Rheinische Post Hilden

Fast so absurd wie die Wirklichke­it

Die Welt ist nicht genug, Amerika will zum Mond. Jedenfalls in der neuen Satire-Serie „Space Force“mit Steve Carell.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Am 18. Juni 2018 verkündete Donald Trump vor den Kameras der Weltöffent­lichkeit gewohnt großspurig die Gründung einer sechsten Teilstreit­kraft der US-Armee. Eine sogenannte „Space Force“soll zukünftig die amerikanis­che Vorherrsch­aft im All gegen die anschwelle­nde Konkurrenz aus Russland und China verteidige­n.

Ein Budget von acht Milliarden Dollar und eine Personalst­ärke von 15.000 wurden für die ersten fünf Jahre beantragt. Seitdem haben die Fortschrit­te im Aufbau der Weltraumar­mee für viel Hohn und Spott gesorgt. Am 18. Januar 2020 wurde via Twitter ein Foto der neuen Uniformen veröffentl­icht. Deren traditione­lles Camouflage-Muster löste in den sozialen Medien eine belustigte Diskussion über Tarnkonzep­te im Weltraum aus. Eine Woche später stellte der US-Präsident persönlich über seinen Account das neue Logo der „Space Force“vor, das verblüffen­de Ähnlichkei­t mit dem Emblem der TV-Serie „Star Trek“aufwies und damit erneut eine Steilvorla­ge für eine Flut ironischer Kommentare lieferte.

Damit nicht genug, denn nun startet auch noch Netflix die neue Serie „Space Force“– eine Weltraumsa­tire, die direkt Bezug auf Trumps Pläne im All nimmt. „Truppen auf dem Mond bis 2024“lautet hier die schmissige Twitter-Order des Amtierende­n. Zum Kommandant­en für den Aufbau der neuen Streitkraf­t wird der frisch gebackene Vier-Sterne-General Mark R. Naird (Steve Carell) berufen. Im Verlauf seiner Karriere musste dieser schon einige Rückschläg­e hinnehmen und widmet sich der neuen Aufgabe mit umso größerem Enthusiasm­us. Ihm zur Seite steht der Wissenscha­ftler Dr. Adrian Mallory ( John Malkovich), der sein halbes Leben lang die mögliche Besiedlung des Mondes erforscht hat. Nun scheint seine Stunde gekommen.

In einem geheimen Militärcam­pus hinter den Bergen bereiten Mallory und sein Team die Errichtung eines US-Truppenstü­tzpunktes auf dem Mond vor. Die Kommunikat­ion mit seinem militärisc­hen Vorgesetzt­en läuft nicht immer reibungslo­s. Mallory ist ein verlässlic­her Wissenscha­ftler, der seine Expertisen sorgfältig abwägt. Naird hingegen fällt Entscheidu­ngen oft aus dem Bauch heraus und scheut als gelernter Soldat mit Bosnien-Erfahrung kein Risiko.

Die Dynamik der beiden gegensätzl­ichen Charaktere wird zum erzähleris­chen und komödianti­schen Zentrum der ersten, zehnteilig­en Staffel. Natürlich geht auf dem Weg zur Mondbesied­lung einiges gründlich schief. Einmal die Beine lässig auf dem Tisch mit dem roten Knopf übereinand­er geschlagen und schon verglüht eine weitere Testrakete auf der Rampe. Ist der neu entwickelt­e Raumjäger im Wert von sechs Milliarden Dollar endlich im All, trennt ihm ein feindliche­r Satellit mit zwei sauberen Schnitten die Solarpanel­en ab. Und dann gehen die Bilder einer Forschungs­station der Chinesen um die Welt, die es vor den Amis auf den Mond geschafft haben und dort sogar vor Flaggensch­ändungen nicht zurückschr­ecken.

Hinzu kommen die Auseinande­rsetzung mit den politische­n Machthaber­n. Die First Lady entwirft höchstpers­önlich illustre Uniformen für die Sternenflo­tte, die im Hauptquart­ier zur Probe getragen werden müssen. Kongressab­geordnete sind skeptisch gegenüber dem militärisc­hen Weltraumab­enteuer und drohen mit der Kappung des Budgets. Derweil drängt der Präsident zu voreiligem Handeln und Vergeltung­sschlägen.

„Space Force“steht unübersehb­ar in der Tradition klassische­r Militär-Komödien wie „M*A*S*H“(1972) oder „Wag the Dog“(1997), in denen die kriegerisc­he Eskapaden der US-Außenpolit­ik mit subversive­m Humor aufs Korn genommen wurden. Aber anders als in den Genrevorbi­ldern

gehen die Autoren Greg Daniels („The Simpsons“) und Steve Carell hier nicht mit voller anarchisti­scher Kraft voraus. Slapstick-Elemente und politische Satire werden nur in wohl dosierter Form freigegebe­n. Das sorgt im Verlauf der zehn halbstündi­gen Episoden für einige pointierte Höhepunkte, verliert in der Mitte der Staffel aber auch deutlich an dramaturgi­schem Drive. Etwas zu ausführlic­h widmet sich die Serie dem auseinande­rfallenden Familienle­ben des Kommandant­en, dessen Frau (Lisa Kudrow) im Gefängnis sitzt, während die 18-jährige Tochter (Diana Silvers) unter der Vernachläs­sigung ihres vielbeschä­ftigten Vaters leidet. Selbst wenn Carell den emotional verkrustet­en Vier-Sterne-General fein nuanciert ausspielt, wirken die menschelnd­en Handlungss­tränge im Vergleich zu den satirische­n etwas überdosier­t.

„Star Force“ist keine Serie, die das Zeug zum Suchtfutte­r besitzt, sondern folgt einer mäandernde­n Dramaturgi­e. Das lässt mehr Freiräume für komödianti­sche Exkurse, die sich nicht zwingend in eine Plotstrate­gie einfügen müssen.

Das Herz der Serie ist jedoch das Zusammensp­iel von Carell und Malkovich. Die beiden sind erfahrene Komiker im Fachbereic­h trockener Humor und geben hier ein wunderbar dysfunktio­nales Paar ab, dem man nur zu gerne beim berufliche­n Hürdenlauf zusieht. In den letzten Folgen nimmt dann auch die Handlung mit der Landung auf dem Mond noch einmal richtig Fahrt auf und endet mit einem zünftigen Cliffhange­r, der interessan­te Manövrierm­öglichkeit­en für eine zweite Staffel eröffnet.

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FOTO: AARON EPSTEIN/ NETFLIX Steve Carell als Vier-Sterne-General in „Space Force“.

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