Weitere Berichte zum 8. RP-Finanzforum „Unabhängige Vermögensverwalter“auf den Seiten 4 bis 6
Corona dominiert derzeit nicht nur die Nachrichten und das persönliche Leben. Betroffen ist natürlich auch die Geldanlage. Das zeigte nicht zuletzt die Börsenentwicklung. Die Krise stelle eine „absolute Ausnahmesituation für uns alle“dar, sagt Kathrin Eichler (Eichler & Mehlert) beim RP-Finanzforum „Unabhängige Vermögensverwalter“. Aber die Mehrzahl der Mandanten im Frühjahr recht gelassen geblieben. An der Börse gebe es nun eine Vor- und eine Nach-Corona-Welt. Anlagespezialisten stehen jetzt nach Ansicht der Vermögensverwalterin vor der Aufgabe, nicht nur die Taktik zu prüfen, sondern auch die Strategie anzupassen, also Anlageklassen neu zu gewichten und zum Beispiel Aktienquoten zu erhöhen. Und die Branchen anzupassen: weg von einigen Sparten der klassischen Industrie, aber hin zu spannenden Unternehmen, die zum Beispiel von der Digitalisierung profitieren.
So sieht es auch Nicolas Pilz (Societas): „Als Vermögensverwalter war es immer schon die Aufgabe, die Investments dort zu investieren, wo es vor dem Hintergrund der Kundenstrategie am sinnvollsten und ertragreichsten ist. Den Luxus unserer Branche sehen wir darin, unabhängig zu sein und die Investments an die aktuellen Marktgegebenheiten anpassen zu können. An der Börse gibt es immer Branchen und Anlageklassen (zum Beispiel Gold), die profitieren, auch zu Corona-Zeiten. Wichtig ist, dass man eine Strategie verfolgt und dabeibleibt.“
Thomas F. Seppi (FPM) war persönlich sehr mit der Krise beschäftigt, da er in die Fonds der Gesellschaft auch mit eigenem Kapital investiert ist. „Mangels Alternative müssen Anleger Sachwerte kaufen. Wir sind daher zuversichtlich mit Blick auf die weitere Entwicklung.“Immerhin hat die Börse im Frühjahr nicht nur einen heftigen Kollaps erlebt, sondern auch die „schnellste Erholung aller Zeiten“.
Solche Erlebnisse veranlassen ebenso wie die massiven Schwankungen während der Finanzkrise den Anlageexperten Hans-Jürgen Röwekamp (LAIC) zu betonen: „Wichtig ist die Qualität des Risikomanagements in der Vermögensverwaltung. Für die jetzige Zeit heißt das insbesondere: „Die Risiken in den Kreditportfolios der Unternehmen offenbaren sich in ihren Büchern erst im nächsten Jahr.“Im digitalen Portfoliomanagement von LAIC werde das Risikomanagement emotionslos über einen eigens entwickelten Algorithmus gesteuert, der nicht nur für das digitale Portfoliomanagement von LAIC und zur Unterstützung der Fondsmanager sowie für Kunden der individuellen Vermögensverwaltung der Lloyd Fonds-Gruppe als Ergänzung eingesetzt werde, sondern insbesondere für angeschlossene B2B-Partner.
Die Expertise der Unabhängigen Vermögensverwalter ist im aktuellen Umfeld gefragt, sagt Michael Gillessen (Pro BoutiquenFonds). Der Marktüberblick BoutiquenFonds Radar, in dem die Gesellschaft einmal pro Quartal Auswertungen aus ihrer Datenbank veröffentlicht, zeigt, dass Fonds von Vermögensverwaltern in den ersten sechs Monaten des Jahres rund 4,4 Milliarden Euro zugeflossen sind (Netto-Neumittel-Zufluss). „Die Unabhängigen Vermögensverwalter haben damit so viel dazugewonnen wie die Deka, die Fondsgesellschaft der Sparkassenorganisation“, vergleicht Gillessen.
Und das, obwohl es zunächst zu Beginn der Krise aus Fonds auch Abflüsse gab, wie Andreas Gessinger von der Fonds-Service-Plattform Universal-Investment feststellt. „Der Crash kostete starke Nerven und die Sicherstellung der täglichen Liquidität war für den einen oder anderen Fonds ein Thema. Aber der Großteil der Fonds und der Vermögensverwalter ist gut aus der Krise gekommen“, bilanziert Gessinger das zurückliegende halbe Jahr.
Es war eine dramatische Zeit, bestätigt Jens Hartmann (ficon): „Was wir in einem halben Jahr erlebt haben, passiert sonst in mehreren längeren Zyklen.“Erstmals habe eine Krise alle getroffen, zum
Beispiel durch den Lockdown. „Unseren Kunden war es wichtig zu wissen: Da passt jemand auf unser Vermögen auf.“Die Auswirkungen der Krise und die Zeit nach Corona werden nach seiner Ansicht noch spannend: Welche Folgen hat die Liquiditäts-Schwemme?
