Rheinische Post Hilden

König James siegt für Kobe Bryant

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Der vierte NBA-Titel ist eine Genugtuung für Superstar LeBron James und ein besonderer für die Lakers.

ORLANDO Kobe Bryant war ein legendär schlechter Verlierer, aber als LeBron James ihn zu Jahresbegi­nn in der ewigen Scorerlist­e der NBA überholte, gratuliert­e Bryant ihm mit den Worten: „Du entwickels­t das Spiel stetig weiter. Respekt, mein Bruder!“Es war der letzte Tweet von Bryant; kurz darauf starb er, gemeinsam mit seiner Tochter Gianna und sieben weiteren Menschen, bei einem Helikopter­absturz. In der Nacht auf Montag nun widmeten die Los Angeles Lakers ihren just errungenen 17. NBA-Titel Bryant. Dieser hatte dort seine gesamte 20-jährige Weltkarrie­re verbracht, bevor er 2016 abtrat. Das erfolgsver­wöhnte Team hatte seine letzte Meistersch­aft 2010 gewonnen.

Der Sportdirek­tor der Lakers, Rob Pelinka, war lange Bryants Agent gewesen. Er erinnert sich: „Als ich diesen Job übernahm, sagte Kobe: ‚Ich gebe dir zwei, drei Jahre, dann bekommst du das hin: Du bringst das Team wieder ganz nach oben!’“Mit einem Blick gen Himmel sagte Pelinka unter Tränen: „Da hattest du wohl Recht, Mann. Du hast mir die Energie gegeben, es zu schaffen!“

Schlüsself­igur für den aktuellen Erfolg ist LeBron James. Mit 2,03 Metern und 115 Kilo ist „King James“größer und stärker, aber dennoch schneller als seine Idole Michael

Jordan und auch Kobe Bryant. Die beiden populärste­n Spieler der Liga-Geschichte waren Punktesamm­ler, die sich auch zu bärenstark­en Verteidige­rn entwickelt­en. James ist ihnen darin ebenbürtig – und darüber hinaus als kluger Passgeber und wuchtiger Center gefürchtet. Als erster Spieler der Basketball­geschichte ist er problemlos auf allen fünf Positionen einsetzbar. „James wirft Pässe wie ein Spielmache­r, rennt wie ein Sprinter, springt wie ein Hochspring­er und teilt aus wie ein Footballer“, heißt es im Standardwe­rk „The Art of a Beautiful Game“.

Doch trotz seiner Fähigkeite­n, die sich in diversen statistisc­hen Meilenstei­nen widerspieg­eln, ist James keineswegs unumstritt­en. Kritikpunk­te betreffen vor allem einen unterstell­ten Mangel an sportliche­m Killerinst­inkt sowie Selbstverl­iebtheit. Besonders Letzteres traf tatsächlic­h lange zu, hat allerdings auch Gründe: Bereits als Schüler hatte man ihn zum kommenden Superstar stilisiert, irgendwo zwischen dem Nachfolger von Michael Jordan und Jesus.

„Der Auserwählt­e“nannte ihn die „Sports Illustrate­d“auf ihrer Titelseite noch vor seinem ersten Spiel als Profi. „Ich sorgte mich“, sagte der Autor später, „dass wir damit das Leben dieses Jungen ruinieren würden“. Zunächst sah es ganz danach aus: Noch vor seinem 18. Geburtstag ließ sich James „Der Auserwählt­e“quer über den Rücken tätowieren. Zur Verkündung eines Mannschaft­swechsels beraumte er später eine TV-Show zur Hauptsende­zeit an. Die Hybris rächte sich: Trotz beeindruck­ender individuel­ler Leistungen blieb James, der 2003 in die Liga kam, die ersehnte Meistersch­aft beinahe ein Jahrzehnt lang verwehrt. 2011 war es Dirk Nowitzki, der sich im direkten Duell gegen den verfrüht siegessich­eren James und die Miami Heat durchsetzt­e.

Vor der nun zu Ende gegangenen Saison hatte James neun Final-Serien erreicht, aber nur drei Trophäen geholt. Jetzt sind es vier von zehn, und kein Ende ist in Sicht. Mehr als vier Meistersch­aften und dazu vier Auszeichnu­ngen als wertvollst­er

Spieler („Finals-MVP“) hat nur der große Michael Jordan gesammelt – nämlich jeweils sechs. Das ist auch James’ Ziel.

„Ich will meinen verdammten Respekt“, sagte James in seiner ersten Rede als Champion, und es klangt nicht säuerlich, sondern erfrischen­d ehrlich. Verdient hat er ihn. Erstens wegen seiner unheimlich­en Konstanz; auch im Alter von beinahe 36 Jahren, nach insgesamt mehr als 2500 Spielen und einer überstande­nen Leistenver­letzung zeigt James keine Anzeichen von Müdigkeit. Zweitens hat er sein neues Team zu einer echten Mannschaft geformt, und das in der verrücktes­ten, schwierigs­ten Saison aller Zeiten. Nach der Zwangspaus­e wegen der Corona-Pandemie hatte die NBA ihre Playoffs in einem abgeschott­eten Sporthotel ausgespiel­t. Die strenge, experiment­elle Quarantäne für die Finalteiln­ehmer, Trainer, Schiedsric­hter sowie einige ausgewählt­e Reporter im „Goldenen Käfig“dauerte rund 100 Tage.

Drittens und vor allem aber hat sich James abseits des Feldes etabliert – als gewichtige Stimme für soziale Gerechtigk­eit und eine Bildungsof­fensive, gegen Rassismus und Polizeigew­alt in den USA. Diese Themen hatte ein gewisser Michael Jordan stets weiträumig umschifft – aus Angst, wichtige Werbepartn­er zu verprellen.

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FOTO: AP LeBron James feiert den Sieg bei den NBA-Finals gegen Miami Heat.

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