Partnerschaft in der Krise
Die Bundesligisten sind auf die Millionen ihrer Sponsoren angewiesen. Doch in der Corona-Krise machen viele Unternehmen Verluste.
DÜSSELDORF Adidas beantragt Staatshilfen, die Lufthansa soll mit einem milliardenschweren Anteilskauf gerettet werden, VW schickt zehntausende Mitarbeiter in Kurzarbeit, gleiches gilt für die Groß-Brauereien Warsteiner und Bitburger. All diese Unternehmen kämpfen mit den Folgen des Coronavirus. Was sie außerdem eint: Sie sponsern Vereine der Fußball-Bundesliga mit Millionensummen.
Soweit es sich nachvollziehen lässt, musste allein die Hälfte der Bundesliga-Hauptsponsoren in den ersten Monaten des Jahres 2020 hohe wirtschaftliche Einbußen hinnehmen. Einige Beispiele: Schalkes Hauptsponsor Gazprom beschert der historisch niedrige Ölpreis täglich einen dreistelligen Millionenverlust. Paderborns Trikotsponsor „Sunmaker“konnte als Anbieter für Sportwetten wochenlang nahezu gar keinen Umsatz machen. Beim VfL Wolfsburg steht der VW-Konzern auf dem Trikot, hier waren zuletzt 80.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit – auch in der VfL-Geschäftsstelle, denn der Bundesligist ist 100-prozentige Tochter des Konzerns. „Der VfL nimmt im Sport eine Leuchtturmfunktion für Volkswagen ein. Dieses Engagement wird immer angemessene Unterstützung erfahren, die natürlich mit Blick auf die jeweilige Situation bei Unternehmen und Verein regelmäßig überprüft wird“, sagt ein VW-Sprecher.
Einen Vertrag einfach auslaufen lassen oder sogar kündigen kann VW bei seinem Werksklub Wolfsburg gar nicht. Und auch andere krisengeplagte Unternehmen wie Puma (BVB) oder Audi (FC Bayern) sind als Anteilseigner mehr als nur Sponsor. Da ist es wenig verwunderlich, dass beispielsweise Audi auf Anfrage mitteilt: „Das Sponsoring im Sport- und Kulturbereich bleibt auch in schwierigen Zeiten ein wichtiger Teil des Kommunikationskonzepts.“Allerdings
folgen Worte, die aufhorchen lassen: „Natürlich haben Einschränkungen in der Durchführbarkeit diverser Veranstaltungen auch direkte und indirekt Konsequenzen für Audi als Partner, die Konsequenzen werden im Einzelfall geprüft und bewertet.“Zum Saisonende läuft beispielsweise das Audi-Sponsoring bei der TSG Hoffenheim aus, in Mönchengladbach endet der Vertrag Stand jetzt im Juni 2021.
Wie zäh die Suche nach neuen Partnern in Corona-Zeiten sein kann, weiß Gladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers ohnehin. Im Sommer steigt die Postbank als Hauptsponsor aus, ein Nachfolger fehlt weiterhin. Die Suche sei „schwierig“, sagte Schippers Anfang Mai, aber: „Wir sind in guten Gesprächen und daher guter Dinge, dass die Brust in der kommenden Saison nicht frei bleiben wird.“
Die Borussia ist der einzige Bundesliga-Klub, der für die neue Saison einen Partner für den besonders hochpreisigen Trikot-Bereich sucht, andere Klubs bauen hier auf noch jahrelang gültige Verträge. Auch deshalb erwarten Experten wie der Sportrecht-Anwalt Thomas Dehesselles nicht, dass die Corona-Krise die Bundesliga an diesem Punkt hart trifft – auch wenn es rechtlich möglich wäre. „Es gibt stabile, langjährige Verflechtungen, die dazu führen, dass man die rechtliche Klaviatur lange nicht so spielt, wie man sich spielen könnte“, sagt Dehesselles. Beispielsweise aufgrund fehlender Zuschauer in den Stadien oder dem mehrwöchigen Ausfall des kompletten Spielbetriebs hätten Sponsoren durchaus rechtliche Möglichkeiten, einen Teil ihres – in der Regel bereits zu Saisonbeginn bezahlten – Geldes zurück zu bekommen. „Wenn eine Gegenleistung nicht vertragsgerecht erbracht wird, haben die Sponsoren für den fehlenden Leistungsbestandteil Ansprüche auf Erstattung“, sagt Dehesselles.
