Rheinische Post Hilden

Chorprobe ohne Ton

Seit drei Wochen singt der Basilika-Chor von St. Margareta online. Mehr als 80 der 120 Sänger nehmen daran teil.

- VON BIRGIT WANNINGER

GERRESHEIM Wenn mehr als 80 Mitglieder eines Chores singen, ohne den anderen zu hören, dann ist das schon ein merkwürdig­es Szenario. Erst recht, wenn der Chorleiter, konzentrie­rt auf dem E-Piano spielt und dirigiert, ohne auch nur einen Ton zu hören. „Aber ich kenne meine Sänger, ich weiß, wo und wann sie Fehler machen, und das sage ich ihnen auch.“

Der Kirchenmus­iker Klaus Wallrath, Kantor und Chorleiter an der Basilika St. Margareta, weiß, wovon er spricht. Wie den vielen Chormitgli­edern fehlte auch ihm die Musik in Corona-Zeiten. Keine Gottesdien­ste, bei denen seine Chöre auftraten, keine gemeinsame­n Chorproben, die alle so gerne haben, weil es nicht nur ums Singen, sondern auch ums Beisammens­ein geht.

Sämtliche Angebote seien weggefalle­n mit dem Lockdown. „Von jetzt auf gleich war am 15. März Schluss“, sagt er. Um seine Sänger ein wenig zu motivieren, schickte er Video-Botschafte­n an sie. Angehängt war ein PDF mit Noten und Texten, „so dass sie zu Hause singen konnten“. Das war kurz vor Ostern. „Doch ich hatte das Gefühl, das nutzt sich ab“, sagt der 61-Jährige, obwohl die Resonanz groß gewesen sei – mit vielen Dankes-Mails.

Dann kam die Idee mit der Video-Schaltung, die seine Kollegin Pamela König in Wersten schon ausprobier­t hatte. „Ich war skeptisch“, sagt Wallrath. Zumal seine Kollegin einen wesentlich kleineren Chor mit diesem Experiment ansprach. Wallrath hingegen hat mit dem Basilika-Chor mehr als 120 Sänger. Hinzu kommt die Chorschule mit 150 Kindern und Jugendlich­en, die nach Altersgrup­pen aufgeteilt sind, die Jugendkant­orei und der Jugendkamm­erchor.

Dann begann er vor drei Wochen mit der ersten Chorprobe per Video. Andreas Peters half ihm bei der Technik. Das private Equipment ist veraltet. Doch die Gerresheim­enr Bürgerstif­tung Gerricus hat signalisie­rt, finanziell Hilfe zu leisten. Schon bei der ersten Probe waren 60 Chormitgli­eder jeden Alters online – von 18 bis 90. „Unsere 90-Jährige hat sich technisch von ihrer Enkelin helfen lassen und kräftig mitgesunge­n“, sagt Wallrath. Bei der zweiten Probe schalteten sich schon 75 Sänger zu, und der Kantor ließ nicht nur einfache Lieder singen, sondern auch Teile aus Mozarts Requiem, eine ganz schöne Herausford­erung. Beim dritten Mal waren es mehr als 80, und Walllrath hat alle vier Chorstimme­n im großen Pfarrsaal von St. Ursula mit Solisten besetzt, die weit auseinande­r standen.

Zwar soll es nun Lockerunge­n bei Chorproben geben, dazu hat sich Wallrath gestern erkundigt. Bis zu sechs Sänger können gemeinsam proben, allerdings nur 15 Minuten, dann müsse der Raum gelüftet werden. „Das ist bei meinen Chören gar nicht möglich. Mein kleinster Chor hat fast 30 Sänger, der große bis zu 120.“Abstand sei beim Singen besonders wichtig erklärt der Kirchenmus­iker, der seit mehr als 30 Jahren an St. Margareta arbeitet. Denn bei Chören sei die Infektions­gefahr durchs Singen besonders groß, wenn kleine Tröpfen des Speichels in die Luft gelangen. „Und beim kräftigen Einatmen gelangen die Viren noch tiefer in die Lunge“, erklärt er. Deshalb werde es vorerst nichts mit normalen Proben.

Mozarts Requiem steht zwar erst in eineinhalb Jahren auf dem Plan, doch die Erfahrung habe ihm gezeigt, es sei nie zu früh, zu planen. Er hofft auf Weihnachte­n, aber es nütze nichts, sich darüber Gedanken zu machen. Deshalb geht es jetzt regelmäßig online weiter. Die Jugendkant­orei hat auch mit den Proben begonnen. Und bei den Kinderchör­en arbeite er mit seinem Team noch an einem Programm.

Zwar gibt es keine Umarmung oder einen gemeinsame­n Absacker um die Ecke. Aber es wird nach der Probe virtuell mit einem Gläschen angestoßen. Und der Chor bleibt auch noch online, um ein wenig miteinande­r zu quatschen, so wie es auch vor Corona der Fall war. Wallrath möchte eben ein wenig Normalität erreichen.

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN-BAUER ?? Klaus Wallrath leitet die digitale Chorprobe des Basilkas-Chors im Saal der St. Ursula Gemeinde. Ein Teil der Musiker ist vor Ort, der Rest wird online dazugescha­ltet.
FOTO: HANS-JÜRGEN-BAUER Klaus Wallrath leitet die digitale Chorprobe des Basilkas-Chors im Saal der St. Ursula Gemeinde. Ein Teil der Musiker ist vor Ort, der Rest wird online dazugescha­ltet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany