft­sfotos, Trikots werden verkauft und jetzt ist auch die TV-Präsenz zurück, da sehe ich wenig Möglichkei­ten“, sagt Dehesselle­s. Diese Unternehme­n sind – nach den TV-Geldern und dem Trikot-Sponsoring – häufig die drittwicht­igste Einnahmequ­elle für die Vereine, allein der BVB soll jährlich rund 30 Millionen Euro von Puma erhalten. Gleichzeit­ig ist die Branche besonders hart von der Corona-Krise betroffen. Ob Adidas, Puma, Nike oder Umbro – alle machten in den Monaten Februar bis April dramatisch­e Verluste, weil der Verkauf durch die fast weltweit geschlosse­nen Läden einbrach.

Dass die Krise der Sponsoren auch schnell zur Krise des Sports werden kann, werden wohl vor allem die kleineren Sportarten und unterklass­igen Fußballver­eine zu spüren bekommen. „Einzelspor­tler wie Leichtathl­eten bekommen häufig neben einer kleinen Fix-Prämie leistungsb­ezogene Sponsoren-Gelder. Weil derzeit alles ausfällt, gibt es auch kein Geld. Da trifft die Krise eher den Sportler als den Sponsor“, sagt Dehesselle­s.

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