Knallhart und verständnisvoll
Die Präsidentin der italienischen Partei Fratelli d‘Italia macht inzwischen sogar Lega-Chef Matteo Salvini im rechten Spektrum Italiens Konkurrenz.
Es ist noch nicht allzu lange her, dass der inzwischen 84 Jahre alte Silvio Berlusconi die Geschicke Italiens als Ministerpräsident mitbestimmte.
Auf ihn folgten zunächst der konservative Sozialdemokrat Matteo Renzi und dann die Empörung der Fünf-Sterne-Bewegung, die in der politischen Elite eine korrupte Kaste erkannte. Die Fünf Sterne kämpfen inzwischen ums Überleben. Einen Sommer lang machte sich Matteo Salvini, Chef der rechten Lega und ehemaliger Innenminister, Hoffnung auf „die ganze Macht“in Italien. Aber auch die Lega büßt seit einem Jahr stark an Zustimmung ein.
Längst erstrahlt inzwischen ein neuer Stern am Himmel der römischen Politik: Die 43-jährige Giorgia Meloni ist die einzige Frau, die in Italien eine sichtbar im Parlament vertretene Partei führt. „Fratelli d‘Italia“(FdI) ist der Name ihrer Bewegung, der der ersten Strophe der italienischen Nationalhymne entliehen ist. Die „Brüder Italiens“sind eine nationalkonservative Partei, die sich thematisch kaum von der Lega unterscheidet, dieser aber zunehmend die Führung im konservativen Lager streitig macht. Während die Lega von 34 Prozent in Umfragen auf 25 Prozent abgesunken ist, gewinnt die Meloni-Partei seit Jahren stetig hinzu. 2014 war die FdI noch eine kaum relevante Splitterpartei,
inzwischen ist sie hinter der Lega und den Sozialdemokraten mit rund 16 Prozent Stimmenanteil die drittstärkste Kraft im Land und hat die Fünf Sterne verdrängt.
„Meloni spaltet die Wähler weniger, sie ist auch als Frau vertrauenserweckender, hat ein institutionelles Profil“, sagt der Politologe Giovanni Orsina. Ende September wurde Meloni zur Präsidentin der Partei Europäische Konservative und Reformer gewählt, ein Zusammenschluss europäischer Rechtsaußenparteien. Manche trauen der gebürtigen Römerin, die unter Berlusconi Jugendministerin war, den Job als Premierministerin zu.
Melonis Positionen sind klar definiert. Illegale Einwanderung und Homosexuellen-Rechte sind für sie inakzeptabel. Ihr Slogan „Italiener zuerst“steht in seiner Vehemenz dem Populismus Salvinis kaum nach. Die Verfechterin eines extrem traditionellen Familienbildes hält es aber nicht für inkonsequent, dass sie und ihr Lebensgefährte – ein Nachrichtensprecher im Mediaset-Konzern Berlusconis – auch nach der Geburt der gemeinsamen Tochter vor vier Jahren unverheiratet blieben. Aufgewachsen ist Meloni im traditionell linken römischen Arbeiterviertel Garbatella. Das große Trauma im Leben Melonis ist, dass der Vater die Familie im Stich ließ und sich auf die Kanarischen Inseln davonmachte, als sie im Kindesalter war. „Ich glaube, diese Zurückweisung schleppt man ein Leben mit sich herum“, sagte sie einmal. Als Parteichefin und Kritikerin der Regierung changiert Meloni zwischen knallhart und verständnisvoll. Am Sonntag zeigte sie sich ihren Facebook-Followern schmusend mit einer Angora-Katze im Arm: „Ich und Pallocchio wünschen euch einen schönen und frohen Sonntag!“
Die gelernte Journalistin machte in den Nachfolge-Organisationen der Neofaschisten Karriere und wurde 2006 Parlaments-Abgeordnete. Heute verkörpert sie bei vielen Wählern in Abwesenheit einer moderaten konservativen Partei die wahre, vertrauenserweckende Führungsfigur der italienischen Rechten in Abgrenzung zum Politik-Rabauken Salvini.
Julius Müller-Meiningen