Im Rahmen unserer Umfrage bei knapp 20 Sponsoren von Bundesliga-Vereinen wird jedoch klar: So weit wollen es die meisten Unternehmen nicht kommen lassen. Manche Branche jedoch denkt zumindest über Konsequenzen für die Zukunft nach. Beispielsweise der Sportwetten-Anbieter „InterWetten“, Sponsor in Hoffenheim und Wolfsburg. Unternehmenssprecher Dominik Beier erklärt: „Wir haben über Jahre gesund gewirtschaftet, weshalb wir die Krise wahrscheinlich besser als einige andere Anbieter überstehen können. Der Wegfall diverser Sportevents führt allerdings zu Umsatzeinbußen von bis zu 80 Prozent, was wir natürlich nicht ewig durchhalten können.“Es sei daher aktuell kaum möglich, neue Kooperationen einzugehen, außerdem „ändern sich einige Rahmenbedingungen, die es mit den Partnern zu besprechen gilt.“
Ähnlich wie Sportwetten-Sponsoren zählt nahezu jeder Bundesligist eine Brauerei zu seinem Sponsoren-Portfolio. Durch die geschlossenen Kneipen und Restaurants und abgesagte Veranstaltungen entgingen der Branche Millionenumsätze. „Natürlich hat die Krise tiefgreifende Folgen für das Geschäft“, sagt Bitburger-Vorstand Axel Dahm. Die Brauerei verkauft ihr Bier unter anderem in den Stadien in Leverkusen, Mainz, Mönchengladbach und Hoffenheim. „Wir führen gerade mit unseren Partnern individuelle Gespräche, um gemeinsame Perspektiven zu erarbeiten“, sagt Dahm. Bei Veltins ist die Situation klarer: Die Brauerei hält die Namensrechte an der Arena von Schalke 04 noch bis 2027. „Langjähriges Sponsoring-Engagement ist so etwas wie ein eisenschwerer Anker in turbulenter Zeit“, sagt Unternehmenssprecher Ulrich Biene. Der langfristige Vertrag sei „Signal genug, um deutlich zu machen, dass Veltins unverändert an der Seite des FC Schalke 04 steht“.
Ein vorzeitiger Ausstieg aus solchen Verträgen aufgrund der Corona-Krise wäre ohnehin rechtlich schwierig. Sportrechtsexperte Dehesselles sagt: „Sonderkündigungsrechte für vorübergehende Ausfälle wegen höherer Gewalt, beispielsweise einer Pandemie, sind extrem selten. Das hat man bislang nicht als notwendig erachtet.“Aus juristischer Sicht übrigens besonders wenige rechtliche Chancen auf Erstattungen oder Sonderkündigungen hätten die Sportartikel-Hersteller und Ausrüster. „Es gibt weiterhin Mannschaftsfotos, Trikots werden verkauft und jetzt ist auch die TV-Präsenz zurück, da sehe ich wenig Möglichkeiten“, sagt Dehesselles. Diese Unternehmen sind – nach den TV-Geldern und dem Trikot-Sponsoring – häufig die drittwichtigste Einnahmequelle für die Vereine, allein der BVB soll jährlich rund 30 Millionen Euro von Puma erhalten. Gleichzeitig ist die Branche besonders hart von der Corona-Krise betroffen. Ob Adidas, Puma, Nike oder Umbro – alle machten in den Monaten Februar bis April dramatische Verluste, weil der Verkauf durch die fast weltweit geschlossenen Läden einbrach.
Dass die Krise der Sponsoren auch schnell zur Krise des Sports werden kann, werden wohl vor allem die kleineren Sportarten und unterklassigen Fußballvereine zu spüren bekommen. „Einzelsportler wie Leichtathleten bekommen häufig neben einer kleinen Fix-Prämie leistungsbezogene Sponsoren-Gelder. Weil derzeit alles ausfällt, gibt es auch kein Geld. Da trifft die Krise eher den Sportler als den Sponsor“, sagt Dehesselles.