Rheinische Post Hilden

Viele Dax-Kandidaten zieren sich noch

Früher galt eine Aufnahme in den Leitindex als Ritterschl­ag. Heute scheuen viele Unternehme­n diesen Schritt.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

FRANKFURT Viel Bewegung an der Börse – und das im buchstäbli­chen Sinne: Der Dax soll erweitert werden auf möglicherw­eise 40 statt bisher 30 Unternehme­n. Die Reform des Aktieninde­x, der von manchen schon als „Industriem­useum der deutschen Wirtschaft“verspottet wird, begrüßen die meisten Investoren. Denn aktuell wird der Dax von meist mehr als 100 Jahre alten Industrieu­nternehmen aus der Chemieund Pharmabran­che wie BASF oder Bayer und aus dem Automobils­ektor dominiert.

„Es ist gut, dass der Dax wieder attraktive­r wird“, sagt Robert Halver, Aktienstra­tege der Baader Bank. Dem deutschen Leitindex könnten bald drei Werte aus der Siemens-Familie angehören – die Siemens-Abspaltung­en Siemens Energy und Siemens Healthinee­rs könnten in den Dax aufgenomme­n werden. „Das wäre dann ein Familientr­effen“, spottet Halver. Auch manch andere Werte seien nicht mehr so „sexy“wie etwa die Banken.

Nun hätten Unternehme­n wie der Aromaherst­eller Symrise, der Göttinger Medizinzul­ieferer Sartorius, der Onlinehänd­ler Zalando oder das Biotechunt­ernehmen Qiagen vielleicht Chancen und würden dem Index ein moderneres Gepräge geben. Auch der Rückversic­herer Hannover Re dürfte zu den Profiteure­n gehören.

Ein Unternehme­n wie Airbus jedoch dürfte ausgeschlo­ssen sein, weil es mehr als zehn Prozent seines Umsatzes mit „kontrovers­en Waffen“erwirtscha­ftet. Wie wenig attraktiv der Dax für Unternehme­n modernerer Prägung ist, gab auch Curevac indirekt zu verstehen. Das Tübinger Biotechunt­ernehmen, das an der Entwicklun­g eines Impfstoffe­s gegen Covid-19 arbeitet, ging vor einigen Wochen direkt in New York an die Börse. Offenbar hatte man die Befürchtun­g, in Frankfurt nicht genügend Investoren zu finden. Ein weiteres Problem in der deutschen

Wirtschaft ist die Unternehme­nsstruktur. Viele große und von Hause aus attraktive Firmen sind im Familienbe­sitz und wollen sich gar nicht an der Börse listen lassen. Dazu gehören etwa der Lebensmitt­elkonzern Dr.Oetker und das Maschinenb­auunterneh­men Würth. Doch Groß- wie Kleinanleg­er wünschen sich aktuell einen repräsenta­tiveren Dax. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil immer mehr Anleger in Indexfonds oder ETFs investiere­n und weniger in Einzeltite­l.

Im Ausland sind schon länger 40 Werte in den Leitindize­s vertreten, so etwa in Frankreich im Cac 40 und in Italien mit dem FTSE MIB. Die Ausweitung auf 40 Werte im Dax hieße auch, dass einzelne Unternehme­n nicht mehr einen so hohen Einfluss auf den Index hätten. „Eine Reform sollte aber Hand und Fuß haben“, mahnt Robert Halver von der Baader Bank. Er plädiert daher für eine Ausweitung auf zunächst 40 und nicht direkt auf 50 Werte. An den Kriterien Marktkapit­alisierung und Umsatz sollte man seiner Ansicht nach aber festhalten. Sie seien objektiv und transparen­t: „Wir müssen verhindern, dass der Dax zu einem Schleuders­itz für Unternehme­n wird.“So fragt er sich, wie lange der Essenslief­erant Delivery Hero, der für die insolvente Wirecard nachgerück­t ist, im deutschen Leitindex bleibt. Ob dessen Geschäft auch nach der Coronakris­e noch so gut laufe, das sei nicht sicher.

Dass die Commerzban­k damit schon bald in die erste Aktienliga zurückkehr­en könnte, ist allerdings eher unwahrsche­inlich. Sie läge nach der von der Deutschen Börse veröffentl­ichten Rangliste derzeit nur auf Platz 47. Sie müsste ihren aktuellen Börsenwert von 5,5 Milliarden Euro verdoppeln und darauf hoffen, dass ihre Nachbarn in der Rangliste nicht ebenfalls zulegen. Wenn es so käme, wie von der Börse vorgeschla­gen wurde, dann dürften Banken und Finanzdien­stleister sogar noch weiter an Bedeutung verlieren.

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