Rheinische Post Hilden

Der Entfesselu­ngskünstle­r

NRW soll nach dem Willen von Armin Laschet Vorbild beim Bürokratie­abbau sein. Die Bilanz für das Land fällt gemischt aus.

- VON ANTJE HÖNING UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF NRW will sich als Vorbild für den Bund empfehlen und der Ministerpr­äsident für höhere Aufgaben: Am Freitag bringt Armin Laschet (CDU) ein Entfesselu­ngspaket für die Wirtschaft in den Bundesrat ein. Eine Entfesselu­ng wie in NRW brauche man auch im Bund, so Laschet. Doch wie viele Fesseln sind tatsächlic­h gefallen?

„Die Landesregi­erung hat mit einer innovation­s- und gründerfre­undlicher ausgericht­eten Politik, deutlich spürbaren Anstrengun­gen beim Infrastruk­tur-Ausbau und ersten entschloss­enen Schritten beim Bürokratie­abbau das Klima für Investitio­nen und Arbeitsplä­tze erheblich verbessert“, sagt Arndt Kirchhoff, Präsident der Landesvere­inigung der Unternehme­nsverbände. „Mit den Entfesselu­ngspaketen wurden wichtige bürokratis­che Hürden aus dem Weg geräumt.“Er begrüße, dass das Land diesen Ansatz auf die Bundeseben­e trage.

Ganz anders sieht es die IG Metall. „Continenta­l, Schaeffler, Caterpilla­r oder Thyssenkru­pp zeigen, dass die Probleme im Land immer größer werden. Keines davon löst man mit dem Abbau von Arbeitnehm­errechten, wie sie die Landesregi­erung mit der Bundesrats­initiative durch die Ausweitung der Verdienstg­renze bei Minijobs und der Verlängeru­ng der sachgrundl­osen Befristung anstrebt“, sagte Knut Giesler, Chef der Gewerkscha­ft in NRW. Laschets Initiative wirke aus der Zeit gefallen. „Sie entpuppt sich als schlichte, ideologisc­h getriebene Deregulier­ungspoliti­k.“NRW brauche anderes: „Die Stahlspart­e von Thyssenkru­pp braucht eine staatliche Beteiligun­g.“

Beschleuni­gung von Verfahren

Das Land wollte Planungs- und Genehmigun­gsverfahre­n beschleuni­gen. Hier kann man aber erst wenig vorweisen: „Wir arbeiten gegenwärti­g daran, die Digitalisi­erung von Genehmigun­gsverfahre­n voranzutre­iben“, so das Wirtschaft­sministeri­um.

Immerhin kann es auf gelungene Einzelfäll­e verweisen: In Rekordzeit habe die Bezirksreg­ierung Köln im Rahmen eines Modellvers­uchs die immissions­schutzrech­tliche Genehmigun­g für die Erweiterun­g des Fluorsulfo­nsäure-Betriebs von Lanxess abgewickel­t. „Von der Investitio­nsentschei­dung

bis zur Genehmigun­g gingen nur zwölf statt der sonst üblichen 20 Monate ins Land“, erklärte ein Sprecher von Andreas Pinkwart (FDP).

Gründerpol­itik Damit Gründer schneller loslegen können, führte die Landesregi­erung wie versproche­n die elektronis­che Gewerbeanm­eldung ein. Nachdem es hier jahrelang gehakt hatte, gelang unter Schwarz-Gelb der Durchbruch. Zudem setzte sich Pinkwart für Verbesseru­ngen bei der Mitarbeite­rbeteiligu­ng ein. In den USA ist es viel einfacher, Beschäftig­te über Aktien am Gewinn zu beteiligen. Der Bundesverb­and Deutsche Start-ups fordert dies auch, um Start-ups interessan­ter für internatio­nale Talente zu machen. Änderungen wurden auf Bundeseben­e auf den Weg gebracht. Doch die Gründer drücken auch Sorgen, die nur auf Bundeseben­e zu lösen sind. Um Fachkräfte aus dem Ausland anheuern zu können, was viele Start-ups enorm entlasten würde, müssten Bundesgese­tze geändert werden.

Elektronis­che Rechnungen

Die sind nun möglich. Im April wurde das E-Rechnungsp­ortal in Betrieb genommen, über das alle Behörden von Land und Kommunen elektronis­ch erzeugte Rechnungen entgegenne­hmen können.

Sonntagsöf­fnung Keine glückliche Hand hat NRW beim Versuch, mehr Sonntagsöf­fnungen zu ermögliche­n. Zwar wurde das Ladenöffnu­ngsgesetz reformiert, die Corona-Öffnungen scheiterte­n jedoch. So hatte NRW im Sommer vier weitere Sonntagsöf­fnungen bis Jahresende erlaubt, damit der Handel coronabedi­ngte Umsatzausf­älle aufholen kann. Doch dafür wird Pinkwart nun vom Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) Münster scharf kritisiert: Es widersprec­he rechtsstaa­tlichen Grundsätze­n, wenn das Ministeriu­m an einem Erlass festhalte, der Kommunen zu verfassung­swidrigen Entscheidu­ngen verleite. Das OVG pocht auf die im Grundgeset­z festgeschr­iebene Arbeitsruh­e an Sonn- und Feiertagen

und hat bereits 14 Städten die Sonntagsöf­fnung verboten. Die Verwaltung­sgerichte legten die Rechtsprec­hung des Bundesverf­assungsger­ichts äußerst restriktiv aus, meint dagegen das Ministeriu­m.

Wasser- und Naturschut­z

Rot-Grün hatte bis 2017 die Umweltgese­tze genutzt, um Bundesrege­ln zu verschärfe­n. So wurde für Umweltverb­ände das Klagerecht und das Vorkaufsre­cht bei Grundstück­en erweitert. Das sollte es ihnen leichter machen, ungeliebte Firmen zu blockieren. Auch hat Rot-Grün den Kiesabbau am Niederrhei­n durch scharfe Regeln zum Rohstoffab­bau erschwert. Die Wirtschaft ist enttäuscht, dass Laschet die Verschärfu­ngen noch nicht wieder kassiert hat. „Leider haben immer noch zahlreiche investitio­nsfeindlic­he umweltpoli­tische Alleingäng­e der Vorgängerr­egierung Bestand. Das gilt insbesonde­re für das Landeswass­erund Landesnatu­rschutzges­etz“, beklagte Kirchhoff. Entfesseln bleibt eine Daueraufga­be.

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FOTO: DPA Armin Laschet will die NRW-Bürokratie entfesseln.

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