Dies fragt sich auch Dominikus Wagner (Wagner & Florack). Viele Unternehmen hätten schon vor der Krise nur geringe Margen erwirtschaftet, aber hohe Schulden angehäuft. „Etliche dieser Firmen werden jetzt nur noch mit Liquiditätshilfen am Leben gehalten.“Wegen dieser Hilfen hätten sich die Märkte hauptsächlich erholt, nicht wegen der konjunkturellen Entwicklung. „Wir sind nur in Unternehmen investiert, deren Geschäftsmodelle auch in Krisen funktionieren.“Das bringe langfristig eine hohe Investitionssicherheit mit sich bei gleichzeitig geringeren Schwankungen. Die Klever Vermögensverwaltung Oberbanscheidt gehört ebenfalls zu denen, die in der Krise gefragt waren. „Wir haben zu verwaltende Kundengelder dazugewonnen“, sagt Andreas Stattrop. Schnelle, kurze Entscheidungswege und ein enger Kontakt zu den Kunden – mit diesen Vorteilen können die Unabhängigen Vermögensverwalter punkten, erklärt Stattrop. Bei einer transparenten Information bleiben die Anleger treu, auch wenn sie in den vorgeschriebenen Verlustschwellenbriefen die Folgen der anfänglichen Börseneinbrüche schwarz auf weiß nachlesen konnten.
„Kunden von Unabhängigen Vermögensverwaltern sind entspannter“, hat Alrik Haug (Reuss Private Deutschland) beobachtet. Er führt dies unter anderem auf die dauerhafte Betreuung der Kundenvermögen durch die Anlagespezialisten zurück. Diese habe sich auch aus regulatorischer Sicht bewährt, denn die Selbstentscheider unter den Anlegern, die eine Beratung wünschen, müssen eine Flut von Informationen bewältigen. In der Vermögensverwaltung kann hier mehr gebündelt werden.
Viele Anleger haben für ihre Geldanlage kein Strategie- und Risikomanagement, stellt Thomas Hirsiger (Finiens) fest. Sein Rat: „Die Frage nach der Qualität und Stabilität der Organisation eines Portfolios muss geklärt werden, bevor man an die Performance denkt.“Nach Corona müsse in dem Zusammenhang auch neu definiert werden, wie eine konservative, sicherheitsorientierte Strategie aussieht.
„Die Krise hat unterstrichen, wie wichtig auch im Anleihebereich eine breite Streuung der Anlagen und der Fokus auf solide Geschäftsmodelle sind“, berichtet Christoph Grote (KFM). Die Düsseldorfer Fondsgesellschaft investiert seit Jahren auf der Basis eines hauseigenen Analyseprozesses in ausgewählte Anleihen aus dem Mittelstand. „Wir sehen in unserem Marktsegment weiterhin eine sehr gute Chance für Anleger, echte Erträge zu generieren, die das eingegangene Investitionsrisiko honorieren. Durch die zahlreichen Notenbankinterventionen ist dies auf absehbare Zeit bei vielen klassischen Anleiheinvestments nicht mehr gegeben.“
Einen ganz anderen Blick auf die Entwicklung an den Finanzmärkten kann Marcel Uhlmann werfen. „Wir hatten überdurchschnittlich viele Depoteröffnungen.“Offensichtlich hätten viele Anleger erkannt, wie wertvoll ein Vermögensverwalter als Berater in der Krise ist. „Und an der Börse investiert es sich leichter, wenn der Dax bei 8400 Punkten und nicht bei 13.400 Punkten steht.“Zudem sei die
Digitalisierung schon weit fortgeschritten, sagt Uhlmann mit Blick auf ein neues Angebot der Bank: Unter www.v-check.de könnten Anleger in Strategien von Vermögensverwaltern bereits mit kleinen Beträgen digital investieren. „Wir haben hier Vermögensverwaltung bereits neu gedacht.“
Eine weitere Erkenntnis aus der Krise: Gesundheit sei als wichtiges Thema deutlich stärker ins Bewusstsein getreten, stellt Oliver Kämmerer von nova funds fest. Diese Gesellschaft
hat sich auf Dienstleistungen und Anlagestrategien im Investmentsektor Gesundheit spezialisiert, ein Sektor, der von einem langfristigen Trend profitiere, ein konstantes und stetiges Wachstum zeige und kaum unter Konjunkturdellen leide. Entsprechend verzeichnet auch der Publikumsfonds der Gesellschaft Zuflüsse.
In der Krise erkennen auch andere Anlagestrategen Chancen. Starke Kursschwankungen zum Beispiel könne man nutzen, sagt Adrian Hurler (Steubing). Aber wie kam es überhaupt zu diesen extrem starken Schwankungen im Frühjahr? Hurler, der die Märkte aus der Sicht von Tradern beobachtet, macht dafür unter anderem computergestützte Handelsprogramme – sogenannte Algorithmen – verantwortlich: „Anleger wollten in der Krise schnell verkaufen, und wenn dann wichtige Kursmarken erreicht werden, verstärken Algorithmen den Verkaufsdruck zusätzlich.“