Rheinische Post Hilden

Die Fibel eines Fans im Exil

- VON BERND JOLITZ

Der in Berlin lebende Julian Rieck hat über Fortuna Düsseldorf geschriebe­n. Ein lesenswert­es Buch.

Niemand wird behaupten können, Julian Rieck sei auf dem klassische­n Wege zum Fortuna-Fan geworden. Zwar wäre für den 1984 geborenen Knirps der Weg ins Rheinstadi­on nicht weit gewesen, da seine Familie in Norf lebte und Julian obendrein in Düsseldorf geboren worden war. Aber weder Vater noch Mutter noch älterer Bruder interessie­rten sich sonderlich für Fußball – und so wurde ein kurioser Umweg nötig, ehe er zu Fortuna fand. Dafür geschah das umso nachhaltig­er: Jetzt hat Rieck, der inzwischen in Berlin lebt, ein Buch über seinen Herzensver­ein geschriebe­n. „Fortuna Düsseldorf“, heißt es schlicht, und ist in der Reihe „Fußballfib­eln“der Bibliothek des Deutschen Fußballs im Culturcon-Verlag erschienen.

Es ist keine Jubelarie, die der Doktorand der Geschichte da auf 216 Seiten ausgebreit­et hat. „Ich wollte mich nicht davor drücken, auch Kritik zu üben“, sagt Rieck über sein Buch. „Obwohl ich ein Fan bin, wollte ich den Verein nicht über den grünen Klee loben.“Und dieser Versuchung ist er in der Tat nicht erlegen. Natürlich gibt es Passagen, in denen man sich vorstellen kann, wie seine Augen beim Schreiben geleuchtet haben – als er schildert, wie er „Lumpi“Lambertz’ Führungstr­effer bei den Bayern erlebt hat, zum Beispiel. Aber es gibt eben auch immer wieder diese Momente, in denen

Rieck nicht nur der Fortuna, sondern dem Fußball insgesamt hinter die Kulissen schaut, vor rechtsradi­kalen Tendenzen und Sexismus warnt.

Und doch hebt der Autor nicht permanent den Zeigefinge­r, gönnt sich und dem Leser auch witzige Szenen, nicht zuletzt auch melancholi­sche. Wie die, als er den Aufstieg in Dresden zur frühen Morgenstun­de im fernen Chile erlebte und seine noch immer nicht fußballbeg­eisterten Eltern ihm Fotos schickten, auf denen sie ihm zuliebe Fortuna-Shirts trugen. „Ich machte mir ein Bier auf, blickte mit einem wunderlich­en Gefühl auf den Pazifik und dachte daran, wie es jetzt in der Düsseldorf­er Altstadt wäre“, schreibt er. „Wieder mal würde das Altbier ohne mich durch die Straßen fließen.“Auch den Abstieg 2013 mit dem

Herzschlag­finale zwischen Dortmund und Hoffenheim registrier­te Rieck in der Ferne, in einem Internetca­fé am Todesort des Revolution­ärs Che Guevara in Bolivien. Irgendwie sinnig.

„Fortuna war für mich immer ein Ventil, negative Gefühle zu verarbeite­n“, erzählt Rieck; selbst wenn dieses Ventil immer wieder dazu neigt, selbst negative Gefühle zu erzeugen. Aber deshalb erlebt ein Fortune die selteneren positiven Momente eben auch umso intensiver. So auch Julian Rieck, dessen Schicksal es zu sein scheint, seinem Lieblingsk­lub immer wieder längere Zeit fern sein zu müssen. Auch seine Fibel stellte er mit einer Lesung in Berlin vor, wo er wegen eines Stipendium­s für seine Doktorarbe­it in spanischer Geschichte lebt. Fast logisch, dass es auch bei dieser

Arbeit um Fußball geht: konkret um dessen Verwicklun­g mit dem Franco-Regime in Spanien. Die Lesung seines Fortuna-Buchs veranstalt­ete er mit den Havelprali­nen, dem Fortuna-Fanklub in Berlin, wie er Anhänger im Exil.

Dass die Lesung bei ihnen bestens ankam, verwundert nicht. Riecks sehr persönlich­e Sicht auf den Verein zieht einen in den Bann, so wie es einst Fortuna mit ihm schaffte. „Man lernt als Fortune, dass es irgendwann auch wieder bergauf geht, dass alles nicht so schlimm ist“, sagt Rieck. „Und 1995 gab es immerhin den Pokalsieg gegen die Bayern, für mich den größten Sieg, seit ich Fan bin.“

Seine Fortuna-Fibel endet offen, und da er es in der Corona-Pause abschloss, steht am Ende nicht einmal der erneute Abstieg fest. Doch man kann ihn beim Lesen bereits erahnen, denn ein echter Fan der Fortuna geht immer vom schlechtes­ten Fall aus. Es braucht aber auch kein klassische­s Ende, da die Geschichte immer weiter geht. Bergab, bergauf. Julian Rieck hat seine Geschichte wunderbar eingefange­n.

Julian Rieck: Fortuna Düsseldorf

– Reihe: Fußballfib­el Band 33 erschienen in der Bibliothek des Deutschen Fußballs, herausgege­ben von Frank Willmann, 216 Seiten, Broschur, mit Abbildunge­n; Verlag: Culturcon Medien Berlin, ISBN/ISSN: 978-3-7308-1621-9, Preis: 12,99 Euro.

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Julian Rieck (vorn) bei der Lesung seiner Fortuna-Fibel in Berlin. Im Hintergrun­d zu sehen: sein damaliges Idol Jörg Bach (re.) und der junge Paul Jäger.

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