Koalition ringt um 100-Milliarden-Konjunkturpaket
BERLIN Wenige Tage vor dem Treffen der Koalitionsspitzen am kommenden Dienstag laufen die Vorbereitungen für das geplante Konjunkturpaket der Bundesregierung auf Hochtouren. Aus dem Finanz- und Wirtschaftsministerium kursieren lange Vorschlagslisten für Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft, hinzu kommen Wünsche der Koalitionsfraktionen und der Länder. Das Paket soll weitere Soforthilfen für Unternehmen und Branchen wie die Autoindustrie, Maßnahmen zur Stimulierung der privaten Nachfrage und zur Entlastung der Kommunen sowie ein in die Zukunft gerichtetes, längerfristiges Investitionsprogramm enthalten. Das Paket könnte am Ende ein Volumen von 100 Milliarden Euro erreichen, hieß es in Koalitionskreisen.
Weitgehend einig sind Union und SPD darüber, dass mittelständische Unternehmen mit elf bis 249 Mitarbeitern zusätzliche Hilfen benötigen, um eine Pleitewelle zu verhindern. Wie bisher schon kleine Unternehmen sollen künftig auch die etwas größeren Firmen nicht rückzahlbare Soforthilfen beantragen können. Bisher gibt für sie nur staatlich abgesicherte Liquiditätskredite der Förderbank KfW. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will nun für die etwas größeren Mittelständler ein 25-Milliarden-Euro-Programm durchsetzen.
Unternehmen sollen zudem mehr Verluste aus dem laufenden Jahr mit Gewinnen aus früheren Jahren verrechnen können und so Steuerrückerstattungen erhalten, die unmittelbar ihre Liquidität verbessern. Der Verlustrücktrag ist bisher auf 15 Prozent gedeckelt und dürfte deutlich heraufgesetzt werden. Ebenso unstrittig ist in der Koalition die Einführung einer befristeten degressiven Sonderabschreibung für Unternehmensinvestitionen.
Umstritten ist dagegen die Frage, wie die Regierung der Autoindustrie unter die Arme greifen will. Altmaier wirbt intern dafür, staatliche
Kaufprämien nicht nur auf umweltfreundliche Motoren zu beschränken, sondern sie auch für Benzinund Diesel-Fahrzeuge zu gewähren. Dies will die SPD-Fraktion nicht mitmachen. Allerdings hatte sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) für eine möglichst technologieoffene Lösung starkgemacht.
Auch über Maßnahmen zur Ankurbelung der Nachfrage wird noch gestritten. Die SPD hat einen einmaligen Familienbonus von 300 Euro pro Kind vorgeschlagen, die Union hält ihn für nicht zielgenau genug. Sie setzt eher auf steuerliche Erleichterungen für breite Bevölkerungsschichten. So könnte die für 2021 geplante Soli-Abschaffung für 90 Prozent der Steuerzahler auf den 1. Juli vorgezogen werden. Eine befristete allgemeine Mehrwertsteuersenkung hat dem Vernehmen nach dagegen keine Chance.
Bislang sträubt sich die Union auch gegen die von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgeschlagene Übernahme der kommunalen Altschulden durch Bund und Länder. Die Kritiker der Altschuldenhilfe in der Union könnten bis Dienstag aber noch von den unionsgeführten Ländern überstimmt werden. Schließlich würde vor allem das mächtige, unionsgeführte Nordrhein-Westfalen von der Altschuldenhilfe profitieren.