Der Entfesselungskünstler
NRW soll nach dem Willen von Armin Laschet Vorbild beim Bürokratieabbau sein. Die Bilanz für das Land fällt gemischt aus.
DÜSSELDORF NRW will sich als Vorbild für den Bund empfehlen und der Ministerpräsident für höhere Aufgaben: Am Freitag bringt Armin Laschet (CDU) ein Entfesselungspaket für die Wirtschaft in den Bundesrat ein. Eine Entfesselung wie in NRW brauche man auch im Bund, so Laschet. Doch wie viele Fesseln sind tatsächlich gefallen?
„Die Landesregierung hat mit einer innovations- und gründerfreundlicher ausgerichteten Politik, deutlich spürbaren Anstrengungen beim Infrastruktur-Ausbau und ersten entschlossenen Schritten beim Bürokratieabbau das Klima für Investitionen und Arbeitsplätze erheblich verbessert“, sagt Arndt Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände. „Mit den Entfesselungspaketen wurden wichtige bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt.“Er begrüße, dass das Land diesen Ansatz auf die Bundesebene trage.
Ganz anders sieht es die IG Metall. „Continental, Schaeffler, Caterpillar oder Thyssenkrupp zeigen, dass die Probleme im Land immer größer werden. Keines davon löst man mit dem Abbau von Arbeitnehmerrechten, wie sie die Landesregierung mit der Bundesratsinitiative durch die Ausweitung der Verdienstgrenze bei Minijobs und der Verlängerung der sachgrundlosen Befristung anstrebt“, sagte Knut Giesler, Chef der Gewerkschaft in NRW. Laschets Initiative wirke aus der Zeit gefallen. „Sie entpuppt sich als schlichte, ideologisch getriebene Deregulierungspolitik.“NRW brauche anderes: „Die Stahlsparte von Thyssenkrupp braucht eine staatliche Beteiligung.“
Beschleunigung von Verfahren
Das Land wollte Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Hier kann man aber erst wenig vorweisen: „Wir arbeiten gegenwärtig daran, die Digitalisierung von Genehmigungsverfahren voranzutreiben“, so das Wirtschaftsministerium.
Immerhin kann es auf gelungene Einzelfälle verweisen: In Rekordzeit habe die Bezirksregierung Köln im Rahmen eines Modellversuchs die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Erweiterung des Fluorsulfonsäure-Betriebs von Lanxess abgewickelt. „Von der Investitionsentscheidung
bis zur Genehmigung gingen nur zwölf statt der sonst üblichen 20 Monate ins Land“, erklärte ein Sprecher von Andreas Pinkwart (FDP).
Gründerpolitik Damit Gründer schneller loslegen können, führte die Landesregierung wie versprochen die elektronische Gewerbeanmeldung ein. Nachdem es hier jahrelang gehakt hatte, gelang unter Schwarz-Gelb der Durchbruch. Zudem setzte sich Pinkwart für Verbesserungen bei der Mitarbeiterbeteiligung ein. In den USA ist es viel einfacher, Beschäftigte über Aktien am Gewinn zu beteiligen. Der Bundesverband Deutsche Start-ups fordert dies auch, um Start-ups interessanter für internationale Talente zu machen. Änderungen wurden auf Bundesebene auf den Weg gebracht. Doch die Gründer drücken auch Sorgen, die nur auf Bundesebene zu lösen sind. Um Fachkräfte aus dem Ausland anheuern zu können, was viele Start-ups enorm entlasten würde, müssten Bundesgesetze geändert werden.
Elektronische Rechnungen
Die sind nun möglich. Im April wurde das E-Rechnungsportal in Betrieb genommen, über das alle Behörden von Land und Kommunen elektronisch erzeugte Rechnungen entgegennehmen können.
Sonntagsöffnung Keine glückliche Hand hat NRW beim Versuch, mehr Sonntagsöffnungen zu ermöglichen. Zwar wurde das Ladenöffnungsgesetz reformiert, die Corona-Öffnungen scheiterten jedoch. So hatte NRW im Sommer vier weitere Sonntagsöffnungen bis Jahresende erlaubt, damit der Handel coronabedingte Umsatzausfälle aufholen kann. Doch dafür wird Pinkwart nun vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster scharf kritisiert: Es widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn das Ministerium an einem Erlass festhalte, der Kommunen zu verfassungswidrigen Entscheidungen verleite. Das OVG pocht auf die im Grundgesetz festgeschriebene Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen
und hat bereits 14 Städten die Sonntagsöffnung verboten. Die Verwaltungsgerichte legten die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts äußerst restriktiv aus, meint dagegen das Ministerium.
Wasser- und Naturschutz
Rot-Grün hatte bis 2017 die Umweltgesetze genutzt, um Bundesregeln zu verschärfen. So wurde für Umweltverbände das Klagerecht und das Vorkaufsrecht bei Grundstücken erweitert. Das sollte es ihnen leichter machen, ungeliebte Firmen zu blockieren. Auch hat Rot-Grün den Kiesabbau am Niederrhein durch scharfe Regeln zum Rohstoffabbau erschwert. Die Wirtschaft ist enttäuscht, dass Laschet die Verschärfungen noch nicht wieder kassiert hat. „Leider haben immer noch zahlreiche investitionsfeindliche umweltpolitische Alleingänge der Vorgängerregierung Bestand. Das gilt insbesondere für das Landeswasserund Landesnaturschutzgesetz“, beklagte Kirchhoff. Entfesseln bleibt eine Daueraufgabe.