Wenn Spieler den Aufstand proben
In der Transferphase wurden von Profis teils schwere Geschütze aufgefahren, und einige Spieler streikten sogar.
DÜSSELDORF Wenn Fußball-Profis ihren Willen nicht bekommen, greifen sie schon mal zu besonderen Maßnahmen. Das war auch in den vergangenen Wochen wieder in der Bundesliga zu beobachten. Beim FSV Mainz 05 war gar die Rede von Rebellion, als sich gleich der gesamte Kader weigerte, zu einer Trainingseinheit auf den Platz zu gehen. Erst diverse finanzielle Eingeständnisse später und nach der Entlassung des bei der Kabine in Ungnade gefallenen Trainers Achim Beierlorzer kehrt langsam wieder Ruhe ein beim selbsternannten Karnevalsverein.
In Mainz ging es offenbar um ein Sammelsurium von Dingen. Hier ein nicht eingehaltenes Versprechen, da der Umgang mit einem beliebten Spieler, und schwuppdiwupp war soviel Dampf im Kessel, dass die Aufregung schnell groß war. Denn für große Teile der Öffentlichkeit ziemt es sich nicht, dass Fußball-Millionäre zum Klassenkampf aufrufen. Dementsprechend selten kommt es vor, dass die Arbeit niedergelegt wird. Erst recht nicht organisiert. Das liegt daran, dass es im Fußball trotz aller Professionalisierung in Punkto Arbeitnehmerrechte im Prinzip überhaupt keine Lobby gibt. Seit 1987 gibt es zwar die Spielergewerkschaft VDV, ihr Einfluss ist allerdings in etwa so groß wie die Chancen des FC Schalke 04, zeitnah Deutscher Meister zu werden. Der VDV wird in verschiedene Prozesse pflichtschuldig mit eingebunden, spielt aber an sich überhaupt keine Rolle.
Denn es geht in der Regel bei Zwist im Fußball nicht um das Große und Ganze, sondern um recht individuelle Probleme. Fußballer fordern nicht für sich einen Mindestlohn (den gibt es, er liegt bei 250 Euro im Monat) oder einen maximalen Verdienst. Jeder ist für sich mehr oder weniger als Einzelkämpfer unterwegs. Weshalb es mitunter zu bizarren Auswüchsen kommt. Gleich zwei Spieler von Zweitligist Fortuna Düsseldorf wollten sich aus bestehenden Kontrakten knatschen. Der türkische Nationalspieler Kenan Karaman fasste nach einem Gespräch mit seinem Trainer Uwe Rösler den Entschluss, für die Auftaktpartie beim Hamburger SV nicht zur Verfügung stehen zu wollen. Fortuna verlor, und auf dem
Markt fand sich niemand, der den 26-Jährigen für eine entsprechende Ablösesumme übernommen hätte. Karaman hat sich mittlerweile damit arrangiert, noch ein Jahr bei Düsseldorf zu spielen.
Sein Arbeitskollege Nana Ampomah ging ähnlich dreist an sein Tagewerk. Weil er auf jeden Fall einen Wechsel zum belgischen Klub Royal Antwerpen realisieren wollte, fackelte er nicht lange und übermittelte Fortuna eine deutliche Botschaft. Zwei Tage vor dem Auswärtsspiel in Kiel stand er vor Rösler und wedelte mit einem gelben Schein. Der Trainer soll dem Vernehmen nach derart konsterniert gewesen sein, dass ihm zunächst die Worte fehlten. Schließlich schickte er ihn zum Vereinsarzt, damit der die schwere der „Erkrankung“prüfen sollte. Diagnose: erhöhter Wechselwunsch. Vier Tage später wurde der Wechsel offiziell bekanntgegeben – es ging um rund zwei Millionen Euro.
Es geht natürlich auch ein paar Nummen größer. Als Pierre-Emerick Aubameyang sich plötzlich zu groß für Borussia Dortmund fühlte, machte er derart viele Mätzchen, dass ihn die Verantwortlichen irgendwann entnervt zu Arsenal London ziehen ließen. Als Peter Stöger ihn auch für das zweite Spiel im Jahr 2018 streicht, ging Aubameyang lieber in der Soccer-Halle kicken. Sein Outfit dabei laut „11 Freunde“: ein Trikot von Ousmane Dembélé. Genau, jener Dembélé hatte sich zuvor zum FC Barcelona gestreikt. Der BVB bekam als Entschädigung allerdings auch 105 Millionen Euro. Diese Zahlen verdeutlichen: Es geht um Probleme auf eher höherem Niveau.
Vereine tun sich schwer damit, Fehlverhalten ihrer Spieler angemessen zu sanktionieren. Denn damit verbunden ist das wirtschaftliche Risiko, enorm viel Kapital zu vernichten. Ein Profi, der für derartige Aktionen in der Branche bekannt ist, ist schwerer zu verkaufen, als handzahme Kandidaten. Und so tut man viel dafür, Unzufriedenheiten unter den Teppich zu kehren oder die Wechselwilligen dann eben ziehen zu lassen.
Es gäbe durchaus Themen, die einen Tarifvertrag sinnvoll erscheinen lassen. Besonders in Zeiten einer Pandemie. Begrenzung von Pflichtspieleinsätzen, Mindestzahl von Urlaubstagen am Stück, Ausweitung der Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, verbesserte Absicherung bei Spielunfähigkeit, betriebliche Altersversorgung oder die Achtung der Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre der Spieler. In Spanien, Italien oder England ist genau das in Vereinbarungen mit den Spielergewerkschaften geregelt. In Deutschland dagegen sind derartige Maßnahmen nicht in Sicht.