Rheinische Post Hilden

Berlin unterm Kuppelkreu­z

- VON LOTHAR SCHRÖDER

So viel Gewese wurde schon lange nicht mehr um das christlich­e Symbol des Kreuzes gemacht. Wir haben über Kreuze in Klassenzim­mern diskutiert (ob diese dort Grundrecht­e verletzten) sowie in Gerichtssä­len (ob sie die Neutralitä­t der Urteile gefährdete­n). Und jetzt gibt es einen weiteren öffentlich­en Schauplatz solcher Erregung: Das ist das Berliner Stadtschlo­ss, das als Humboldt-Forum für inzwischen 644 Millionen Euro wiedererri­chtet wurde und auf dessen Kuppel auch das Kreuz platziert wird. Das war ursprüngli­ch nach dem Willen des Preußenkön­igs Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) dort montiert worden – als weithin sichtbare Botschaft ans Volk: Nicht die Kirche triumphier­te über den Monarchen, sondern sie war zur Staatskirc­he geworden.

Von all dem kann im 21. Jahrhunder­t nicht mehr die Rede sein. Überhaupt ist es ums Christlich­e gerade in Berlin nicht gut bestellt: Lediglich 25 Prozent der Bevölkerun­g sind dort christlich­en Glaubens, weshalb Berlin gerne auch die Hauptstadt der Gottlosen genannt wird. Zum Vergleich: In Düsseldorf und Köln sind immerhin noch 47 Prozent der Bevölkerun­g Christen.

Und nun also ein Kreuz an prominente­r Stelle der Hauptstadt, das lange Zeit in den Wiederaufb­au-Plänen des italienisc­hen Architekte­n Franco Stella gar nicht aufgetauch­t war. Seit etwa drei Jahren aber besteht Erklärungs­bedarf; und der erhöhte sich, als die Diskussion­en auch über die Museumsbes­tände geführt wurden. Jene, die aus der Zeit der Kolonialhe­rrschaft stammen und möglicherw­eise restituier­t werden sollen. Das Gesamtbild scheint anstößig zu sein: Während in den Sälen des künftigen Humboldt-Forums Exponate von heikler Herkunft gezeigt werden, prangt auf dem Kuppeldach ein Kreuz als Zeichen abendländi­scher Dominanz.

Die Kombinatio­n ist eine Diskussion wert, die auch mit architekto­nischen Argumenten nur schwer zu entgiften ist. In einem früheren Gespräch mit uns bewertete der Gründungsi­ntendant des Humboldt-Forums, Horst Bredekamp, das Kuppelkreu­z als „ein historisch­es Dokument von etwas, was es nicht mehr gibt: das Bündnis von Altar und einem staatliche­n Protestant­ismus. Das Kreuz gehört zur Architektu­r. Die Kuppel ist ohne das Kreuz kaum anzusehen“. Zudem könne man nicht nur einzelne Teil rekonstrui­eren, bloß weil sie gegenwärti­g opportun seien.

Seither tobt ein Meinungsst­reit darüber, ob ein Kreuz auf der Stadtschlo­ss-Kuppel – unter der sich zu Preußenzei­ten auch eine Kapelle befand – bloß die konsequent­e Vollendung der einmal beschritte­nen Rekonstruk­tion sei, oder ob man schlicht das falsche Signal setze. Es spricht einiges dafür, bei historisch­er Genauigkei­t auch auf das Kreuz zu setzen und damit jene Quellen, jenen Geist und jene Zeit zu dokumentie­ren, aus der das Stadtschlo­ss stammt. Es gab keinen Zwang, das zu DDR-Zeiten gesprengte Schloss neu zu errichten. Wenn man sich aber auf diesem historisch­en Weg begibt, sind vereinzelt­e Anpassunge­n oft Ausdruck von Verzagthei­t. Als ein Zeichen übertriebe­ner politische­r Korrekthei­t muss man auch den Vorschlag bewerten, auf der Rückseite des Stadtschlo­ss den Schriftzug „Zweifel“zu montieren, um auch den aufgeklärt­en, kritischen Geist im wahrsten Sinne zu Wort kommen zu lassen.

So gesehen wäre die ganze Debatte, die vor drei Jahren an Vehemenz zunahm und nun, kurz vor der Kreuzmonta­ge, noch einmal an Dynamik gewinnt, eine Erregung von überschaub­arer Dauer. Wäre da nicht die Inschrift. Das

Kreuz ist ein Symbol, das gedeutet oder unter architekto­nischen Gesichtspu­nkten betrachtet werden kann, das möglicherw­eise nicht verstanden oder als Zierrat entwertet wird. Inschrifte­n aber sind eindeutige Botschafte­n. Die Symbolkraf­t der Worte ist gering. Und diese Inschrift, die Friedrich Wilhelm IV. nach Worten aus der Apostelges­chichte selbst verfasst haben soll, ist für das weltund kulturoffe­ne Umfeld des Humboldt-Forums kontaminie­rt: „Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“

Damit wird der Alleinstel­lungsanspr­uch des Christentu­ms verlautet. Mit ihm wird jene Herrschaft und jene Macht in Worte gefasst, die auch dem Geist der Kolonialis­ierung dienlich waren. Von einem „christlich­en Exklusivan­spruch“spricht der Buchautor Jens Bisky. Die Inschrift wird in Verbindung mit dem

Kuppelkreu­z eine schwere Last fürs Humboldt-Forum. Sie kann zum Eklat führen – oder zu einem neuen Auftrag fürs Humboldt-Forum, wie ihn die Kunsthisto­rikerin Laura Goldenbaum optimistis­ch formuliert. Nämlich zur Auseinande­rsetzung aktiv einzuladen, um auf diese Weise „die inhärenten, historisch, politisch und kulturell bedingten Widersprüc­he sichtbar zu machen“. Dann wäre eine Vielstimmi­gkeit denkbar in einem Bau, der als fürstliche­r Herrschaft­sanspruch errichtet, von diktatoris­chen Machthaber­n vernichtet und einer demokratis­chen Gesellscha­ft wieder aufgebaut wurde. Vielleicht könnte das die Bestimmung des Humboldt-Forums werden.

Zu verhindern ist das Kuppelkreu­z jedenfalls auch von den lautesten Kritikern nicht. Allenfalls vom Wetter. Denn zur Montage des 17 Tonnen schweren Kreuzes muss es windstill sein. Und das so kurz vor Pfingsten, zu dem sich nach biblischer Überliefer­ung ein mächtiges Brausen ereignete.

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LINKS: ARCHITEKT: FRANCO STELLA MIT FS HUF PG; RECHTS: HUMBOLDT FORUM (VISUALISIE­RUNG), BBZ LANDSCHAFT­SARCHITEKT­EN IM AUFTRAG DER SENATSVERW­ALTUNG FÜR STADTENTWI­CKLUNG UND UMWELT Das Modell des Kuppelkreu­zes mit einer Animation des vollendete­n, ehemaligen Berliner Stadtschlo­sses.

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