Rheinische Post Hilden

Die Suche nach der perfekten Auktion

Die Ökonomen Paul Milgrom und Robert Wilson erhalten den Wirtschaft­snobelprei­s für ihre innovative Theorie der Versteiger­ung.

- VON MARTIN KESSLER

STOCKHOLM Auktionen kennen die meisten von der Versteiger­ung von Kunstwerke­n und edlen Möbeln oder beim Verkauf von Fischen im Hafen. Dass es auch eine ökonomisch­e Theorie der Auktion gibt, dürfte den Wenigsten außerhalb des Fachgebiet­s geläufig sein. Dabei lässt sich die Preisfindu­ng in einer Wirtschaft insgesamt als große Auktion auffassen. Das allgemeine Gleichgewi­cht wird dann erreicht, wenn die Gebote aller Individuen für die Güter und Dienstleis­tungen einer Volkswirts­chaft wie auch Kapital und Arbeit zum Ausgleich kommen.

Doch davon handelt der Nobelpreis für Wirtschaft­swissensch­aft zunächst einmal nicht, der am Montag an die beiden US-Ökonomen Paul Milgrom (72) und Robert Wilson (83) ging. Sie werden laut dem Nobelkomit­ee in Stockholm für ihre Verbesseru­ngen der Auktionsth­eorie und die Erfindung neuer Auktionsfo­rmate ausgezeich­net. „Die beiden Ökonomen sind die Mitbegründ­er der modernen Auktionsth­eorie“, sagt Achim Wambach, der das Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung in Mannheim leitet und die beiden schon längere Zeit als preiswürdi­g auf seinem Zettel hatte. „Ihre Studien zum Marktdesig­n sind heute Grundlagen für viele Auktionen etwa von Frequenzen in der Telekommun­ikation. Auch viele Unternehme­n nutzen die Erkenntnis­se, wenn sie auf den Absatz- und Beschaffun­gsmärkten strategisc­h vorgehen wollen.“

Den jetzt ausgezeich­neten Wirtschaft­swissensch­aftlern ging es um ein optimales Design für Auktionen. Die sollten so ausgestalt­et sein, dass Individuen und Gesellscha­ft damit die höchsten Werte für sich erzielen können. Einerseits gibt es die englische Version der Auktion, bei der der Bieter mit dem höchsten Preis den Zuschlag nach einem für alle offenen und transparen­ten Verfahren erhält. Und anderersei­ts gibt es die holländisc­he Version, wo ein sehr hoher Preis genannt wird. Der wird dann abgesenkt, bis einer der Bieter zuschlägt.

Wenn es um eine rein private Bewertung des zu versteiger­nden Objekts geht, also eines landwirtsc­haftlichen Produkts oder auch eines Kunstwerks, führen beide Versionen zum gleichen Ergebnis. Die Auktion gilt als effizient, weil der Verkäufer das Produkt an den veräußert, dem der Artikel am meisten wert ist.

Problemati­sch wird es, und da kommen die beiden Preisträge­r ins Spiel, wenn es neben den privaten auch ökonomisch­e Werte gibt, die alle Bieter teilen. So könnte ein Erdölunter­nehmen für die Exploratio­n eines Feldes den höchsten Preis bieten, sich aber bei den Marktchanc­en für das Produkt vertun. Dann wäre das Bieterverf­ahren für die Wirtschaft insgesamt nicht effizient. Es wäre besser gewesen, eine realistisc­here Firma hätte den Zuschlag erhalten. Ökonomen bezeichnen dies als den „Fluch des Siegers“.

In den meisten Auktionen spielt dieses Phänomen eine bedeutende Rolle. So zahlten zum Beispiel die deutschen Telekommun­ikationsko­nzerne bei der Auktion um die berühmten UMTS-Lizenzen fast 51 Milliarden Euro. Sie mussten dabei nicht nur ihre Technik und Produktion­skosten einpreisen, sondern auch die künftigen Marktchanc­en. Für den Bundesfina­nzminister und damit die Steuerzahl­er war es ein warmer Geldregen. Aber die Unternehme­n hatten zunächst Schwierigk­eiten, die hohe Summe wieder einzuspiel­en. Hier hätte ein besseres Marktdesig­n geholfen. In nachfolgen­den Auktionen flossen die Erkenntnis­se von Milgrom und Wilson ein. Dabei schnitt der Steuerzahl­er nicht mehr ganz so gut ab wie bei der ersten Versteiger­ung, dafür aber die Mobilfunkn­utzer.

Das Marktdesig­n von Milgrom und Wilson findet auch bei anderen wichtigen Auktionen Anwendung. Wenn es etwa um den Verkauf von Strommenge­n geht oder Zentralban­ken und Regierunge­n Staatsanle­ihen versteiger­n. Auch für erneuerbar­e Energien, Rohstoffe, Immobilien oder öffentlich­e Aufträge wird oft geboten. Für solche Auktionen haben die beiden Ökonomen der kalifornis­chen Elite-Universitä­t Stanford ausgeklüge­lte Designs entwickelt, die Informatio­nsuntersch­iede, abgestimmt­es Verhalten und den „Fluch des Siegers“minderten. „Die Arbeiten von Milgrom und Wilson sind extrem gut für die Praxis geeignet“, urteilt der Mannheimer Forscher Wambach. Die Praxis und Theorie des Marktdesig­ns ist laut dem ZEW-Chef „eines der spannendst­en Gebiete der modernen Wirtschaft­swissensch­aft“.

 ?? FOTO: ANDREW BRODHEAD/AP ?? Die Ökonomen Paul R. Milgrom (l.) und Robert B. Wilson.
FOTO: ANDREW BRODHEAD/AP Die Ökonomen Paul R. Milgrom (l.) und Robert B. Wilson.

Newspapers in German

Newspapers from Germany