„Bund und Land müssen Städten helfen“
Ökonom warnt vor kommunalen Sparkursen, Gewerbesteuersenkungen oder Schutzschirmen für die Gastronomie.
DÜSSELDORF Nicht nur die Wirtschaft, auch die Kommune wird durch die Folgen der Pandemie durchgeschüttelt. Von fast einer Milliarde Euro an geplanten Gewerbesteuereinnahmen droht in Düsseldorf die Hälfte wegzubrechen. Gleichzeitig soll die Kommune der lokalen Wirtschaft helfen. Über diese schwierige Lage haben wir mit dem Düsseldorfer Ökonomen Jens Südekum gesprochen. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Im März legte er mit fünf weiteren Top-Ökonomen in der Bundespressekonferenz ein Papier zur Schadensbegrenzung wirtschaftlicher Folgen der Corona-Krise vor. Seit 2014 ist er Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre am Düsseldorfer Institute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität.
Herr Südekum, die Pandemie hat die Kommunen in eine bedrohliche Lage katapultiert, selbst das vergleichsweise gut aufgestellte Düsseldorf. Einerseits brechen die Einnahmen massiv ein, andererseits sind die Hilfeschreie aus der lokalen Wirtschaft laut. Wie besteht eine Stadt diese Zerreißprobe?
Diese Krise ist über uns alle hereingebrochen, ohne dass irgendjemand etwas dafür kann. Aber eine einzelne Kommune wäre völlig überfordert damit, gegen den Einbruch ihres Finanzrahmens vorzugehen. Deshalb ist es zunächst die Aufgabe von Bund und Land, für die Kommunen einen Rettungsschirm zu spannen. Den gab es ja auch mit Kurzarbeit, Hilfspaketen und KFW-Krediten für die Wirtschaft. Im Idealfall sollte die Kommune nach der Krise so dastehen, als ob nichts passiert wäre. Ganz realistisch ist das wohl nicht, aber wir
Jens Südekum
sollten versuchen, dem so nahe wie möglich zu kommen.
Wie sollten Kommunen handeln? Südekum Wenn der Kommune jetzt akut Zahlungsschwierigkeiten drohen, dann sollte sie zunächst in Vorleistung treten und Kassenkredite nutzen. So kann sie sofortige Kürzungen erstmal vermeiden. Gleichzeitig müssen die Kommunen aber mit all ihren gewichtigen politischen Stimmen den Druck auf Bund und das letztlich für die Finanzen der Kommune verantwortliche Land erhöhen, damit sie auf diesen Schulden nicht sitzenbleiben.
Wie realistisch ist es, dass die Hilfe ankommt? Der Vorschlag von Bundesfinanzminister
Olaf Scholz hat ja viel Gegenwind bekommen. Südekum Es wird am Ende einen Kompromiss geben. Bayern und Baden-Württemberg haben natürlich kaum Interesse an der vorgeschlagenen Übernahme von Altschulden durch den Bund, da sie kaum profitieren würden. Sie würden jedoch stark profitieren, wenn die krisenbedingt ausfallenden Einnahmen, vor allem bei der Gewerbesteuer, für die Kommunen ausgeglichen werden. Hier sollte eine Einigung möglich sein. Sonst droht den finanzschwächsten Kommunen eine Schuldenkrise.
Der OB-Kandidat der CDU, Stephan Keller, hat einen Schutzschirm
für die Gastronomie in Düsseldorf vorgeschlagen.
Südekum Das ist nicht die Aufgabe der Kommune. Dafür gibt es die besagten Hilfen des Bundes. Ich rate den Unternehmen – auch in der Gastronomie – dazu, die Kredite der KFW – wenn nötig – in Anspruch zu nehmen. Es könnte durchaus sein, dass bei einem schweren Verlauf der Krise ein Teil der Forderungen erlassen wird.
Die FDP-Kandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schlug eine vorübergehende Senkung der Gewerbesteuer vor.
Südekum Viele krisengeschüttelte Unternehmen werden dieses Jahr eh keine Gewinne ausweisen. Die haben dann nichts von gesunkenen Gewerbesteuern. Dafür profitieren die wenigen Unternehmen, deren Geschäft durch Corona sogar beflügelt wurde. Außerdem ist mehr Steuerwettbewerb der Kommunen in NRW eine schlechte Antwort auf die Krise. Dann stößt sich Düsseldorf auf Kosten seiner Nachbarn gesund. Mit Steuersenkungen kann man schon viel erreichen. Aber sie sollten für alle auf Bundesebene entschieden werden und zielgenau sein. Sehr effektiv wäre es, die Deckelung des Verlustrücktrags zu heben. So könnten krisenbedingte Einbrüche steuerlich mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden.
Wo sollte die Krisenhilfe der Kommune stattdessen ansetzen? Südekum Sie muss natürlich Schwerpunkte setzen und jede kommunale Ausgabe kritisch überprüfen. Aber sie sollte nicht versuchen, auf eigene Faust gegen die Krise anzusparen. Denn wenn die Kommune den Rotstift ansetzt, dann geht das oft nur bei den sogenannten „freiwilligen Leistungen“. Das hätten die Schwächsten auszubaden, die sozialen und kulturellen Initiativen, die von ihr als Träger abhängig sind, die Theater, die Jugendarbeit. Und Investitionen in die Zukunft würden wieder auf die lange Bank geschoben. Dann ginge viel Lebensqualität vor Ort verloren. Letztlich müssen wir anerkennen, dass man gegen die Corona-Krise nur gemeinsam auf nationaler und europäischer Ebene ankommt. Die Kommunen müssen sich dafür einsetzen, dass ihre Finanz- und Personalausstattungen erhalten bleiben, damit sie vor Ort in Schulen und Infrastruktur investieren können. Das gilt nach der Krise noch mehr als davor.